Eine Regelung, die die Gewährung von Beihilfe an Beamte und deren berücksichtigungsfähige Angehörige ausschließt, wenn diese nicht krankenversichert sind, unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes. Der Gesetzgeber kann zwar der Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen, dass er den Beihilfeausschluss durch Landesverordnung regelt. Hierfür ist aber erforderlich, dass das Landesgesetz eine Verordnungsermächtigung enthält, die den damit verbundenen konkreten Leistungsausschluss inhaltlich deckt. Dies entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht für die Beamten des Landes Berlin: Das Land Berlin kann die Ablehnung der Gewährung von Beihilfe in dem Zeitraum vom 14. Februar bis 2. Juli 2009 nicht auf die vom Landesgesetzgeber in Bezug genommene Regelung des § 10 Abs. 2 BBhV stützen.

Die geltend gemachten Beihilfeansprüche finden, soweit sie sich auf Aufwendungen beziehen, die in der Zeit vom 14.02.bis zum 31.03.2009 entstanden sind, ihre Rechtsgrundlage in § 44 Abs. 1 Landesbeamtengesetz1 – LBG a.F. – i.V.m. der Bundesbeihilfeverordnung vom 13.02.2009. Denn nach § 44 Abs. 1 LBG a.F. erhalten die Beamten und Versorgungsempfänger des Landes Berlin Beihilfen nach den für die unmittelbaren Bundesbeamten und Versorgungsempfänger des Bundes für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen jeweils geltenden Vorschriften (Beihilfevorschriften) nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8. Für die unmittelbaren Bundesbeamten und Versorgungsempfänger des Bundes galt im streitgegenständlichen Zeitraum die Bundesbeihilfeverordnung vom 13.02.2009. Hinsichtlich der Aufwendungen vom 01.04.bis zum 2.07.2009 bildet Art. XIII § 5 Dienstrechtsänderungsgesetz – DRÄndG –2 i.V.m. der Bundesbeihilfeverordnung vom 13.02.2009 die Rechtsgrundlage. Art. XIII § 5 DRÄndG ordnet in vergleichbarer Weise wie § 44 Abs. 1 LBG a.F. an, dass bis zum Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Landes Berlin gemäß § 76 Abs. 11 des Landesbeamtengesetzes die für die unmittelbaren Bundesbeamtinnen und unmittelbaren Bundesbeamten sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Bundes für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen jeweils geltenden Vorschriften nach Maßgabe des § 76 Abs. 1 bis 10 des Landesbeamtengesetzes in der seit Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung Anwendung finden. Durch die jeweilige Inbezugnahme der Bundesbeihilfeverordnung ist zwar auch deren § 10 Abs. 2 unter Beibehaltung seines Verordnungscharakters in das Landesrecht eingegliedert worden. Der in das Landesrecht übernommene Inhalt dieser Vorschrift schließt den Beihilfeanspruch des Klägers aber nicht aus, weil er wegen Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes nichtig ist.
Nach § 10 Abs. 2 BBhV hat Anspruch auf Beihilfe nur, wer seinen Krankenversicherungsschutz und den seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen einschließlich abgeschlossener Wahltarife nach § 53 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch nachweist. Die Regelung bewirkt mithin einen vollständigen Leistungsausschluss, solange der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG3 nicht nachgekommen wird. Die dynamische Verweisung in § 44 Abs. 1 LBG a.F. sowie in Art. XIII § 5 DRÄndG führt dazu, dass im streitgegenständlichen Zeitraum der Inhalt der Bundesbeihilfeverordnung vom 13.02.2009, insbesondere der des § 10 Abs. 2 BBhV zum Bestandteil der jeweiligen landesrechtlichen Verweisungsnorm und insoweit zum partiellen Landesrecht geworden ist4, und zwar mangels gegenteiliger Anzeichen im Rang einer Verordnung.
