Auslandsverpflichtungsprämie für Polizeibeamte

Die Vorschrift des § 57 BBesG a.F. vermittelt keinen subjektiven Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, der sich zu einem unbedingten Anspruch verdichten könnte. Die Norm eröffnet allein im öffentlichen Interesse (Personalgewinnungsinteresse) dem Dienstherrn die Möglichkeit, einem Beamten eine Verpflichtungsprämie für eine besondere Auslandsverwendung zu gewähren. Die immateriellen und materiellen Belastungen eines bei einer besonderen Auslandsverwendung eingesetzten Beamten werden abschließend mit dem (gestuften) Auslandsverwendungszuschlag abgegolten.

Auslandsverpflichtungsprämie für Polizeibeamte

Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Auslandsverpflichtungsprämie als Mittel zur verbesserten Personalrekrutierung von Polizeibeamten für Auslandsverwendungen einzusetzen ist, beruht auf der objektiv-rechtlichen Organisations- und Planungshoheit des Bundesministeriums des Innern, die einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist.

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Rechtsstreit hatte ein Polizeioberkommissar (BesGr A 10 BBesO) der Bundespolizei geklagt, der von Juni 2009 bis August 2009 und von Oktober 2011 bis Dezember 2012 einer Auslandsverwendung in der bilateral mit Afghanistan vereinbarten Mission „German Police Project Team“ (im Folgenden: GPPT) zugewiesen war. Die Bundesrepublik vergütete diese Einsätze, die parallel zu einer EUPOL-Mission in Afghanistan stattfanden, (u.a.) mit einer Auslandsverpflichtungsprämie.

Im Juli 2014 entschied das Bundesministerium des Innern, dass die Auslandsverpflichtungsprämie für Entsendungen von Polizeibeamten in die Mission GPPT ab Januar 2015 nicht mehr gewährt werde. Der Zweck der Prämie, eine Zielzahl von 200 Polizeibeamten in der Mission GPPT zu erreichen, sei erfüllt. Der nach der inhaltlichen Neuausrichtung der Mission ab 2015 benötigte Personalbedarf von 42 Polizeibeamten könne ohne Auslandsverpflichtungsprämie gedeckt werden. Mit Rundschreiben vom August 2014 wies das Bundesministerium des Innern die Mitglieder der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Internationale Polizeimissionen (AG IPM) auf die veränderte Anwendung der Auslandsverpflichtungsprämie hin. Danach sollte die Zahlung der Auslandsverpflichtungsprämie ab Januar 2015 entfallen, wenn sich ein Beamter auf eine nach Bekanntgabe dieses Rundschreibens erfolgte Ausschreibung bewirbt. In den Stellenausschreibungen sollte auf die geänderte Prämiengewährung hingewiesen werden. Für alle bereits dem GPPT-Projekt zugewiesenen sowie in der Vorbereitung befindlichen Polizeikräfte sollte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Auslandsverpflichtungsprämie über den 1.01.2015 hinaus bis zum Ende der jeweiligen Abordnung gewährt werden.

In dem Zeitraum von Februar 2015 bis März 2016 wurde der Polizeioberkommissar erneut der Mission GPPT zugewiesen. Mit Bescheid vom März 2016 lehnte das Bundespolizeipräsidium u.a. die Gewährung einer Auslandsverpflichtungsprämie ab.

Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage auf Zahlung einer Auslandsverpflichtungsprämie blieb sowohl erstinstanzlich vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart1 wie auch in der Berufungsinstanz vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ohne Erfolg2. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist der Auffassung, dass die Polizeibeamten weder einen Anspruch auf Zahlung einer Auslandsverpflichtungsprämie in den geltend gemachten Höhen von rund 15.000 € bzw. 20.000 € noch auf Verpflichtung der Bundesrepublik haben, über ihre Anträge auf Zahlung einer Auslandsverpflichtungsprämie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Das dem Dienstherrn in der besoldungsrechtlichen Norm eingeräumte (generelle) Ermessen, eine Auslandsverpflichtungsprämie zu gewähren, diene allein öffentlichen Interessen. Zweck der Norm sei es, durch Zahlung einer Prämie die Personalgewinnung für einen spezifischen besonderen Auslandseinsatz zu verbessern. Ein subjektives, gerichtlich einklagbares Recht der Bundespolizisten auf eine fehlerfreie Ausübung dieses rein innenrechtlichen (Organisations-)Ermessens korrespondiere damit nicht.

