Aufhebung der Festsetzung einer privaten Grünfläche – und der Normenkontrollantrag des Nachbarn

Die Aufhebung der Festsetzung einer privaten Grünfläche auf einem mit einem Wohnhaus bebauten und an eine Straße grenzenden Grundstück, das in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Dorfgebiet liegt, und die Festsetzung von Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Zufahrten im Sinne des § 12 BauNVO auf diesem Grundstück begründen keine Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag der Grundstücksnachbarn gegen einen Änderungsbebauungsplan dieses Inhalts.

Aufhebung der Festsetzung einer privaten Grünfläche – und der Normenkontrollantrag des Nachbarn

Die Normenkontrollanträge der Nachbarn sind zwar nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft und auch fristgerecht innerhalb der Ein-Jahres-Frist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden, da der Bebauungsplan „Karlsruher Straße/Juhe, 1. Änderung/Karl-Friedrich-Straße und Werderstraße“ erstmals am 26.07.2012 ortsüblich bekannt gemacht wurde. Die Nachbarn sind auch nicht nach § 47 Abs. 2a VwGO i.V.m. § 3 Abs. 2 BauGB prozessual präkludiert, da sie Einwendungen geltend machen, die sie bereits bei der öffentlichen Auslegung erhoben haben1.

Den Nachbarn fehlt jedoch die Antragsbefugnis.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Nachbarn hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird2. An dieser Möglichkeit fehlt es, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet3.

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Eine die Antragsbefugnis begründende subjektive Rechtsposition ist in erster Linie das im Plangebiet befindliche Grundeigentum, dessen Inhalt und Schranken durch die planerischen Festsetzungen eines Bebauungsplans unmittelbar und rechtssatzmäßig bestimmt und ausgestaltet werden (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Nachbarn sind jedoch nicht Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich des angefochtenen Bebauungsplans und können sich daher nicht auf die Möglichkeit einer Verletzung ihres Grundrechts auf Eigentum berufen. Dem steht – anders als die Nachbarn möglicherweise meinen – nicht entgegen, dass ihr Grundstück im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans „Karlsruher Straße/Juhe“ der Antragsgegnerin vom 15.12.2008 liegt, der mit dem angefochtenen Bebauungsplan für die Grundstücke Flst.-Nr. … (…) und … (…) geändert wird4. Im Übrigen sind auch die Eigentümer von im Geltungsbereich des angefochtenen Bebauungsplans gelegenen Grundstücken nicht ausnahmslos antragsbefugt; wenden sie sich nur gegen Festsetzungen, die ihr Grundstück nicht betreffen, müssen sie vielmehr zur Begründung ihrer Antragsbefugnis eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots dartun und sich auf abwägungserhebliche eigene Belange berufen können5.

Auch Eigentümer außerhalb des Plangebiets gelegener Grundstücke sind antragsbefugt, wenn sie eine Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB normierten bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots geltend machen können. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Gebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht damit Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden6. Der Nachbarn in einem Normenkontrollverfahren kann sich deshalb im Rahmen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind grundsätzlich auch in diesem Fall keine höheren Anforderungen zu stellen. Auch insoweit reicht es aus, dass der Nachbarn Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen7.

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Macht der Nachbarn eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend, so muss er einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Private Belange sind in der Abwägung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind hiernach insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren8. Zwar ist die Prüfung der Antragsbefugnis nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen und sie darf nicht in einem Umfang und einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Andererseits muss das Normenkontrollgericht widerstreitendes Vorbringen des Antragsgegners, auf dessen Grundlage sich die maßgeblichen Tatsachenbehauptungen in der Antragsschrift als offensichtlich unrichtig erweisen, nicht ausblenden, sondern kann auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Nachbarns geben kann9.

Zur Begründung ihrer Antragsbefugnis machen die Nachbarn allein geltend, die Antragsgegnerin habe ihr Interesse an der Beibehaltung der nicht bebaubaren – privaten Grünfläche auf dem südwestlich angrenzenden Grundstück Flst.-Nr. … nicht ordnungsgemäß abgewogen. Die Bebauungsplanänderung gestatte nunmehr die Errichtung von Stellplätzen und Garagen auch an der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Dadurch würden sie beeinträchtigt. Dieses Vorbringen vermag – gemessen an den eingangs dargestellten Vorgaben – die Antragsbefugnis der Nachbarn nicht zu begründen.

