Die Verpflichtung einer Vertrauensperson, an einer Erfolgskontrolle zu ihrer Erstausbildung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SBG teilzunehmen, verstößt gegen das Behinderungsverbot des § 15 Abs. 1 SBG.

Die durch Befehl begründete Verpflichtung einer Vertrauensperson zur Teilnahme an einer Ausbildung mit Erfolgskontrolle stellt eine Behinderung im Sinne des § 15 Abs. 1 Alt. 1 SGB dar.
Nach § 15 Abs. 1 SBG darf die Vertrauensperson in der Ausübung ihrer Befugnisse nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. § 17 SBG gibt ihr ein Beschwerderecht für eine entsprechende Rüge.
Dabei schließt der Wortlaut von § 15 Abs. 1 SBG die Ausbildung der Vertrauensperson betreffende Einwirkungen von Vorgesetzten nicht aus dem Anwendungsbereich des Behinderungsverbotes aus. Dass eine Vertrauensperson nicht „in der Ausübung ihrer Befugnisse“ behindert werden darf, verbietet nicht nur unmittelbar auf die Ausübung ihrer Aufgaben nach § 19 Abs. 3 SBG oder auf diese Wahrnehmung ihrer Anhörungs, Vorschlags- oder Mitbestimmungsrechte nach den §§ 24 ff. SBG wirkende Einflussnahmen. Der Wortlaut ist vielmehr offen für jede Form von Einwirkung auf eine Vertrauensperson, die objektiv geeignet ist, die Ausübung ihrer Rechte nach dem Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz zu beeinträchtigen. Der Wortlaut verlangt zwar zwingend eine bestimmte Wirkung der verbotenen Maßnahme, nämlich die nachteilige Einwirkung auf die Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen der Vertrauensperson, definiert aber nicht abschließend, auf welche Weise diese Wirkung erzielt wird und grenzt auch nicht einzelne Befugnisse oder Rechte von Vertrauenspersonen aus dem Kreis unzulässiger Einwirkungen aus. Damit sind nicht nur unmittelbar die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten beeinträchtigende Einwirkungen untersagt, sondern alle Maßnahmen, die unabhängig vom Verschulden oder einer entsprechenden Absicht des handelnden Vorgesetzten objektiv geeignet sind, die Wahrnehmung der Funktion zu erschweren.
Dieses weite Verständnis des Wortlautes ist von Sinn und Zweck der Norm auch gefordert. Die Norm soll die Unabhängigkeit der Vertrauensperson gewährleisten1. Der Begriff der Behinderung ist im Lichte dieses Zweckes weit auszulegen und erfasst jede Form der Erschwerung, Störung oder Verhinderung bei der Wahrnehmung beteiligungsrechtlicher Aufgaben oder Befugnisse2. Der Disziplinarvorgesetzte hat alles zu unterlassen, was zu einer Beeinträchtigung der Funktion der Vertrauensperson führen könnte3. Zu unterbleiben hat auch die Ausübung von Druck, die Wahrnehmung einer Aufgabe oder eines Rechts zu verhindern oder in eine bestimmte Richtung zu lenken4.
Nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SBG sind Vertrauenspersonen, die neu in ihr Amt gewählt werden, sobald wie möglich nach ihrer Wahl für ihre Aufgabe auszubilden. Der Pflicht des Disziplinarvorgesetzten, die Ausbildung zu gewährleisten, korrespondiert ein subjektives Recht der Vertrauensperson5. Die Erstausbildung der neugewählten Vertrauensperson soll dieser die effektive Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Befugnisse ermöglichen. Sie konkretisiert die allgemeine Unterstützungspflicht des § 20 Abs. 1 Satz 1 SBG und stellt damit eine Ausformung des partnerschaftlichen Innenverhältnisses nach § 19 Abs. 2 SBG dar. Damit begründet sie ein beschwerdefähiges Recht der Vertrauensperson6.
Wird – wie hier – nicht nur ein Ausbildungsangebot zur freiwilligen Teilnahme unterbreitet, sondern dies mit der verpflichtenden Teilnahme an einer Erfolgskontrolle verbunden, so ist diese Anordnung objektiv geeignet, die Ausübung des Rechts zur Teilnahme an einer Ausbildung nach § 20 Abs. 5 SBG zu beeinträchtigen und darüber hinaus die Art und Weise der Wahrnehmung der Funktion der Vertrauensperson zu beeinflussen. Die durch Befehl auferlegte Pflicht, eine Erfolgskontrolle zu absolvieren, übt Druck auf die Vertrauensperson aus, ihr Recht auf die Wahrnehmung der Ausbildungsmöglichkeit in bestimmter Weise auszuüben, beeinflusst es doch Zeiträume und Intensität der Verinnerlichung der Lehrinhalte. Die Vertrauensperson, die zur Teilnahme an einer Lehrveranstaltung mit Prüfungspflicht befohlen ist, ist nicht mehr frei in ihrer Zeiteinteilung hinsichtlich der Durcharbeitung des Prüfungsstoffes und der Aufteilung ihrer Zeit auf die Lehrinhalte und die Wahrnehmung der weiteren Befugnisse ihres Wahlamtes. Sie ist bei Nichtbefolgung des Befehls der Gefahr strafrechtlicher und disziplinarischer Ahndung für ihre Entscheidung über die Wahrnehmung eines Ausbildungsangebotes ausgesetzt. Der damit verbundene psychische Druck ist nicht nur geeignet, die vertrauensvolle Zusammenarbeit nach § 19 Abs. 2 SBG zu belasten. Er kann objektiv auch interessierte Soldatinnen und Soldaten von der Bereitschaft zur Übernahme des Ehrenamtes abschrecken und hat damit negative Auswirkungen auf die freie Wahrnehmung des Mandats. Damit ist die hier in Rede stehende Maßnahme vom Schutzzweck des Unterlassungsgebotes erfasst und als unzulässige Behinderung im Sinne von § 15 Abs. 1 SBG rechtswidrig.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Juli 2023 – 1 WRB 2.22
- vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.2006 – 2 C 13.05, BVerwGE 126, 333 Rn. 13 m. w. N.; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 15. Aufl.2023, § 10 Rn. 2 m. w. N.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 28.09.2010 – 1 WB 41.09, BVerwGE 138, 40 Rn. 49; Wolf/Meder, Soldatenbeteiligungsgesetz, Stand Dezember 2021, § 15 Rn. 8; Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, 1. Aufl.2021, § 15 SBG Rn. 10[↩]
- Wolf/Meder a. a. O.[↩]
- Hebeler, in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u. a., BPersVG, Stand März 2023, § 10 Rn.19[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.2009 – 1 WB 17.08, Buchholz 449.7 § 36 SBG Nr. 1 Rn. 44 zur Ausbildung der Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses[↩]
- vgl. Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, 1. Aufl.2021, § 20 SBG Rn. 45, 54; Wolf/Meder, Soldatenbeteiligungsgesetz, § 20 Rn. 62[↩]
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