Weiterlesen:
Die Stellenbesetzung eines Landgerichtspräsidenten kann dauern

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun diese Rechtsaufassung und wies auch die Revision des Polizeibeamten aus unbegründet zurück:

Der Polizeibeamte hat weder einen Anspruch auf Zahlung einer Auslandsverpflichtungsprämie gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG in der Fassung des Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 15.03.20123 noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Vorschrift des § 57 BBesG a.F. vermittelt keinen subjektiven Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, der sich zu einem unbedingten Anspruch verdichten könnte. Ein Anspruch auf Zahlung der Auslandsverpflichtungsprämie folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art.20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.

. Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Auslandsverpflichtungsprämie ist § 57 BBesG a.F. Maßgebend sind diejenigen Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes, die zur Zeit der Verwendung im Ausland in Kraft sind4. In dem Zeitraum der Verwendung des Polizeibeamten in der Mission GPPT in Afghanistan vom Februar 2015 bis zum März 2016 galt die Vorschrift des § 57 BBesG a.F. Die Nachfolgeregelung in der Fassung des Art. 1 Nr. 32 des Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen des Besoldungsrechts und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Besoldungsstrukturmodernisierungsgesetz – BesStMG) vom 09.12.20195 ist am 1.01.2020 in Kraft getreten.

Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. kann, wenn bei – parallel stattfindenden – besonderen Verwendungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit innerhalb eines Staates, die der höchsten Stufe des Auslandsverwendungszuschlags zugeordnet sind, auf Grund des Zusammentreffens von Zahlungen von dritter Seite und Ansprüchen nach deutschem Recht für materielle Mehraufwendungen und immaterielle Belastungen sowie für Reisekosten unterschiedliche auslandsbezogene Gesamtleistungen gewährt werden, bei einer Verpflichtung zu einer Verwendung mit mindestens sechs Monaten Dauer (Mindestverpflichtungszeit) in der Verwendung mit der niedrigeren auslandsbezogenen Gesamtleistung eine Prämie gewährt werden.

Der Wortlaut des § 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. („kann“) bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Gewährung einer Auslandsverpflichtungsprämie im Ermessen des Dienstherrn steht. Mit dem Wort „kann“ wird der Behörde regelmäßig – so auch hier – auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen eingeräumt6. Daraus folgt aber nicht gleichsam automatisch ein subjektiver Anspruch auf eine fehlerfreie Ausübung des Ermessens. Einen allgemeinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gibt es nicht (vgl. § 40 VwVfG, § 114 VwGO). Ein solcher Anspruch besteht nicht losgelöst von einer subjektiven Rechtsposition quasi für sich selbst („eo ipso“)7. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen Rechtsvorschriften, die der Verwaltung ein Ermessen einräumen, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn die das Ermessen einräumende Norm nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern – zumindest auch – dem Interesse des durch die Regelung Begünstigten zu dienen bestimmt ist8. Eine lediglich mittelbar-tatsächliche Begünstigung, ohne dass dem Gesetz eine entsprechende Absicht zu entnehmen wäre, reicht zur Begründung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus9. Rechtssätze, in denen der Einzelne nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird, haben reine Reflexwirkungen10. Ob einer Norm in diesem Sinne – zumindest auch – eine individuell-begünstigende Funktion zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln11.

Weiterlesen:
Wenn in der Stadtverwaltung zwei Fachbereiche wegfallen...

§ 57 Abs. 1 Satz 1 BBesG a.F. dient nicht dem Schutz individueller Interessen. Die Norm eröffnet allein im öffentlichen Interesse dem Dienstherrn, nämlich in dessen Personalgewinnungsinteresse, die Möglichkeit, einem Beamten eine Verpflichtungsprämie für eine besondere Auslandsverwendung zu gewähren. Dies folgt zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm, aber aus ihrem Sinn und Zweck, die unter Rückgriff auf ihre Entstehungsgeschichte und auf die Gesetzessystematik zu bestimmen sind.

