Die Anfechtung der Ausführungsanordnung nach § 117 BauGB durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 217 Abs. 1 Satz 1 BauGB entfaltet aufschiebende Wirkung. Die mit dem Erlass der Ausführungsanordnung angestrebte Rechtsänderung tritt auch dann ein, wenn an dem nach § 117 Abs. 5 Satz 1 BauGB hierfür festgesetzten Tag die aufschiebende Wirkung eines dagegen gerichteten – im Ergebnis erfolglos gebliebenen – Antrags auf gerichtliche Entscheidung noch angedauert hat. In einem solchen Fall beginnt die Verwendungsfrist nach § 114 Abs. 1 BauGB nicht (rückwirkend) an dem in der Ausführungsanordnung festgesetzten Tag, sondern an dem Tag, an dem die Anordnung bestandskräftig geworden ist.

Nach § 102 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann der frühere enteignete Eigentümer verlangen, dass das enteignete Grundstück zu seinen Gunsten wieder enteignet wird (Rückenteignung), wenn und soweit der durch die Enteignung Begünstigte oder seine Rechtsnachfolger das Grundstück nicht innerhalb der festgesetzten Fristen (§ 113 Abs. 2 Nr. 3 und § 114 BauGB) zu dem Enteignungszweck verwendet haben.
Gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 3 BauGB sind im Enteignungsbeschluss der Enteignungszweck und die Frist, innerhalb der das Grundstück zu dem vorgesehenen Zweck zu verwenden ist, zu bezeichnen. Im vorliegenden Fall ist im Enteignungsbeschluss die Verwendungsfrist auf ein Jahr nach Eintritt der Rechtsänderung zum Zweck der Anbindung des P. V. Rings an die B. straße und die A. D. Straße gemäß dem Straßenbebauungsplan „P. V. Ring-Süd“ festgesetzt. Diese in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 114 Abs. 1 BauGB an den Eintritt der Rechtsänderung anknüpfende Form der Fristbestimmung ist hinreichend bestimmt1.
Nach § 117 Abs. 5 Satz 1 wird mit dem in der Ausführungsanordnung festzusetzenden Tag der bisherige Rechtszustand durch den im Enteignungsbeschluss geregelten neuen Rechtszustand ersetzt. Die Ausführungsanordnung ist nach § 117 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf Antrag eines Beteiligten durch die Enteignungsbehörde nach Unanfechtbarkeit des Enteignungsbeschlusses zu erlassen. Im vorliegenden Fall ist die Ausführungsanordnung des Beteiligten zu 5 am 1.09.2009 ergangen und als Datum für die Änderung des Rechtszustands den 12.10.2009 00.00 Uhr angegeben.
Voraussetzung für den Beginn der Verwendungsfrist überhaupt ist, dass die mit der Enteignung angestrebte Rechtsänderung (hier: Übergang des Eigentums auf den Enteignungsbegünstigten) stattgefunden hat. Diese – von allen Beteiligten und beiden Vorinstanzen stillschweigend angenommene – Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben; insbesondere ist der Wechsel im Grundeigentum nicht deshalb ausgeblieben, weil an dem in der Ausführungsanordnung festgesetzten Tag (12.10.2009) diese Verfügung noch keine Bestandskraft erlangt hatte.
Allerdings soll nach einer in der Literatur weit verbreiteten Auffassung dann, wenn die Ausführungsanordnung angefochten wird und – wie hier – an dem festgesetzten Tag die aufschiebende Wirkung noch andauert, die Festsetzung gegenstandslos werden mit der Folge, dass die Enteignungsbehörde einen neuen Tag bestimmen muss2. Da dies vorliegend nicht geschehen ist, wären nach dieser Meinung die Beteiligten zu 1 bis 3 immer noch Eigentümer der zu enteignenden Teilflächen.
Dieser Literaturmeinung ist jedoch nicht zu folgen. Sie wird dem „Wesen“ der aufschiebenden Wirkung des gegen die Ausführungsanordnung gerichteten Antrags auf gerichtliche Entscheidung nicht gerecht und führt darüber hinaus zu sachwidrigen Ergebnissen.
