Die gegenüber einem Beamten ergangene Anordnung, sich zur Klärung seiner Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, ist kein Verwaltungsakt. Die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung muss ihren Anlass erkennen lassen. Der Beamte muss nachvollziehen können, ob die aufgeführten Umstände die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit rechtfertigen.Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit. Die Anordnung muss sich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig. Der Aufforderung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt werden, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als nahe liegend erscheinen lassen.

Die Feststellung der Dienstunfähigkeit eines Polizeivollzugsbeamten ist wegen der hierfür bestehenden besonderen Anforderungen des Vollzugsdienstes von der Feststellung der allgemeinen Dienstunfähigkeit eines Beamten zu unterscheiden. Ein Polizeivollzugsbeamter ist nach § 226 Abs. 1 NBG dienstunfähig (§ 54 Abs. 1), wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wieder erlangt. Die Polizeidienstfähigkeit setzt voraus, dass der Polizeivollzugsbeamte zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist [1]. Nach § 226 Abs. 2 NBG werden diese Voraussetzungen durch den Dienstvorgesetzten aufgrund des Gutachtens eines Amtsarztes oder eines beamteten Arztes festgestellt.
Nach den Feststellungen ergibt sich im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall der Nachweis der Polizeidienstunfähigkeit des Klägers nicht aus den ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen zu seinem Gesundheitszustand. Die Polizeiärzte haben die entscheidungserhebliche Frage, ob der Kläger an einer psychischen Erkrankung leidet, uneinheitlich beantwortet. Der Nachweis kann auch nicht als erbracht gelten, weil sich der Kläger der angeordneten weiteren psychiatrischen Untersuchung verweigert hat:
Sind, wie hier, die Folgen der Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung, die von der zuständigen Stelle im Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit angeordnet worden ist, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, kann die Verweigerung nach dem aus § 444 ZPO abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz zum Nachteil des betroffenen Polizeivollzugsbeamten gewertet werden. Danach kann im Rahmen freier Beweiswürdigung auf die Dienstunfähigkeit geschlossen werden, wenn der Beamte durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustandes bewusst verhindert. Die Verpflichtung, sich zur Nachprüfung der Dienstfähigkeit nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen, ginge ins Leere, wenn aus einer unberechtigten Weigerung keine Rückschlüsse gezogen werden könnten. Andernfalls hätte es der Beamte in der Hand, die für die Vorbereitung der Feststellung seiner Dienstfähigkeit erforderliche ärztliche Untersuchung erheblich zu erschweren oder zu vereiteln [2]. Diese Grundsätze gelten auch für eine vom Amts- oder Polizeiarzt für erforderlich gehaltene und vom Dienstherrn daraufhin angeordnete fachärztliche Zusatzuntersuchung.
Diese für den Beamten nachteilige Schlussfolgerung setzt aber eine rechtmäßige Untersuchungsanordnung voraus. Daran fehlt es hier. Die Anordnung der Beklagten vom 14.04.2005, sich durch einen weiteren Psychiater untersuchen zu lassen, ist rechtswidrig, so dass der Kläger ihr nicht Folge leisten musste.
Allerdings war die Verweigerung der Untersuchung nicht schon deshalb rechtlich unbeachtlich, weil der Kläger gegen die Anordnung Klage erhoben hat. Dieser Klage kommt keine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es sich bei der Anordnung nicht um einen Verwaltungsakt handelt [3]. Die Anordnung hat keine unmittelbare Außenwirkung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG, der nach § 1 Abs. 2 NVwVfG anwendbar ist.
Ob eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, hängt davon ab, ob sie nach ihrem objektiven Sinngehalt dazu bestimmt ist, Außenwirkung zu entfalten, nicht aber davon, wie sie sich im Einzelfall auswirkt [4]. Zwar greift die Anordnung, sich körperlich untersuchen zu lassen und sich einem Gespräch mit dem Gutachter zu stellen, in die grundrechtsbewehrte persönliche Sphäre des Beamten ein. Ihr Schwerpunkt liegt aber in der Frage der künftigen Dienstleistung und der Konkretisierung der darauf bezogenen, in § 54 Abs. 1 Satz 3 NBG begründeten Pflicht des Beamten, bei der Klärung seiner Dienstfähigkeit mitzuwirken. Als gemischte dienstlichpersönliche Weisung regelt die Untersuchungsanordnung einen einzelnen Schritt in dem gestuften Verfahren, das bei Feststellung seiner Dienstunfähigkeit mit seiner Zurruhesetzung endet [5].
