Vor Erlass einer heimaufsichtsrechtlichen Ordnungsverfügung bei nicht erheblichen Mängeln – hier: nach § 23 Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG) – bedarf es einer vorherigen Beratung und einer vorherigen Fristsetzung nach § 22 Abs. 1 SbStG. Annahme eines nicht erheblichen Mangels nach § 23 Abs. 1 SbStG schließt im Einzelfall die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer heimaufsichtsrechtlichen Ordnungsverfügung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO nicht aus.

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 SbStG kann die zuständige Behörde gegenüber dem Träger der Einrichtung Anordnungen mit angemessener Fristsetzung erlassen, wenn festgestellte Mängel auch nach einer Beratung gemäß § 22 SbStG nicht abgestellt werden. Nach § 23 Abs. 2 SbStG können Anordnungen ohne vorhergehende Beratung getroffen werden, wenn erhebliche Mängel festgestellt werden. Widerspruch und Anfechtungsklage haben in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner hat die streitbefangene Ordnungsverfügung vom 18.11.2014 auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 S. 1 SbStG erlassen. Er geht damit davon aus, dass es sich bei den festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der Medikamentenversorgung der Bewohner des Pflegeheimes … nicht um erhebliche Mängel handelt. Dies hat zur Folge, dass vor Erlass der Ordnungsverfügung das in § 22 SbStG vorgesehene Beratungsverfahren ordnungsgemäß durchzuführen ist. Diese Norm sieht vor, dass, wenn von der zuständigen Behörde festgestellt worden ist, dass in einer Einrichtung Anforderungen nach dem Selbstbestimmungsstärkungsgesetz nicht erfüllt werden (Mängel), sie den Träger der Einrichtung über Möglichkeiten der Beseitigung der Mängel zu beraten und für deren Beseitigung eine angemessene Frist zu setzen hat.
§ 22 Abs. 1 S. 1 SbStG schreibt jedoch neben der Beratung im engeren Sinne ausdrücklich die Setzung einer angemessenen Frist für die Mängelbeseitigung vor und weicht damit von der Vorgängerregelung der §§ 16, 17 HeimG (des Bundes) ab. Dies hat zur Folge, dass eine Anordnung nach § 23 Abs. 1 SbStG erst ergehen kann, wenn die zuvor im Beratungsverfahren gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist. Dem Träger einer Einrichtung soll damit die Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer ausdrücklich benannten Frist die festgestellten Mängel vor Erlass und zur Vermeidung einer Ordnungsverfügung abzustellen.
An einer derartigen vorherigen Fristsetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Eine Fristsetzung in Bezug auf die festgestellten Mängel bei der Medikamentenversorgung ist nämlich erst zeitgleich mit dem angefochtenen Bescheid am 18.11.2014 im Schreiben des Antragsgegners zur „Regelprüfung am 06.11.2014“ erfolgt, und zwar dergestalt, dass ausdrücklich unter Hinweis auf § 22 Abs. 1 SbStG in Bezug auf die Medikamentenversorgung die Frist „ab sofort und laufend“ gesetzt worden ist. Diese Fristsetzung „auf Null“ dürfte inhaltlich wegen der betroffenen Rechtsgüter und der Länge des vorherigen Verfahrens als angemessen anzusehen sein.
Eine Ordnungsverfügung nach § 23 Abs. 1 SbStG hätte jedoch erst dann erfolgen dürfen, wenn bei einer weiteren Überprüfung festgestellt worden wäre, dass die festgestellten Mängel bei der Medikamentenversorgung auch danach nicht abgestellt worden wären. Nachdem offenbar eine Überprüfung am 10.12.2014 keine Mängel ergeben hatte, hätte dies frühestens aufgrund des mitgeteilten Vorfalls am 19.12.2014 bzw. nach dessen Verifizierung erfolgen können.
Die angefochtene Ordnungsverfügung, die inhaltlich im Übrigen nicht zu beanstanden war, erweist sich damit als rechtswidrig. Es steht der Behörde jedoch im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens frei, bei festgestellten fortdauernden Mängeln eine neue Ordnungsverfügung zu erlassen.
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 19. Januar 2015 – 15 B 142/14