Das Wortverständnis der Norm des § 57 Abs. 1 BBesG a.F. ist indifferent. Nach ihrem Wortlaut finden individuelle Interessen weder ausdrücklich noch inzident eindeutig Erwähnung. Die Wortwendung „Prämie bei einer Verpflichtung zu einer Verwendung“, die Begriffe „Auslandsverpflichtungsprämie“ und „Mindestverpflichtungszeit“ sowie der als Höchstbetrag der Prämie bestimmte „Unterschiedsbetrag zur höheren auslandsbezogenen Gesamtleistung im … Verwendungszeitraum“ deuten nicht zweifelsfrei auf subjektive Komponenten hin. Sie lassen ebenso die auf das Interesse der Allgemeinheit zielende Deutung zu, dass es dem Dienstherrn für die Erfüllung bilateraler Vereinbarungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit frei steht, eine Prämie auszuloben, um unter den Bundespolizeibeamten Freiwillige für eine Dienstleistung im Ausland mit einer bestimmten Mindestdauer anzuwerben. Dieser Interpretation steht die Bestimmung des § 57 Abs. 2 BBesG a.F. nicht entgegen. Sie betrifft lediglich die Zahlungsmodalitäten einer vom Dienstherrn gewährten Prämie.

Allerdings folgt – anders als die Revision meint – aus dem Wortlaut der Norm unverkennbar, dass es sich bei der Auslandsverpflichtungsprämie nicht um eine einsatzbezogene kollektive Prämie handelt. Gegenstand der Regelung ist eine auf den einzelnen zu verpflichtenden Beamten bezogene Prämie. Die neu gestaltete Fassung des § 57 BBesG durch das Besoldungsstrukturmodernisierungsgesetz vom 09.12.20195 stellt dies ausdrücklich klar.

Entstehungsgeschichtlich hat der Gesetzgeber die Auslandsverpflichtungsprämie allein mit dem Ziel eingeführt, dem Dienstherrn Personalrekrutierungen für internationale Polizeimissionen zu erleichtern, die der höchsten Stufe des Auslandsverwendungszuschlags zugeordnet sind. Intention des Gesetzgebers war es, mit der Einführung der Auslandsverpflichtungsprämie ein gleichmäßiges Abgeltungsniveau für die unterschiedlichen Formen der polizeilichen Auslandsverwendung in demselben ausländischen Staat zu ermöglichen, um damit Problemen der Personalrekrutierung für eine monetär weniger attraktive – bilaterale – Mission zu begegnen und den Personalbedarf für diese Mission stellen zu können. Die Verpflichtungsprämie war Mittel zum Zweck der Personalanwerbung. Der einzelne geworbene Beamte sollte nur aus Gründen dieses öffentlichen Interesses begünstigt werden; die Verpflichtungsprämie nach § 57 BBesG a.F. hat insofern reine Reflexwirkung. Sie sollte allein um des öffentlichen Zieles willen gewährt werden, die Personalkontingentverpflichtung zu erfüllen. Ihr Ziel war es nicht, (auch) individuellen Interessen Rechnung zu tragen und die von Polizeibeamten als ungerechtfertigt empfundenen Vergütungsunterschiede zwischen der bilateralen und der VN- oder EU-Mission generell anzugleichen. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille hat in der Gesetzesbegründung keinen Niederschlag gefunden12.

Der politische Kontext, in dem die Norm entstanden ist, bekräftigt das in der Gesetzesbegründung benannte Motiv der Personalrekrutierung als alleinigen Hauptzweck.