Wegen ihrer erheblichen Folgen muss die behördliche Anordnung zu einer ärztlichen Untersuchung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen:
Befolgt ein Beamter eine Anordnung zu einer fachpsychiatrischen Untersuchung, so muss er Eingriffe in sein Recht aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht hinnehmen. Die Erhebungen des Psychiaters zum Lebenslauf des Beamten, wie etwa Kindheit, Ausbildung, besondere Krankheiten, und zum konkreten Verhalten auf dem Dienstposten stehen dem Bereich privater Lebensgestaltung noch näher als die rein medizinischen Feststellungen, die bei der angeordneten Untersuchung zu erheben sind [6].
Weiterhin trägt der Beamte das alleinige Risiko der späteren gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung. Hat der Beamte die Untersuchung verweigert, weil er die Anordnung als rechtswidrig angesehen hat, geht es bei der Würdigung aller Umstände nach dem Rechtsgedanken des § 444 ZPO regelmäßig zu seinen Lasten, wenn das Gericht nachträglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung feststellt. Unterzieht sich der betroffene Beamte demgegenüber der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte. Die Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung ist nach Erstellung des Gutachtens ohne Bedeutung [7].
Die Anordnung muss sich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig. Der Aufforderung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt werden, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als nahe liegend erscheinen lassen [8].
In formeller Hinsicht muss die Anordnung aus sich heraus verständlich sein. Der betroffene Beamte muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag [9]. Insbesondere darf die Behörde nicht nach der Überlegung vorgehen, der Betroffene werde schon wissen, „worum es gehe“. Dem Beamten bekannte Umstände müssen in der Anordnung von der zuständigen Stelle zumindest so umschrieben sein, dass für den Betroffenen ohne Weiteres erkennbar wird, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird.
Genügt die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann dieser Mangel nicht dadurch „geheilt“ werden, dass die Behörde nachträglich im Behörden- oder Gerichtsverfahren darlegt, objektiv hätten zum Zeitpunkt der Anordnung tatsächlich Umstände vorgelegen, die ausreichenden Anlass zu Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten hätten geben können. Stellt die Behörde im Laufe des Verfahrens fest, dass die in einer ersten Anordnung genannten tatsächlichen Umstände für Zweifel an der Dienstfähigkeit eines Beamten nicht ausreichen, so ist es ihr unbenommen, diese Aufforderung durch eine neue mit der Begründung zu ersetzen, dass zwischenzeitlich zu Tage getretenes weiteres Material deutlicheren Anlass zur Annahme der Dienstunfähigkeit biete. Dies ist dann im Einzelnen darzustellen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 17.10
- BVerwG, Urteil vom 03.03.2005 – 2 C 4.04, Buchholz 237.7 § 194 NWLBG Nr. 2 S. 1 f.[↩]
- BVerwG, Urteile vom 27.06.1991 – 2 C 40.89, Buchholz 239.1 § 60 BeamtVG Nr. 1 S. 5, vom 18.09.1997 – 2 C 33.96, Buchholz 237.5 § 51 HeLBG Nr. 2 S. 3 und vom 26.01.2012 a.a.O. Rn. 14[↩]
- vgl. zu einer gegenüber einem Ruhestandsbeamten ergangenen Untersuchungsanordnung: BVerwG, Beschluss vom 19.06.2000 – 1 DB 13.00, BVerwGE 111, 246, 250 = Buchholz 232 § 45 BBG Nr. 5 S. 4 f.[↩]
- BVerwG, Urteile vom 15.02.1989 – 6 A 2.87, BVerwGE 81, 258, 260 = Buchholz 236.1 § 59 SG Nr. 2 S. 3, vom 14.12.1994 – 11 C 4.94, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 32 S. 22 und vom 02.03.2006 – 2 C 3.05, BVerwGE 125, 85, 86 = Buchholz 237.8 § 84 RhPLBG Nr. 1 S. 2[↩]
- Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Kommentar, Band 1a, BBG – alt, § 42 Rn. 10b[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 24.06.1993 – 1 BvR 689/92, BVerfGE 89, 69, 82 ff.[↩]
- vgl. zum Fahrerlaubnisrecht: BVerwG, Urteile vom 05.07.2001 – 3 C 13.01, Buchholz 442.16 § 15b StVZO Nr. 29 S. 3 ff. und vom 09.06.2005 – 3 C 21.04, Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11; stRspr[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 24.06.1993 a.a.O. S. 85 f.; Beschluss vom 20.06.2002 – 1 BvR 2062/96 – NJW 2002, 2378[↩]
- BVerwG, Urteil vom 23.10.1980 – 2 A 4.78, Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14 S. 6[↩]
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