Aufstiegs-BAföG – und seine Rückzahlung

Mittel der Aufstiegsförderung können nicht auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG alter Fassung zurückgefordert werden.

Aufstiegs-BAföG – und seine Rückzahlung

So hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in dem hier vorliegenden Fall entschieden und die Klage abgewiesen. Gleichzeitig ist auf die Berufung des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg1 geändert und sowohl der Bescheid des Landratsamtes Lörrach als auch der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart – Landesamt für Ausbildungsförderung aufgehoben worden.

Sachverhalt

Dem Kläger wurden mit Bescheid vom 29. November 2010 Leistungen nach dem AFBG für die Teilnahme an der am 1. Oktober 2010 beginnenden Teilzeitfortbildung zum Industriemeister Chemie an der Volkshochschule R. gewährt. Bis März 2012 sind Zuschüsse in Höhe von 688,53 Euro und ein Darlehen zu den Kosten der Lehrveranstaltung in Höhe von 1.568,97 Euro bewilligt worden. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen, dass der Kläger bis 30. März 2011 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringe. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Förderung eingestellt bzw. zurückgefordert werden könne, soweit der Kläger nicht regelmäßig an der Maßnahme teilnehme. Da der Kläger Nachweise des Bildungsträgers vorlegte, nach denen vom 8. Oktober 2010 bis 12. Februar 2011 in einem Maßnahmenabschnitt 42 Fehlstunden (von 160) und in einem anderen Maßnahmenabschnitt vom 1. 02 2011 – 3.03.2012 188 Fehlstunden (von 424) zu verzeichnen waren, teilte der Beklagte mit, weitere Fehlzeiten zu vermeiden sowie regelmäßig am Unterricht teilzunehmen. Anderenfalls sehe er sich gezwungen, die Leistungen einzustellen bzw. zurückzufordern. Im Oktober 2013 teilte der Bildungsträger den Abbruch und die Kündigung der Maßnahme durch den Kläger mit. Auf Anfrage des Beklagte führte der Kläger aus, er habe die Prüfung im Juli 2013 erfolgreich abgeschlossen. Da er vollkontinuierlicher Schichtarbeiter sei, sei es nicht möglich gewesen, regelmäßig den Unterricht zu besuchen. Mit Bescheid vom 30. Dezember 2013 forderte der Beklagte den Zuschuss zu dem Maßnahmebeitrag in Höhe von 688,53 Euro zurück. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Betroffene Klage eingereicht. Mit Urteil vom 15. April 2016 hat das Verwaltungsgericht Freiburg1 die Klage abgewiesen mit der Begründung, § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG ermächtige zur Rückforderung eines Maßnahmebeitrags. Daraufhin hat der Kläger sein Ziel mit der Berufung weiterverfolgt.

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Aktuelle Gesetzeslage

In das Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFBG) in der Fassung vom 15.06.20162, das durch Artikel 73 des Gesetzes vom 29.03.20173 geändert worden ist, ist eine präzisere Regelung der Rückforderung aufgenommen worden. Weiterhin ist das Ziel des sogenannten Aufstiegs-BAföG die finanzielle Unterstützung von Menschen bei ihrer beruflichen Qualifizierung. Es richtet sich an Teilnehmer von Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung. Nach dem Bundministerium für Bildung und Forschung sind im Jahre 2016 ca. 162.000 Personen mit AFBG unterstützt worden. Die einzige Bedingung für die Teilnehmer bestand in der Verpflichtung, regelmäßig an der Maßnahme teilzunehmen. Weder Prüfungsteilnahme oder Prüfungserfolg sind Voraussetzung für das Behalten der Förderung.

Auch die Rückzahlungsmodalitäten sind nun geregelt: Ab Fehlzeiten von mehr als 30 % der Unterrichtsstunden ist die Förderung zurückzuzahlen. Diese – seit dem 1. August 2016 neu im Gesetz enthaltene Rückzahlungsgrenze befreit bei Fehlzeiten, wenn sie unter 30 % der Gesamtstundenzahl bleibt.

Urteilsbegründung

In dem hier vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass hier das AFBG i.d.F. vom 18. Juni 20094 anwendbar ist, wie sich aus § 30 Abs. 1 AFBG i.d.F. vom 15. Juni 20165 und § 30 Abs. 4 AFBG i.d.F. vom 8. Oktober 20126 ergibt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann weder die Aufhebung der Bewilligung von Maßnahmebeiträgen noch deren Rückforderung auf § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG a.F. gestützt werden. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, ihrer systematischen Stellung sowie der Normgenese. Mangels Vorliegens einer Regelungslücke scheidet auch eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG a.F. auf Maßnahmebeiträge aus, ebenso wie eine Umdeutung in einen Widerruf nach § 47 SGB X.

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Bestätigt wird diese Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Begründung der Neufassung des § 16 AFBG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 4. April 20167: Danach erfasste die Vorschrift bislang den Maßnahmebeitrag nicht8. In der Begründung zu Nummer 16 (§ 16)9 ist ausgeführt: „§ 16 in der derzeit geltenden Fassung wurde aus dem BAföG übernommen, hat sich aber in verschiedenen Aspekten nicht als passfähig zum AFBG erwiesen. Insbesondere wird im BAföG keine Förderung für „Maßnahmekosten“ gewährt. Zudem fehlt bisher eine explizite Regelung der Rechtsfolgen bei nicht regelmäßiger Teilnahme an der geförderten Maßnahme. Dies hat zu einer erheblichen Zersplitterung der Rechtsprechung zu Umfang und Inhalt einer möglichen Rückforderung und damit des Vollzuges geführt. Diese Zersplitterung wird insbesondere durch die Neufassung der Absätze 3 und 4 mit einer präzisen Regelung beseitigt.“

Aus diesen Gründen sind der Bescheid des Landratsamtes Lörrach und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart rechtswidrig verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 24. März 2017 – 12 S 1983/16

  1. VG Freiburg, Urteil vom 15. April 2016 – 6 K 2948/14[][]
  2. BGBl. I S. 1450[]
  3. BGBl. I S. 626[]
  4. BGBl. I S. 1322 ff.[]
  5. BGBl. I S. 1450 ff.[]
  6. BGBl. I S. 2126 ff.[]
  7. BGBl. I S. 585 ff.[]
  8. Bayerischer VGH, Beschluss vom 19.04.2016 -[]
  9. BR-Drs. 494/15, S. 43; BT-Drs. 18/7055, S. 44[]
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