Über die Förderungshöchstdauer hinaus kann ein Studierender einen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, solange ein rechtzeitiges Abschließen des Studiums aus von ihnen nicht zu vertretenden hochschulorganisatorischen Gründen nicht möglich war.

Mit dieser Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Arnsberg in dem hier vorliegenden Fall einer Studentin an der Universität Siegen die Gewährung von Ausbildungsförderung versagt. Sie studierte Biologie, Evangelische Religionslehre und Mathematikdidaktik für das Lehramt an Haupt- und Realschulen. Das beklagte Studentenwerk hatte die weitere Gewährung von Ausbildungsförderung nach Ablauf der Regelstudienzeit von sieben Semestern abgelehnt, obwohl die Klägerin vorgetragen hatte, sie habe einzelne Lehrveranstaltungen wegen Kapazitätsengpässen an der Universität nicht in dem an sich vorgesehenen Semester belegen können. Dauafhin hat die Studentin Klage erhoben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kommen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz aus schwerwiegenden Gründen Leistungen für eine angemessene Zeit über die Förderungshöchstdauer hinaus in Betracht. Solche schwerwiegende Gründe könnten vorliegen, wenn es den Studierenden trotz rationeller Planung und besonderer Anstrengungen aus hochschulorganisatorischen Gründen nicht möglich sei, ihr Studium rechtzeitig abzuschließen. In diesen Fällen seien die Studierenden – entgegen der Auffassung des Studentenwerks – nicht auf die Regelung zu verweisen, nach der ausschließlich Darlehensleistungen für höchstens zwölf Monate nach Ablauf der Förderungshöchstdauer vorgesehen seien, sofern in dieser Zeit das Examen abgeschlossen werde.
Das verwaltungsgericht ist der Meinung, dass die Klägerin jedoch mit zumutbaren Anstrengungen alle notwendigen Studienleistungen hätte rechtzeitig erbringen und ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit abschließen können.
Allein die aus Kapazitätsgründen versagte Zulassung zum Kurs „Experimentelle Übung zur Ökologie“ im Sommersemester 2009 sei nicht kausal für die Überschreitung der Förderungshöchstdauer gewesen. Denn die Klägerin hätte trotz der erst im Sommersemester 2010 erfolgten Teilnahme an dieser Veranstaltung die Examensklausuren im August 2010 schreiben und damit ihr Studium rechtzeitig abschließen können. Nach den vom Landesprüfungsamt und von der Universität eingeholten Auskünften hätte sie zulassungsrelevante Scheine noch bis zum 9. August 2010, 8.45 Uhr, nachreichen können. Die Klägerin hätte somit den Leistungsnachweis über eine für den 28. Juli 2010 vorgesehene Klausur bis zu dem vorgenannten Termin beim Landesprüfungsamt einreichen können. Die Professorin habe den Studierenden in den Kursen „Experimentelle Übung zur Ökologie“ im Sommersemester 2010 ausdrücklich angeboten, die Klausuren so zügig zu korrigieren, dass die Frist zur Nachreichung des Scheins beim Prüfungsamt gewahrt werden könne. Sechs andere Studierende hätten dieses Angebot auch wahrgenommen – im Gegensatz zur Klägerin, welche die fraglich Klausur erst in einem späteren Termin absolvierte. Es wäre ihr außerdem möglich gewesen, die zusätzlich notwendigen Protokolle für diesen Kurs zu einem Zeitpunkt fertigzustellen, zu dem deren rechtzeitige Abnahme gewährleistet gewesen wäre. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe sich dabei um eine Gruppenarbeit gehandelt und die weiteren Gruppenmitglieder hätten kein gesteigertes Interesse an der zügigen Fertigstellung gehabt. Im Hinblick auf ihr bevorstehendes Examen wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, in der Gruppe für eine zügige Überarbeitung der Protokolle zu sorgen und sich dabei besonders zu engagieren, zumal die Studienveranstaltungen im Sommersemester 2010 bereits Mitte Juni, deutlich vor Ablauf der Nachreichfrist am 9. August 2010, geendet hätten. Schließlich hätte sich die Klägerin im April 2010, als die Anmeldefrist für die Examensklausuren im August 2010 ablief, erkundigen können, ob sie den fehlenden Schein noch rechtzeitig erwerben könne. Zwar sei ihr damals möglicherweise noch nicht bekannt gewesen, dass den kurz vor dem Examen stehenden Studierenden die zügige Korrektur der Klausur und die rechtzeitige Abnahme der Protokolle angeboten würde. Im Hinblick auf eine eigenverantwortliche und rationelle Studienplanung sei es jedoch zumutbar gewesen, von sich aus auf die Professorin zuzugehen und sich nach entsprechenden Angeboten zu erkundigen. Auch bei hochschulbedingten Erschwernissen des Studiums seien besondere Anstrengungen zu erwarten, um das Studium innerhalb der Förderungshöchstdauer zu beenden.
Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 29. Februar 2012 – 10 K 2053/11