Die Bundesregierung hatte im Rahmen der Afghanistan-Konferenz Ende Januar 2010 in London gegenüber der Afghanischen Regierung zugesagt, das Ausbildungskontingent im bilateralen Polizeiprojekt GPPT bis spätestens Ende Januar 2011 dauerhaft auf 200 Polizisten zu erhöhen; gleichzeitig sollte der personelle Beitrag zur EUPOL-Mission Afghanistan erhöht werden13. Die Bundesrepublik Deutschland stand damit vor der Aufgabe, eine ausreichend große Anzahl von freiwilligen Polizeibeamten zu akquirieren, um das bilateral vereinbarte Personalkontingent unter Berücksichtigung der dienstlichen Notwendigkeiten vor Ort stellen zu können. Denn für die Auslandseinsätze bedurfte es der Zustimmung der Polizeibeamten (vgl. § 29 Abs. 1 BBG i.V.m. § 8 BPolG), für die auch die Höhe der Vergütung der jeweiligen Mission bestimmend sein konnte. Zwar gelang es der Bundesrepublik nach der unwidersprochen gebliebenen Äußerung des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht im Juli 2010 – erstmals, 200 deutsche Polizeibeamte im bilateralen Polizeiprojekt GPPT in Afghanistan einzusetzen; deren Zahl war aber bis zum Oktober 2010 bereits wieder auf 160 Polizeibeamte gesunken. Angesichts dieser politischen Situation drängt es sich auf, dass es Ziel des gesetzgeberischen Handelns war, einen monetären Anreiz zu schaffen, um Polizeibeamte für eine freiwillige Auslandsverwendung im bilateralen GPPT zu gewinnen und damit die gegenüber Afghanistan zugesagten Personalkontingente in diesem Projekt erfüllen zu können. Die darin zugleich liegende Begünstigung der angeworbenen Polizeibeamten ist bloßer, zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Hauptzwecks unvermeidbarer Nebeneffekt. Es liegt außerhalb des Regelungsgegenstandes des § 57 BBesG a.F., individuelle Interessen der im Ausland verwendeten Polizeibeamten zu wahren.

Weiterlesen:
Kindesunterhalt - und der Auslandsverwendungszuschlag eines Kriminalbeamten

Die Gesetzessystematik bestätigt dieses Verständnis. Die immateriellen und materiellen Belastungen eines bei einer besonderen Auslandsverwendung eingesetzten Beamten werden abschließend mit dem gestuften Auslandsverwendungszuschlag (zur Zeit des Streitfalls: § 56 BBesG 2009) abgegolten.

Der Gesetzgeber hat die Regelung über die Auslandsverpflichtungsprämie (§ 57 BBesG a.F.) bei ihrer Einführung in einen systematischen Zusammenhang mit der Regelung des Auslandsverwendungszuschlags gestellt. Die Prämie darf – tatbestandlich – nur für besondere Verwendungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit gewährt werden, die der höchsten Stufe des Auslandsverwendungszuschlags zugeordnet sind. Der in Stufen gestaffelte Auslandsverwendungszuschlag wird bei einer Verwendung im Rahmen einer humanitären oder unterstützenden Maßnahme gewährt, die aufgrund eines Übereinkommens, eines Vertrages oder einer Vereinbarung mit einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung oder mit einem auswärtigen Staat auf Beschluss der Bundesregierung im Ausland oder außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen stattfindet (besondere Verwendung im Ausland). Der Zuschlag wurde als § 58a BBesG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland (Auslandsverwendungsgesetz – AuslVG) vom 28.07.199314 in das Bundesbesoldungsgesetz eingefügt. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30.10.200215 entschieden hatte, dass der Auslandsverwendungszuschlag nach § 58a BBesG 1993 nicht dem Ausgleich wirtschaftlicher Belastungen, sondern „nur“ der mit dem Auslandseinsatz verbundenen physischen und psychischen Belastungen sowie von Gefahren für Leib und Leben dient, hat der Gesetzgeber den Auslandsverwendungszuschlag durch Art. 2 Nr. 44 und 45 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes16 in § 56 BBesG neugefasst und seine Zweckbestimmung ausdrücklich erweitert. Mit dem Auslandsverwendungszuschlag werden seither pauschal alle materiellen Mehraufwendungen und immateriellen Belastungen mit Ausnahme der nach deutschem Reisekostenrecht zustehenden Reisekostenvergütung abgegolten17. Daraus folgt zugleich, dass die zum 1.06.2011 eingeführte Auslandsverpflichtungsprämie einen anderen Zweck verfolgen muss. Hätte der Gesetzgeber individuelle Belastungen oder Interessen der auf der höchsten Auslandsverwendungsstufe eingesetzten Beamten in noch größerem Umfang ausgleichen und vergüten wollen als bisher, hätte es nahegelegen, den Auslandsverwendungszuschlag der höchsten Stufe zu erhöhen, gegebenenfalls um einen variablen Höchstbetrag. Andernfalls verlöre die gesetzlich verankerte Pauschalabgeltung für eine besondere Auslandsverwendung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 BBesG 2009, nunmehr § 56 Abs. 3 Satz 1 BBesG) ihren Sinn.