Die Ausführungsanordnung ist nach § 217 Abs. 1 Satz 1 BauGB durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbar. Ein solcher Antrag entfaltet aufschiebende Wirkung. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 224 Abs. 1 BauGB, der für bestimmte Maßnahmen nach dem Baugesetzbuch die aufschiebende Wirkung enumerativ ausschließt3.
Das Wesen der aufschiebenden Wirkung besteht darin, dass für die Dauer des Schwebezustands, in dem Ungewissheit über den Erfolg der Anfechtung besteht, keine Maßnahme angeordnet oder vollzogen wird, die den durch den Verwaltungsakt Betroffenen belasten könnte; es dürfen keine „vollendeten Tatsachen“ geschaffen werden. Die aufschiebende Wirkung wird durch die rechtskräftige Abweisung des Rechtsmittels mit der Folge beseitigt, dass der angefochtene Verwaltungsakt als von Anfang an wirksam zu behandeln ist4.
Mit Eintritt der aufschiebenden Wirkung aufgrund des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 29.09.2009 trat die Rechtsänderung damit nicht wie in der Ausführungsanordnung bestimmt am 12.10.2009 ein. Die aufschiebende Wirkung endete mit der Rücknahme des Antrags auf gerichtliche Entscheidung am 28.04.2010. Der Wegfall der aufschiebenden Wirkung wirkt im Allgemeinen ex tunc, das heißt der ursprüngliche Verwaltungsakt ist so zu behandeln, als sei er nie angefochten worden5. Übertragen auf die vorliegende Fallkonstellation bedeutet dies, dass sich die Beteiligten grundsätzlich so behandeln lassen müssen, als sei eine Anfechtung der Ausführungsanordnung nicht erfolgt und als sei die Rechtsänderung mit dem in der Ausführung angeordneten Datum eingetreten.
Soweit dem die angeführten Literaturmeinungen entgegenhalten, bezogen auf dingliche Rechte mache eine „rückwirkende Rechtsänderung“ keinen Sinn, so mag daran richtig sein, dass der Wegfall der aufschiebenden Wirkung im praktischen Ergebnis einer ex nunc-Wirkung nahekommt. So ist etwa, solange die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung andauert, nur der Antragsteller in der Lage, Eigentumsstörungen durch Dritte zu begegnen (Erheben einer Unterlassungs- oder Beseitigungsklage nach § 1004 BGB). Diese Überlegung rechtfertigt es aber nicht, die angefochtene Anordnung für gegenstandslos zu erachten. Denn dies hätte im Ergebnis zur Folge, dass der Enteignungsbetroffene mit seinem Antrag die mit dem Erlass der Ausführungsanordnung angestrebte Rechtsänderung auch dann verhindern könnte, wenn sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist. Es müsste eine neue Ausführungsanordnung mit geändertem Datum erlassen werden, die von neuem angefochten werden könnte.
Diesen Schwierigkeiten kann nicht dadurch begegnet werden, dass die Enteignungsbehörde in der Ausführungsanordnung das Datum für den Eintritt der Rechtsänderung so bestimmt, dass angenommen werden kann, auch im Falle einer Anfechtung werde die Anordnung rechtzeitig vor dem Termin Bestandskraft erlangen. Da zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausführungsanordnung nicht zuverlässig abgeschätzt werden kann, wie lange die im Fall der Anfechtung eintretende aufschiebende Wirkung andauert, müsste der Tag der Rechtsänderung unter Umständen sehr weit hinausgeschoben werden. Dies wäre dann besonders misslich, wenn die – erwartete beziehungsweise angekündigte – Anfechtung der Ausführungsanordnung unterbliebe und das Enteignungsvorhaben eigentlich unverzüglich ins Werk gesetzt werden könnte.
Unabhängig davon, ob und inwieweit sich der Wegfall der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Eigentümerstellung auswirkt, so ist jedenfalls in Bezug auf den Beginn der Verwendungsfrist der Zeitpunkt des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung (hier: die Antragsrücknahme am 28.04.2010) und nicht das in dem angefochtenen Bescheid für den Eintritt der Rechtsänderung angegebene Datum entscheidend.