Die Verweisung auf andere Rechtsvorschriften ist eine anerkannte gesetzestechnische Methode, sofern sie die durch Bundesverfassungsrecht gezogenen Grenzen nicht überschreitet, insbesondere keine (versteckte) Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen zur Folge hat, die Verweisungsnorm hinreichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen, und die in Bezug genommenen Vorschriften dem Normadressaten durch eine ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sind5. Es bedarf keiner abschließenden Prüfung, ob insbesondere die dynamische Verweisung in § 44 Abs. 1 LBG a.F. den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Denn die als Landesverordnung geltende Regelung des § 10 Abs. 2 BBhV ist bereits aus anderen Gründen nichtig.
Die Einführung des Beihilfeausschlusses für Beamte und ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen, die nicht krankenversichert sind, unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes und dem Gebot der Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen. Diesen Anforderungen werden die im streitgegenständlichen Zeitraum im Land Berlin bestehende Regelungen nicht gerecht.
Der Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art.20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt und jedenfalls aufgrund des Homogenitätsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) auch für die Landesgesetzgebung verbindlich ist6, verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden normativen Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern (oder gar der Verwaltung) überlassen. Wann danach eine Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich ist, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen7.
Der Vorbehalt des Gesetzes gilt auch für das Beihilferecht. Die Verantwortung des Dienstherrn bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit des Beamten und seiner Angehörigen bedarf wegen der außergewöhnlichen Bedeutung der Beihilfe für die Betroffenen und für die Wahrung eines verfassungsgemäßen Alimentationsniveaus der normativen Ordnung. Der parlamentarische Gesetzgeber muss die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems festlegen. Andernfalls könnte der für Besoldung und Versorgung bestehende Gesetzesvorbehalt aus Art. 33 Abs. 5 GG zunehmend ausgehöhlt werden und die Exekutive das durch Besoldungs- und Versorgungsgesetze festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen oder Kürzungen von Beihilfeleistungen eigenmächtig absenken8. Zu den tragenden Strukturprinzipien des Beihilferechts gehören insbesondere die Bestimmung des Leistungssystems, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, die Festlegung der Risiken, die abgedeckt werden, des Personenkreises, der Leistungen beanspruchen kann, der Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden und die Anordnung, welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben9. Ferner muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für Beihilfekürzungen in Form von Selbstbeteiligungen übernehmen, wenn sie die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten. Er muss insbesondere entscheiden, welchen Rahmen die Eigenbeteiligung der Beamten nicht überschreiten darf und ob sowie ggf. nach welchen Gesichtspunkten die Kostendämpfungspauschale der Höhe nach gestaffelt werden muss10.
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze obliegt dem parlamentarischen Gesetzgeber auch die Entscheidung darüber, ob Beamte nur dann Anspruch auf Beihilfe haben, wenn sie und ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen krankenversichert sind. Denn eine derartige Regelung berührt die Grundstruktur des gegenwärtig praktizierten Systems der Beihilfe, die als die Eigenvorsorge ergänzende Leistung konzipiert ist. Bei der Beihilfe handelt es sich danach um eine anlassbezogene Leistung aus öffentlichen Mitteln, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutritt. Diese Mischfinanzierung zur Sicherung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts bei Krankheit und vergleichbaren Notsituationen wird im Einzelfall aufgegeben, wenn Beamten, die für sich und ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen keine Krankenversicherung abschließen, infolge des Beihilfeausschlusses eine Eigenvorsorge in vollem Umfang zugemutet wird. Auch wenn das gegenwärtig praktizierte Mischsystem aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzenden Beihilfen nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört und deshalb nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet wird11, ist die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Unterstützung in Form von Beihilfen gänzlich zu versagen ist, grundsätzlicher Natur und daher vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffen. Dies gilt auch deshalb, weil sich der vollständige Beihilfeausschluss für die Betroffenen besonders einschneidend auswirkt.