Weiterlesen:
Die Kinderpornos des Polizeibeamten

Keine andere Beurteilung rechtfertigt sich daraus, dass die Vorschrift des § 57 BBesG a.F. rückwirkend zum 1.06.2011 in Kraft getreten ist. Die rückwirkende Einführung der Auslandsverpflichtungsprämie war ein taugliches Mittel, um die Personalanwerbung für Erst, Langzeit- oder Wiederverwender frühestmöglich zu verbessern. Es ist mit dem besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt des § 2 Abs. 2 Satz 1 BBesG vereinbar, die Gewährung einer Prämie unter dem Vorbehalt des rückwirkenden Inkrafttretens der entsprechenden besoldungsrechtlichen Regelung zuzusagen. Auch ein solches In-Aussicht-Stellen einer Prämie hat Anreizwirkung.

Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, ob und in welchem Umfang die Auslandsverpflichtungsprämie als Mittel zur verbesserten Personalrekrutierung von Polizeibeamten für Auslandsverwendungen einzusetzen ist, beruht auf der objektiv-rechtlichen Organisations- und Planungshoheit des Bundesministeriums. Es obliegt seiner Organisations- und Planungshoheit, eine internationale Polizeimission so vorzubereiten, zu gestalten und durchzuführen, dass die von der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen internationalen Verpflichtungen erfüllt werden. Dies umfasst die Planung des Bedarfs an Polizeibeamten, die in die Auslandsmission zu entsenden sind. Dazu gehört wegen der dafür erforderlichen Zustimmung eines jeden Polizeibeamten (§ 29 Abs. 1 BBG i.V.m. § 8 BPolG) auch die Prognose, ob ein ausreichend großes freiwilliges Bewerberinteresse vorhanden ist, um das erforderliche Personalkontingent für die Auslandsmission stellen zu können. Im Fall einer ungünstigen Prognose ist es Sache des Bundesministeriums zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Gewährung der Auslandsverpflichtungsprämie als Instrument zur Personalgewinnung einzusetzen ist. Diese Beurteilung beruht auf planerisch-organisatorischen Gesichtspunkten und damit weitgehend auf verwaltungspolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen, bei denen auch haushaltsrechtliche Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen sind der gerichtlichen Überprüfung von vornherein entzogen18. Der einzelne Polizeibeamte kann nicht zur Nachprüfung stellen, ob die Bundesrepublik die Ziele der jeweiligen internationalen Verpflichtung mit zutreffenden Mitteln anstrebt, erreicht oder verfehlt hat19.

. Der Polizeibeamte hat auch keinen Anspruch auf Gewährung der Auslandsverpflichtungsprämie aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art.20 Abs. 3 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.

Im grundsätzlich objektiv-rechtlichen Bereich der Organisationsgewalt des Dienstherrn kann sich – ausnahmsweise – ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie, insbesondere willkür- und missbrauchsfreie Entscheidung aus Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung ergeben, wenn der Dienstherr Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um sein Verwaltungshandeln gleichmäßig zu steuern20. Maßgeblich für die Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) ist – insbesondere bei unklarem und daher auslegungsbedürftigem Wortlaut – die tatsächliche Handhabung der Verwaltungsvorschriften in der Verwaltungspraxis zur maßgeblichen Zeit21. Eine durch Verwaltungsvorschriften festgelegte Verwaltungspraxis kann aus willkürfreien, d.h. sachlichen Gründen geändert werden. Die Selbstbindung der Verwaltung verpflichtet nur zu einer Behandlung aller Fälle nach den gleichen Maßstäben; sie verbietet aber keine Änderung der Maßstäbe für die Zukunft22. Bei der Änderung der Verwaltungspraxis ist das verfassungsrechtlich verbürgte Gebot des Vertrauensschutzes (Art.20 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen, wenn damit nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände nachteilig ändernd eingegriffen wird23.