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Die Zulassung von Stellplätzen und Garagen in einem Dorfgebiet nach Maßgabe des § 12 BauNVO – und damit nur in einem durch diese Vorschrift begrenzten Umfang – führt allenfalls zu einer geringfügigen Beeinträchtigung. Dem steht nicht entgegen, dass entsprechend der baden-württembergischen Landesbauordnung (§ 6 LBO) Stellplätze und Garagen grundsätzlich auch an der Grundstücksgrenze errichtet werden dürfen. Zudem führt die allgemeine planungsrechtliche Zulassung von Stellplätzen und Garagen noch nicht zwingend dazu, dass diese auch tatsächlich an der Grundstückgrenze errichtet werden dürfen. Denn bei der Frage der Zulässigkeit der Herstellung von Stellplätzen und Garagen ist im konkreten Einzelfall das bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot zu beachten. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BauNVO sind sie dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzulässig sind. Eine ähnliche Regelung enthält – in bauordnungsrechtlicher Hinsicht – § 37 Abs. 7 Satz 2 LBO. Danach darf die Nutzung von Stellplätzen und Garagen die Gesundheit nicht schädigen; sie darf auch die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm, Abgase oder Gerüche nicht erheblich stören10.

Schließlich ist ein schutzwürdiges Vertrauen der Nachbarn auf den Fortbestand einer das private Eigentum in besonderer Weise belastenden privaten Grünfläche auf einem bereits mit einem Wohnhaus bebauten Nachbargrundstück nicht zu erkennen. Nachbarn müssen bei einer sich verdichtenden Bebauung innerhalb eines bereits vorhandenen Bauplanungsgebiets damit rechnen, dass eine derartige private Grünfläche den veränderten städtebaulichen Verhältnissen, auf die die Antragsgegnerin in der Begründung der Bebauungsplanänderung maßgebend abstellt, entsprechend entfallen kann. Dies gilt im vorliegenden Verfahren auch deshalb, weil die Festsetzung der privaten Grünflächen im Bebauungsplan „Karlsruher Straße/Juhe“ der Antragsgegnerin vom 15.12.2008 nicht zu Gunsten der Nachbarn getroffen wurde und deshalb keine nachbarschützende Wirkung entfaltet. Denn nach Ziffer 1 der Begründung der planungsrechtlichen Festsetzungen sollte der Bebauungsplan zur Sicherstellung einer behutsamen Nachverdichtung im Ortskern von Graben aufgestellt werden. Es sollte dabei das ortstypische Straßenbild sowie die Struktur der Scheunenbebauung im Zusammenhang mit der verbreiteten Grenzbebauung und die dahinterliegenden Grüngärten gesichert werden. Diese Begründungserwägung zeigt, dass die Festsetzung der privaten Grünflächen allein aus städtebaulichen Gründen erfolgte. Gleiches bringt die Begründung zu den privaten Grünflächen zum Ausdruck. Von einer Grenzbebauung mit dahinterliegenden Grüngärten kann zudem, was die beiden von der angefochtenen Änderung des Bebauungsplans betroffenen Grundstücke betrifft, gerade keine Rede sein.

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Verwaltungsgerichtshof Baden -Württemberg, Urteil vom 26. Mai 2015 – 3 S 1547/13

  1. zu Inhalt und Umfang der Präklusionswirkung vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.11.2009 – 3 S 3013/08, BauR 2010, 252 [Ls][]
  2. BVerwG, Urteil vom 30.04.2004 – 4 CN 1.03, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165; zur Antragsbefugnis bei Änderungen eines Bebauungsplans vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.11.2014 – 5 S 302/13 -BauR 2015, 816[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 – 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215; Urteil vom 18.11.2002 – 9 CN 1.02, BVerwGE 117, 209[]
  4. vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 8.12.2011 – 4 BN 34.11 – BRS 78 Nr. 75; Urt. des Verwaltungsgerichtshofs v.04.02.2014 – 3 S 147/12 – VBlBW 2014, 468[]
  5. BVerwG, Beschluss vom 20.09.2005 – 4 BN 46.05 -BauR 2006, 352[]
  6. BVerwG, Urteil vom 16.06.2011 – 4 CN 1.10 -BVerwGE 140, 41; Urteil vom 24.09.1998 – 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215[]
  7. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 – 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215[]
  8. ständige Rechtsprechung; z.B. BVerwG, Beschluss vom 2.03.2015 – 4 BN 30.14 -ZfBR 2015, 380; Beschluss vom 29.07.2013 – 4 BN 13.13 – ZfBR 2014, 159; Urteil vom 16.06.2011, a.a.O.; Urt. 30.04.2004 – 4 CN 1.03, NVwZ 2004, 1120[]
  9. BVerwG, Beschluss vom 2.03.2015 – 4 BN 30.14 – ZfBR 2015, 380; Beschluss vom 10.07.2012 – 4 BN 16.12 – UPR 2013, 31; Beschluss vom 29.07.2013 – 4 BN 13.13 – ZfBR 2014, 159[]
  10. vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.12.2013 – 3 S 1964/13 -VBlBW 2014, 275 m.w.N.[]
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