Der Gesetzgeber kann zwar der Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen, dass er – hier mittels einer landesgesetzlichen Verweisung auf Verordnungsrecht des Bundes – den Beihilfeausschluss durch Landesverordnung regelt. Hierfür ist aber – abgesehen von den übrigen für den Erlass von Verordnungsrecht durch den parlamentarischen Gesetzgeber maßgeblichen Voraussetzungen12 – erforderlich, dass das Landesgesetz eine gemessen an dem auch von dem Landesgesetzgeber zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung enthält, die den betreffenden Leistungsausschluss inhaltlich deckt13. Jedenfalls daran fehlt es hier.
Die in dem streitgegenständlichen Zeitraum bestehenden landesgesetzlichen Verordnungsermächtigungen tragen die Beschränkung der Leistungsgewährung auf Beamte, die für sich und ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen einen Krankenversicherungsschutz nachweisen, nicht.
Nach § 119 Abs. 1 LBG a.F. wird der Senat ermächtigt, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen zu erlassen, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Nach § 76 Abs. 11 LBG n.F. kann der Senat durch Rechtsverordnungen die Einzelheiten der Beihilfegewährung regeln. Insbesondere kann er Höchstbeträge, Belastungsgrenzen, den völligen oder teilweisen Ausschluss von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln und den Abzug von Pauschalbeträgen von der zu gewährenden Beihilfe für jedes Quartal, in dem Aufwendungen entstanden sind, in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch festlegen.
Diesen Regelungen ist nicht in einer den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügenden Weise eine klare gesetzgeberische Entscheidung für eine Beschränkung der Beihilfe auf Beamte, die für sich und ihre berücksichtigungsfähigen Angehörigen eine Krankenversicherung abschließen bzw. nachweisen, zu entnehmen. Hierfür genügt weder die generalklauselartige Ermächtigung des § 119 Abs. 1 LBG a.F. zum Erlass der zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen noch die Ermächtigung des § 76 Abs. 11 Satz 1 LBG n.F. zur Regelung der Einzelheiten der Beihilfegewährung. Die in Rede stehende Regelung des § 10 Abs. 2 BBhV wird auch nicht von den in § 76 Abs. 11 Satz 2 LBG n.F. ausdrücklich aufgeführten Beispielsfällen erfasst.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Juli 2012 – 5 C 1.12
- vom 19.05.2003, GVBl S.202[↩]
- vom 19.03.2009, GVBl S. 70[↩]
- vom 23.11.2007, BGBl I S. 2631, 2672[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.03.1978 – 1 BvR 786/70 u.a., BVerfGE 47, 285, 310[↩]
- vgl. BVerfG a.a.O. 312 ff.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 – 2 C 49.07, BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 jeweils Rn. 10; BVerfG, Urteil vom 22.02.1994 – 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60, 84 ff. sowie Beschluss vom 27.01.1976 – 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, 251, 266[↩]
- BVerwG, Urteil vom 21.07.2010 – 6 C 22.09, BVerwGE 137, 275 = Buchholz 402.7 BVerfSchG Nr. 14 jeweils Rn. 74[↩]
- stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 14.07.2010 – 2 B 92.09 – ZBR 2011, 200; Urteile vom 26.06.2008 – 2 C 2.07, BVerwGE 131, 234 = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17 jeweils Rn. 7; vom 20.03.2008 a.a.O. jeweils Rn. 11 und vom 17.06.2004 – 2 C 50.02, BVerwGE 121, 103, 108 f. = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 S. 12[↩]
- stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 03.06.2009 – 2 C 27.08, Buchholz 237.7 § 88 NWLBG Nr. 6 Rn. 9 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 14.07.2010 a.a.O.[↩]
- stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 20.03.2008 a.a.O. jeweils Rn. 22 und vom 03.07.2003 – 2 C 36.02, BVerwGE 118, 277, 280 = Buchholz 237.6 § 87c NdsLBG Nr. 1 S. 3 jeweils m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 a.a.O. jeweils Rn. 13 und 15; Beschluss vom 14.07.2010 a.a.O. Rn. 7 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.09.2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196, 238 f.[↩]