Weiterlesen:
Unfallruhegehalt für bedrohte Richter

Die Entscheidung des Bundesministeriums des Innern, die Auslandsverpflichtungsprämie für Verwendungen von Polizeibeamten in der Mission GPPT in Afghanistan ab Januar 2015 nicht mehr zu gewähren, beruht auf sachlichen Gründen. Tragend für die Entscheidung war, dass der Zweck der Prämie – die Entsendung der zugesagten Zielzahl von Polizeibeamten in das GPPT-Projekt – erreicht worden war. Der nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Projekts ab 2015 bestehende, um ein Vielfaches geringere Personalbedarf konnte nach Einschätzung des Bundesministeriums des Innern ohne Auslandsverpflichtungsprämie erfüllt werden.

Die vom Bundesministerium des Innern getroffene Übergangsregelung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Es ist sachlich gerechtfertigt, Beamte aus Gründen des Vertrauensschutzes von der Neuregelung auszunehmen und die Auslandsverpflichtungsprämie weiter zu gewähren, wenn die Beamten vor der Bekanntgabe des Wegfalls der Prämie mit dem Rundschreiben vom August 2014 dem GPPT-Projekt bereits zugewiesen waren oder sich in der Einsatzvorbereitung befanden. Der Polizeibeamte unterfällt diesem Vertrauensschutz nicht. Nach den das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte sich der Polizeibeamte auf eine Stelle zur erneuten besonderen Auslandsverwendung beworben, die mit dem Hinweis auf den Wegfall der Gewährung der Auslandsverpflichtungsprämie ausgeschrieben worden war.

Die Übergangsregelung ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn sie – wie der Polizeibeamte meint – zur Folge hatte, dass sich der Empfängerkreis der Auslandsverpflichtungsprämie auf Polizeibeamte mit bestimmten Funktionen beschränkte, bei denen Personalrekrutierungsprobleme unverändert fortbestanden. Im Hinblick auf den Zweck des § 57 BBesG a.F. wäre es nicht sachwidrig, die Auslandsverpflichtungsprämie auf Spezialkräfte der Polizei (etwa IT-Experten, Diensthundeführer oder Fachbereichsleiter) weiter anzuwenden, um sie für eine besondere Auslandsverwendung zu gewinnen.

Dass die Prämie in den Vertrauensschutzfällen nicht nur bis zum Ende der zunächst vorgesehenen Einsatzzeit, sondern darüber hinaus auch für Verlängerungen bis zum Ende der Zuweisung („zum Ende der jeweiligen Abordnung“) gewährt wurde, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren, entspricht der getroffenen Übergangsregelung und ist nicht willkürlich. Demgemäß ist dem vom Polizeibeamten benannten Beamten F., Diensthundeführer, die Prämie bis zum Dezember 2015 zu Recht gewährt worden. Nach den das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ist über den Einsatz des Beamten F. vor der Bekanntgabe des Rundschreibens vom August 2014 entschieden und seine Zuweisung über den Oktober 2015 hinaus bis zum 1.02.2016 verlängert worden. Die Fortzahlung der Auslandsverpflichtungsprämie für den Monat Januar 2016 ist dagegen rechtswidrig erfolgt, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 BBesG a.F. nicht mehr gegeben waren. Eine Beteiligung deutscher Polizeibeamter an der parallel durchgeführten EUPOL-Mission in Afghanistan lag zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Dies hatte die Bundesrepublik, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, irrtümlich übersehen. Jedoch hat der Polizeibeamte insoweit keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.