Nach der gesetzlichen Regelungskonzeption soll dem Enteignungsbegünstigten zur Verwirklichung des Enteignungsvorhabens die volle Verwendungsfrist zur Verfügung stehen. Deshalb ist mit dem Eintritt der Rechtsänderung im Sinne des § 114 Abs. 1 BauGB im Fall der Anfechtung der Ausführungsanordnung der Zeitpunkt zu verstehen, in dem die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung wegfällt. Denn ungeachtet dessen, dass sich die Beteiligten in diesem Fall grundsätzlich so behandeln lassen müssen, als sei eine Anfechtung nicht erfolgt und die Rechtsänderung damit zu dem in der Ausführung angeordneten Stichtag erfolgt, besteht für den Enteignungsbegünstigten erst ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung tatsächlich und rechtlich die konkrete Möglichkeit, den Enteignungszweck umzusetzen.
Würde man demgegenüber in jedem Falle für den Beginn der Verwendungsfrist auf den in der Ausführungsanordnung für den Eintritt der Rechtsänderung festgesetzten Tag abstellen, so könnte sich im Falle einer Anfechtung der Anordnung der dem Enteignungsbegünstigten für die Verwirklichung seines Vorhabens zur Verfügung stehende Zeitraum so sehr verkürzen (und unter Umständen völlig ausfallen), dass das Erreichen des Enteignungszwecks ernsthaft gefährdet wäre, wenn nicht gar unmöglich gemacht würde. Das Setzen einer – im Gesetz gar nicht vorgesehenen – neuen Verwendungsfrist würde eine teilweise Änderung des (unanfechtbar gewordenen) Enteignungsbeschlusses enthalten, die wiederum angefochten werden könnte.
Auch die Möglichkeit nach § 114 Abs. 2 BauGB vor Ablauf der Verwendungsfrist einen Antrag auf Verlängerung zu stellen, wird den Interessen der am Enteignungsverfahren Beteiligten nicht gerecht. Unmittelbar wäre diese Vorschrift ohnehin nicht anwendbar, da im Fall der Anfechtung der Ausführungsanordnung die aufschiebende Wirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung zurückwirkt, also während des laufenden gerichtlichen Verfahrens vom Beginn einer – zu verlängernden – Verwendungsfrist noch gar nicht ausgegangen werden könnte6. Im Übrigen könnte auch dieser Verlängerungsbescheid selbständig angefochten werden.
Der gesetzgeberische Zweck der Fristsetzung, dass den Beteiligten ein klar umrissener Zeitraum vorgegeben wird, in dem der Enteignungszweck verwirklicht werden muss, ist daher im Falle einer Anfechtung der Ausführungsanordnung am besten dadurch zu erreichen, dass für den Beginn der Verwendungsfrist auf den Tag abgestellt wird, an dem die Rechtsänderung für alle Beteiligten unumstößlich feststeht; dies ist der Tag, an dem die Ausführungsanordnung Bestandskraft erlangt7.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2013 – III ZR 154/12
- vgl. BGH, Urteil vom 28.05.1984 – III ZR 100/83, NVwZ 1986, 506 f[↩]
- so Brügelmann/Reißnecker, BauGB, [Stand: August 1999] § 117 Rn.20; Holtbrügge in Berliner Kommentar zum BauGB, [Stand: Juli 2005] § 117 Rn.19; Petz in Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 117 Rn. 47; Schrödter/Breuer, BauGB, 7. Aufl., § 117 Rn. 21; so wohl auch Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, [Stand: März 2007] § 117 Rn. 22[↩]
- OLG Koblenz, NVwZ 1984, 678; Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg aaO; Schrödter/Breuer aaO § 117 Rn. 24; Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl., § 117 Rn. 12[↩]
- BGH, Urteil vom 13.10.1983 – III ZR 155/82, BGHZ 88, 337, 342 in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwGE 13, 1, 5 f; 24, 92, 98; 99, 109, 112[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.10.1983 aaO; BVerwG NJW 1983, 2042; Eyermann/Schmidt, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rn. 16[↩]
- vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 23 Bl. 23 f; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 80 Rn. 54[↩]
- a. A. OLG Bremen, BRS 45, 662, 665[↩]