Zur Auslegung einer Baugenehmigung können neben dem Bauschein und den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen auch andere Umstände – etwa ein Bauvorbescheid – herangezogen werden. Dies gilt jedenfalls, wenn in den Bauvorlagen auf diese Bezug genommen wird.

Bei der Auslegung der Baugenehmigung ist von dem Ansatz auszugehen, dass der Gegenstand der Baugenehmigung durch den Bauantrag des Bauherrn bestimmt wird und dass neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahme auch die grüngestempelten Bauvorlagen heranzuziehen sind. Das schließt es indes nicht aus, bei der Auslegung der Baugenehmigung auch weitere Indizien zu berücksichtigen; das Schriftformerfordernis des § 75 Abs. 3 NBauO a.F. steht einer Auslegung anhand von außerhalb der Genehmigung liegenden Umständen nicht entgegen; dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Umstände ihrerseits schriftlich dokumentiert sind und wenn in der Genehmigung bzw. den genehmigten Bauvorlagen zumindest ein Bezug zu diesen hergestellt ist – vergleichbar der „Andeutungstheorie“ bei der Auslegung von Testamenten [1]. Als Auslegungshilfe geeignet ist danach insbesondere der Inhalt eines Bauvorbescheides, auf den der Bauherr in seinem – seinerseits mit Genehmigungsvermerk versehenen – Antrag Bezug nimmt. Gerade dann, wenn ersichtlich ist, dass er sich auf die Bindungswirkung des Bauvorbescheides berufen möchte, ist – sofern sich nicht aus dem Bauantrag etwas anderes ergibt – davon auszugehen, dass er die in der Bauvoranfrage bereits spezifizierten Vorhabendetails beibehalten möchte.
In dem hier vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschiedenen Fall hat der Bauherr seine Auffassung, ein Vorhaben, wie es Gegenstand der Bauvoranfrage war, zur Genehmigung zu stellen, bereits durch den Hinweis auf die Erteilung des Bauvorbescheids in seinem Bauantrag hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht; denn als bloßer nachrichtlicher Hinweis auf Bauvorbescheide, die schon aus Sicht des Antragstellers keinen Bezug zum Vorhaben aufwiesen wäre dieser sinnlos. Darauf, dass der Bauherr den Bauvorbescheid zusätzlich seinem Antrag beigefügt hat, kommt es angesichts dessen nicht an. Dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben hinsichtlich des Maßes der Nutzung erheblich von dem Vorhaben abwich, dessen Genehmigung durch den Bauvorbescheid zugesagt war, bedeutet nicht, dass der Bauherr sich auch hinsichtlich des Nutzungszwecks vom Gegenstand seiner Bauvoranfrage lösen wollte. Hinreichende sonstige positive Indizien dafür, dass mit dem Bauantrag eine unbeschränkte Wohnnutzung begehrt wurde, gibt es nicht. Die Bezeichnung im Bauantrag als „Einfamilienhaus“ bzw. im Schreiben vom 29.05.1985 als „Privat-Haus“ sind insoweit einer Auslegung zugänglich; denn auch ein Betriebsleiterwohnhaus ist ein Einfamilienhaus und kann als Privathaus des Betriebsleiters – im Gegensatz zu seinem Büro – bezeichnet werden, zumal wenn er, wie hier, der Betriebsinhaber ist.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Februar 2014 – 1 LB 189/11
- vgl. BGH, Urteil vom 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41[↩]