Liegt zum Zeitpunkt der beabsichtigten Begutachtung ein Sachverhalt vor, der aus objektiver Sicht Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten rechtfertigt, und ist für eine willkürliche Anordnung nichts ersichtlich, ist die Weisung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, regelmäßig rechtmäßig.

Nach Auffassung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist in dem hier vorliegenden Fall der Antragsteller nach § 41 Abs. 1 HmbBG verpflichtet, sich bei Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit auf Weisung der Antragsgegnerin ärztlich untersuchen zu lassen. Der Nachweis der Dienst(un-)fähigkeit kann regelmäßig nur durch die Einschaltung des Amtsarztes geführt werden. Denn es bedarf medizinischer Sachkunde, um (privat-) ärztliche Befunde zu überprüfen. Der Vorrang des Amtsarztes im Konfliktfall hat seinen Grund in seiner Neutralität und Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Dienstherrn und Beamten gleichermaßen fern1. Der Amtsarzt ist verpflichtet, sich mit den Beurteilungen und Gutachten der behandelnden Privatärzte auseinanderzusetzen2.
Daher wird der von der Antragsgegnerin beauftragte Personalärztliche Dienst u.a. die vom Antragsteller veranlassten Gutachten vom 19. November 2010 und vom 30. Januar 2011 und die weiteren vorgelegten Dokumente und Testergebnisse zu bewerten haben. Dass die zuständige Fachärztin für Psychiatrie des Personalärztlichen Dienstes nach der Untersuchung des Antragstellers eine weitere psychologische Begutachtung durch eine Fachärztin für notwendig hielt, die Grundlage der erneuten Untersuchungsanordnung ist, liegt im Rahmen ihrer fachärztlichen Einschätzung. Es entspricht nicht nur der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sondern dient auch dem Beamten, wenn der Amtsarzt zur Ergänzung oder Bestätigung seiner eigenen medizinischen Einschätzung eine weitere fachliche Stellungnahme einholt, um den Gesundheitszustand des Beamten umfassend abzuklären, weil er anderenfalls keine fachlich fundierte Einschätzung der von der Antragsgegnerin geäußerten Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten vornehmen kann. Dass dieser fachärztliche Beurteilungsspielraum, aus medizinischen Gründen gegebenenfalls ein ergänzende fach(ärzt)liche Stellungnahme oder Untersuchung zu veranlassen, hier überschritten wäre, wird vom Antragsteller nicht geltend gemacht und dafür ist auch sonst nichts ersichtlich. Eine ausführliche amtsärztliche Begründung dafür, eine ergänzende Untersuchung für notwendig zu halten, ist gegenüber dem Beamten nicht erforderlich.
Auch der Einwand des Antragstellers, es lägen keine konkreten Umstände vor, auf Grund derer die Antragsgegnerin Anlass haben könnte, den Verdacht einer psychischen Erkrankung zu äußern und daher könne eine Untersuchungsanordnung mit einem solchen Verdacht nicht begründet werden, stellt den Beschluss des Verwaltungsgericht nicht ernstlich in Frage.
Eine Weisung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, ist dann gerechtfertigt, wenn sich die Zweifel des Dienstherrn an der Dienstfähigkeit des Beamten auf konkrete Umstände stützen und „nicht aus der Luft gegriffen“ sind3. Die an den Beamten gerichtete Aufforderung, sich wegen Zweifeln an seiner Dienstunfähigkeit (bzw. Dienstfähigkeit) ärztlich untersuchen zu lassen, kann von den Verwaltungsgerichten nur darauf überprüft werden kann, ob sie ermessensfehlerhaft ist, insbesondere, ob sie willkürlich ist4. Für solche Ermessensfehler ergeben sich keine Anhaltspunkte. Konkrete Umstände, die eine Untersuchungsanordnung rechtfertigen, liegen im Fall des Antragstellers vor.
Dabei kann es dahinstehen, ob die verschiedenen von der Antragsgegnerin in der Anlage zum Gutachtenauftrag vom 28. April 2010 aufgeführten Sachverhalte, deren Richtigkeit der Antragsteller bestreitet, konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Dienstfähigkeit des Antragstellers hätten begründen können5. Denn es ist ausreichend, wenn zum Zeitpunkt der beabsichtigten Begutachtung Sachverhalte vorliegen, die aus objektiver Sicht Zweifel der Antragsgegnerin an der Dienstfähigkeit des Beamten rechtfertigen und für eine willkürliche Anordnung nichts ersichtlich ist. Dies ist hier der Fall. Nach der Anlage zum Gutachtenauftrag vom 9. März 2011 war der Antragsteller im Jahr 2009 47 Tage und im Jahr 2010 264 Tage dienstunfähig erkrankt. Darüber hinaus hat sich der Antragsteller wegen eines ärztlich attestierten „ „Burn-Out-Syndroms“ auf dem Boden einer Anpassungsstörung“ im Sommer 2010 einer von der Antragsgegnerin genehmigten Rehabilitationsmaßnahme unterzogen.
Auch das von ihm vorgelegte privatärztlichen Gutachten weist aus, der Antragsteller sei zunächst bis 3. Dezember 2010 dienstunfähig erkrankt mit der Diagnose „Akute Belastungsreaktion“ auf dem Hintergrund eines eskalierten Arbeitsplatzkonflikts. In dem vom Antragsteller veranlassten psychiatrischen /psychosomatischen Gutachten vom 30. Januar 2011 stellte der Gutachter ebenfalls eine Anpassungsstörung fest und befürwortete ein Coaching oder eine Psychotherapie sowie eine Umsetzung. Diese Sachverhalte rechtfertigen eine Anordnung einer fachmedizinischen amtsärztlichen Untersuchung zur Klärung der Zweifel an der Dienstfähigkeit des Antragstellers.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. August 2011 – 1 Bs 114/11
- vgl. BVerwG, Urt. v. 12.10.2006 – 1 D 2.05, DRiZ 2008, 124; Urt. v. 09.10.2002 – 1 D 3.02; vgl. zum Beweiswert: BVerwG, Beschl. v. 15.09.1999 – 1 DB 40/98[↩]
- vgl. BVerwG, Urt. v. 12.10.2006, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.09.1997 – 2 B 106.97; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.10.2010 – 1 Bs 197/10[↩]
- vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.05.1984 – 2 B 205.82[↩]
- vgl. bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 13.10.2010 – 1 Bs 197/19[↩]
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