Anspruch auf persönliche Teilnahme an einer mündlichen Gerichtsverhandlung

Ein generelles vom jeweiligen Einzelfall unabhängiges Recht des Klägers eines Streitverfahrens über die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug, ihm die persönliche Teilnahme an einer mündlichen Gerichtsverhandlung zu ermöglichen, besteht nicht einmal für den begünstigten Personenkreis derjenigen Ausländer, die dem Freizügigkeitsrecht der Europäischen Union unterfallen (vgl. Art. 31 Abs. 4 lt. Halbsatz i. V. m. Art. 35 der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG; § 2 Abs. 7 Freizügigkeitsgesetz/EU), geschweige denn für den Kreis von Ausländern, der dieser Begünstigung nicht unterfällt.

Anspruch auf persönliche Teilnahme an einer mündlichen Gerichtsverhandlung

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe ihm rechtliches Gehör versagt, greift nicht durch. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneter und nach Lage der Dinge tauglicher Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen1.

Der Kläger wurde vorliegend über seinen Prozessbevollmächtigten (§ 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vom Verwaltungsgericht zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2011 geladen. Dem Antrag seines Prozessbevollmächtigten vom 3. Juni 2011, „den Kläger ausdrücklich zum Termin zu laden“, also wohl gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO sein persönliches Erscheinen anzuordnen, hat das Gericht in Ausübung seines Ermessens vorerst nicht entsprochen und dem Ergebnis der Anhörung seiner Ehefrau vorbehalten. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2011 hat der in der Verhandlung durch seinen Prozessbevollmächtigen anwaltlich vertretene Kläger nach der Anhörung seiner Ehefrau weder seine Vernehmung als Partei noch seine informatorische Anhörung in einem anzuberaumenden weiteren Verhandlungstermin sowie die Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu diesem Termin beantragt. Daher hat der Kläger gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 295 Abs. 1, 534 ZPO sein diesbezügliches Rügerecht verloren2.

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Dass sich die persönliche Anhörung des Klägers trotz des Ergebnisses der Anhörung seiner Ehefrau dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen, hat der Kläger nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich. Auch insoweit fehlt es im Übrigen an einem entsprechenden Beweisantrag des anwaltlich vertretenen Klägers. Sollte in dem Zulassungsvorbringen zugleich die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO zu sehen sein, würde daher auch diese nicht durchgreifen.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Februar 2013 – OVG 12 N 83.11

  1. vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 10.02.1987 – 2 BvR 314/86, BVerfGE 74, 220; BVerwG, Beschluss vom 06.04.2004 – 9 B 21.04; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 21.02.2011 – OVG 10 N 13.12; und vom 23.12.2010 – OVG 3 N 175.08, jeweils m. w. Nw.; Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, § 138 Rn. 26[]
  2. vgl. hierzu etwa Kuhlmann, a. a. O. § 124 a Rn. 51; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124 Rn. 213; dort auch zum Begriff der „nächsten mündlichen Verhandlung“ im Sinne des § 295 Abs. 1 ZPO[]