Altersteilzeit im Blockmodell – „zwingende dienstliche Belange“ und fiskalische Interessen

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG kann Beamtinnen und Beamten mit Dienstbezügen auf Antrag, der sich auf die Zeit bis zum Beginn des Ruhestandes erstrecken muss, Teilzeitbeschäftigung mit 60 % der bisherigen Arbeitszeit bewilligt werden, wenn die Beamtin oder der Beamte das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet hat und zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen (Altersteilzeit). Die Altersteilzeit kann gemäß §63 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. §61 Abs. 1 Satz 2 LBG auch in der Weise bewilligt werden, dass sie über einen Zeitraum bis zu zwölf Jahren gewährt und dabei der Teil, um den die Arbeitszeit ermäßigt ist, zu einem ununterbrochenen Zeitraum zusammengefasst wird, der am Ende der bewilligten Altersteilzeit liegen muss (Blockmodell).

Altersteilzeit im Blockmodell – „zwingende dienstliche Belange“ und fiskalische Interessen

Nach § 63 Abs. 1 Satz 5 LBG kann die oberste Dienstbehörde von der Anwendung des § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG ganz oder für bestimmte Verwaltungsbereiche und Beamtengruppen absehen, die Altersteilzeit auf bestimmte Verwaltungsbereiche und Beamtengruppen beschränken und abweichend von § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG eine höhere Altersgrenze festlegen. Die Entscheidung nach § 63 Abs. 1 Satz 5 LBG unterliegt gemäß § 63 Abs. 1 Satz 7 LBG der Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein.

Das Merkmal der zwingenden dienstlichen Belange im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG umschreibt eine gesetzliche Voraussetzung für die Ermessensentscheidung. Über sie entscheidet der Dienstherr ohne Beurteilungsspielraum. Seine Entscheidung ist vom Gericht vollen Umfangs nachzuprüfen. Allerdings hat es dabei zu respektieren, dass dienstliche Belange vom Dienstherrn in Ausübung des ihm zustehenden Organisationsrechts maßgebend geprägt werden durch verwaltungspolitische Entscheidungen, die nur beschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegen. Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Priorität zu bestimmen und ihre Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern1.

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Auch die oberste Dienstbehörde ist bei ihrer Entscheidung nach § 63 Abs. 1 Satz 5 LBG – diese Vorschrift verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen einfaches Bundesrecht – an die tatbestandlichen Anforderungen der Vorschrift des § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG gebunden. Die der obersten Dienstbehörde zugesprochene Entscheidungsbefugnis stellt danach nur deklaratorisch klar, dass sich das Ermessen auch auf einzelne Verwaltungsbereiche und Beamtengruppen erstreckt2. Daher eröffnet die Vorschrift des § 63 Abs. 1 Satz 5 LBG der obersten Dienstbehörde keinen „voraussetzungslosen“ Gestaltungsspielraum. Vielmehr ist sie insoweit lediglich befugt, etwaige der Gewährung von Altersteilzeit in ihrem Bereich entgegenstehende zwingende dienstliche Belange generell festzustellen oder, falls derartige Belange nicht entgegenstehen, die Ermessensausübung zu generalisieren3.

Der Rechtsbegriff der dienstlichen Belange im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG bringt das Interesse an der sachgemäßen und möglichst reibungslosen Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Geltung. Er soll die Berücksichtigung der Nachteile ermöglichen, die die Altersteilzeit voraussichtlich für den Dienstbetrieb mit sich bringt. Eine Beschreibung der gegen die Gewährung von Altersteilzeit sprechenden dienstlichen Belange als „dringend“ oder „zwingend“ bringt zum Ausdruck, dass die Bedeutung der zu erwartenden Nachteile über das Normalmaß hinausgeht. Dabei liegen die Anforderungen bei der Verwendung des Begriffs „dringend“ niedriger als beim Begriff „zwingend“. Die regelmäßig und generell mit der Gewährung von Altersteilzeit verbundenen Erschwernisse wie etwa die Einstellung einer Ersatzkraft sowie der sich hieraus ergebende einzelfallbezogene Anstieg der Beihilfe, Besoldungs- und Pensionslasten des Dienstherrn oder die Notwendigkeit einer gewissen Umorganisation stellen bereits keine „dringenden“ dienstlichen Belange dar. Davon ausgehend kennzeichnet der Begriff „zwingend“ die höchste Prioritätsstufe. Nach dem Wortsinn müssen die mit „zwingend“ bezeichneten dienstlichen Belange von einem solchen Gewicht sein, dass eine weitere Vollzeitbeschäftigung unerlässlich ist, um die sachgerechte Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben sicherstellen zu können. Daher sind insoweit besonders hohe Anforderungen an die zu erwartenden Nachteile für den Dienstbetrieb zu stellen. Dies betrifft sowohl die Schwere als auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts. Die gegen die Gewährung von Altersteilzeit sprechenden dienstlichen Belange sind nur dann zwingend, wenn die Gewährung von Altersteilzeit mit großer Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Dienstbetriebes und zu entsprechenden Einbußen in qualitativer und quantitativer Hinsicht führen würden, die bei vernünftiger Betrachtung nicht mehr hinnehmbar wären4.

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Angesichts des im vorangehend dargestellten Sinne klaren und eindeutigen Wortsinns des Tatbestandsmerkmals der „zwingenden dienstlichen Belange“ verbietet es sich, diesem Tatbestandsmerkmal lediglich die „Prioritätsstufe“ von „dringenden dienstlichen Belangen“ zuzumessen5.

Zwar könnte das kumulierte fiskalische Interesse daran, die Kosten für das im öffentlichen Dienst beschäftigte Personal niedrig zu halten, einen zwingenden dienstlichen Belang darstellen, der die Möglichkeiten der Gewährung von Altersteilzeit einschränkt. Erforderlich ist insoweit jedoch eine höhere Prioritätsstufe als bei den diesbezüglichen dringenden dienstlichen Belangen. Letztere können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben sein, wenn die allgemeine Haushaltslage auf die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der der Verwaltung übertragenen Aufgaben zurückwirkt – etwa, weil der ausscheidende Beamte aus Mangel an Haushaltsmitteln nicht ersetzt werden kann, seine Stelle aber zur Erfüllung der vorgegebenen Aufgaben besetzt bleiben muss6. Dem entspricht die Rechtsprechung, wonach dringende dienstliche Belange der Gewährung von Altersteilzeit entgegenstehen, wenn freiwerdende Stellen nicht wiederbesetzt werden können, wenn es sich z.B. um spezialisierte Arbeitskräfte handelt, für die auf dem Arbeitsmarkt kein Ersatz beschafft werden kann oder wenn die erforderlichen finanziellen Mittel für eine Wiederbesetzung fehlen und gleichzeitig die Wiederbesetzung aufgrund verwaltungspolitischer Grundsatzentscheidungen, die sich als beurteilungsfehlerfrei erweisen, notwendig ist7. Es erscheint bereits fraglich, ob in vorliegender Hinsicht entgegenstehende dringende dienstliche Belange zu bejahen wären. Jedenfalls fehlt es insoweit an zwingenden dienstlichen Belangen, die der Gewährung von Altersteilzeit im Bereich des Dienstherrn generell entgegenständen.

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Auch ist kein „Haushaltskonsolidierungsdruck“ in dem Sinne feststellbar, dass eine in ihrem Bereich generell bestehende Möglichkeit der Gewährung von Altersteilzeit zu finanziellen Einbußen führen würde, die bei vernünftiger Betrachtung nicht mehr hinnehmbar wären. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es gänzlich unklar ist, wie viele der dafür in Betracht kommenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt die (ernsthafte) Absicht haben, einen Antrag auf Gewährung von Altersteilzeit zu stellen. Hiervon ausgehend erscheint es aufgrund der Haushaltslage jedenfalls nicht unerlässlich, für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – mit Ausnahme der Schwerbehinderten – die Möglichkeit der Gewährung von Altersteilzeit generell auszuschließen.

Schleswig -Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Januar 2015 – 2 LB 14/14

  1. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 -2C21.03, BVerwGE 120, 382, 383 f.[]
  2. vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.05.2014 -2 B 68.13, Rdnr. 5, mit Hinweis auf Urteil vom 29.04.2004 – 2 C 21.03, BVerwGE 120, 382, 387[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 – 2 C 21.03, BVerwGE 120, 382, 386 f.[]
  4. vgl. BVerwG, Urteil vom 30.03.2006 – 2 C 23/05, NVwZ-RR 2008, 45, 46; vgl. auch Urteil vom 29.04.2004 – 2 C 22.03, ZBR 2005, 88, sowie Urteil vom 29.04.2004 – 2 C 21.03, BVerwGE 120, 382, 385[]
  5. anders noch OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.11.2012 -2 LB25/12, Rdnr. 30[]
  6. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 -2 C 21.03, BVerwGE 120, 382, 385[]
  7. vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.05.2003 – 3 LB 107/02, NordÖR 2003, 315, 318[]
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