Weiterlesen:
Dienstvergehen von Offizieren

Im Übrigen zeigt der Polizeibeamte keine Fallkonstellation auf, die seiner Situation vergleichbar ist und für die die Bundesrepublik Zahlungen nach § 57 BBesG a.F. geleistet hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sie sich auf eine dem Polizeibeamten zugutekommende Art und Weise selbst gebunden haben könnte24.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 2 C 6.20

  1. VG Stuttgart, Urteil vom 17.12.2018 – VG 15 K 8489/16[]
  2. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.03.2020 – OVG 4 S 2773/19[]
  3. BGBl. I S. 462 – BBesG a.F.[]
  4. BVerwG, Urteil vom 24.02.2011 – 2 C 58.09, Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 4 Rn. 10[]
  5. BGBl. I S.2053[][]
  6. BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 – 2 C 46.03, Buchholz 236.1 § 44 SG Nr. 8 S. 3[]
  7. BVerwG, Urteil vom 19.11.2015 – 2 A 6.13, BVerwGE 153, 246 Rn. 27[]
  8. vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 04.11.1976 – 2 C 40.74, BVerwGE 51, 264 <267> vom 26.02.1993 – 8 C 20.92, BVerwGE 92, 153 <156> und vom 19.11.2015 – 2 A 6.13, BVerwGE 153, 246 Rn. 27[]
  9. vgl. BVerwG, Urteile vom 13.10.1994 – 7 C 15.94, BVerwGE 97, 39 <40 f.> und vom 26.10.2000 – 2 C 38.99, Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 2 m.w.N.[]
  10. vgl. auch BVerfG, Beschluss des Zweiten Bundesverwaltungsgerichts vom 27.04.1971 – 2 BvR 708/65, BVerfGE 31, 33 <39 f.> Kammerbeschlüsse vom 06.07.1989 – 1 BvR 290/87 – NJW 1990, 2249; und vom 10.06.2009 – 1 BvR 198/08, NVwZ 2009, 1426 <1427>[]
  11. stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 28.03.2019 – 5 CN 1.18, Buchholz 436.511 § 90 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz Nr. 10 Rn.19 zur Schutznormtheorie[]
  12. vgl. BT-Drs. 17/7142 S. 26 f.[]
  13. vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 16-1 vom 10.02.2010 < Regierungserklärung des Bundesministers des Auswärtigen Amtes Dr. Guido Westerwelle zum deutschen Afghanistan-Engagement nach der Londoner Konferenz vor dem Deutschen Bundestag am 10.02.2010 in Berlin> vgl. auch BT-Drs. 17/654 S. 6[]
  14. BGBl. I S. 1394, § 58a BBesG 1993[]
  15. BVerwG, Urteil vom 30.10.2002 – 2 C 24.01, Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 1 S. 3[]
  16. vom 05.02.2009, BGBl. I S. 160, BBesG 2009[]
  17. vgl. BT-Drs. 16/7076 S. 145 f., vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 BBesG 2009, nunmehr § 56 Abs. 3 Satz 1 BBesG[]
  18. BVerwG, Beschlüsse vom 26.03.2015 – 1 WB 41.14 17; und vom 27.02.2014 – 1 WB 48.13 26 zur militärischen Bedarfsplanung[]
  19. vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 – 2 C 46.03, Buchholz 236.1 § 44 SG Nr. 8 S. 4[]
  20. vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 – 2 A 2.20, BVerwGE 171, 17 Rn. 23[]
  21. vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.1996 – 11 C 5.95 – NJW 1996, 1766 <1767> m.w.N. und Beschluss vom 11.11.2008 – 7 B 38.08 9[]
  22. vgl. BVerwG, Urteil vom 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, 220 <223> und vom 26.05.2011 – 3 C 21.10, Buchholz 418.21 ApBO Nr. 21 Rn. 28[]
  23. vgl. BVerwG, Urteil vom 08.04.1997 – 3 C 6.95, BVerwGE 104, 220 <228>[]
  24. vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.2003 – 3 C 49.02, BVerwGE 118, 379 <384> zur „Selbstbindung wider Willen“[]

Bildnachweis: