Im Verfahren zur Anordnung einer Betreuung zur Wahrnehmung der Rechte eines Beamten im Disziplinarverfahren nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 BDO sind die Vorschriften das FamFG anwendbar.

Dies gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob das Disziplinarverfahren noch nach den Bestimmungen der Bundesdisziplinarordnung oder bereits nach denen des Bundesdisziplinargesetzes, das zum 1. Januar 2002 die BDO abgelöst hat, geführt wird. Denn in beiden Alternativen finden nach Ansicht des Bundesgerichtshofs für die Betreuerbestellung die Verfahrensvorschriften des FamFG Anwendung.
Zwar enthält das Bundesdisziplinargesetz keine dem § 19 BDO vergleichbare Vorschrift. Der in § 19 Abs. 1 BDO enthaltene Grundsatz, dass die Verhandlungsunfähigkeit eines Beamten der Einleitung oder Fortsetzung des Disziplinarverfahrens nicht entgegensteht, gilt jedoch auch ohne ausdrückliche Regelung im Bundesdisziplinargesetz unausgesprochen fort, weil dieser sog. Durchführungsgrundsatz weiterhin zu den das Disziplinarverfahren tragenden Grundsätzen gehört [1]. Die ehemals in § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BDO vorgesehene Möglichkeit, auf Antrag der Einleitungsbehörde dem Beamten im Falle seiner Verhandlungsunfähigkeit einen Betreuer zu bestellen, um das Disziplinarverfahren fortführen zu können, ergibt sich nunmehr aus § 3 BDG i. V. m. § 16 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG [2]. Danach hat das Betreuungsgericht auf Ersuchen der Behörde für einen Beteiligten, der infolge einer psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, in dem Verwaltungsverfahren selbst tätig zu werden, einen geeigneten Vertreter zu bestellen. § 16 Abs. 4 VwVfG verweist für diese Art der Betreuerbestellung ausdrücklich auf die Vorschriften über die Betreuung und damit auf die §§ 271 ff. FamFG [3].
Wäre im hier zu entscheidenden Fall noch die Bundesdisziplinarordnung maßgeblich, fänden auf das Verfahren zur Betreuerbestellung nach § 19 Abs. 2 BDO die Vorschriften des FamFG ebenfalls Anwendung.
§ 19 Abs. 2 BDO verhält sich zu der Frage, welches Verfahrensrecht für die Betreuerbestellung maßgeblich ist, nicht. Lediglich § 19 Abs. 2 Satz 3 BDO enthält mit dem Verweis auf § 16 Abs. 2 VwVfG eine verfahrensrechtliche Regelung, die sich allerdings auf die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit beschränkt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann hieraus jedoch nicht geschlossen werden, dass die Verfahrensvorschriften des FamFG keine Anwendung finden. Zwar hat die Bestellung eines Betreuers im Disziplinarverfahren ihre Grundlage im öffentlichen Recht, so dass fraglich sein könnte, ob die §§ 1896 ff. BGB daneben Anwendung finden oder ob § 19 Abs. 2 BDO insoweit als abschließende und spezielle Regelung anzusehen ist, die einen Rückgriff auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Betreuung verbietet [4]. Als gesetzlich geregelter Sonderfall einer Betreuungsbedürftigkeit für einen eng begrenzten Aufgabenkreis, nämlich der Durchführung eines Disziplinarverfahrens, hat § 19 Abs. 2 BDO jedoch nur zur Folge, dass die Prüfungskompetenz des Betreuungsgerichts darauf beschränkt ist, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, also der Beamte verhandlungsunfähig und der von der Behörde vorgeschlagene Betreuer geeignet ist [5]. Die Frage der Verhandlungsunfähigkeit hat das Betreuungsgericht auch in diesem Fall eigenständig zu prüfen. Die Betreuerbestellung nach § 19 Abs. 2 BDO unterscheidet sich daher von einem sonstigen Verfahren zur Bestellung eines Betreuers nur durch die spezielle materiellrechtliche Grundlage für die Entscheidung und der damit einhergehenden eingeschränkten Prüfungskompetenz des Betreuungsgerichts. Eine Abweichung im anzuwendenden Verfahrensrecht ergibt sich daraus nicht.
Bereits vor dem Inkrafttreten des FamFG war über den Antrag einer Behörde, für einen verhandlungsunfähigen Beamten nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BDO einen Betreuer zu bestellen, durch das Vormundschaftsgericht im Verfahren nach den §§ 65 ff. FGG zu entscheiden [6]. Nachdem diese Vorschriften durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [7] mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehoben und durch die §§ 271 ff. FamFG ersetzt wurden (vgl. Art. 112 Abs. 1 FGG-RG), ist nunmehr auf diese Verfahrensvorschriften zurückzugreifen.
Wie die durch Art. 5 Nr.19 des Betreuungsgesetzes [8] mit Wirkung zum 1. Januar 1992 eingeführten Vorschriften über die Anhörung des Betroffenen (§ 68 FGG), dem Äußerungsrecht des Betroffenen (§ 68 a FGG) und der Verpflichtung des Gerichts zur Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses (§ 68 b FGG), dienen auch die §§ 278 bis 282 FamFG der Sicherung der Rechtsstellung des Betroffenen im Verfahren zur Bestellung eines Betreuers. Wegen des erheblichen Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen, die mit der Errichtung einer Betreuung verbunden sind, soll die Person des Betroffenen im Mittelpunkt des Verfahrens stehen und nicht als bloßes Verfahrensobjekt behandelt werden [9]. Der Schutz, der dem Betroffenen in einem Verfahren zur Bestellung eines Betreuers durch die genannten Vorschriften gewährt wird, gebietet es, die Anwendung der §§ 278 bis 282 FamFG nicht davon abhängig zu machen, ob die Betreuung auf der materiellrechtlichen Grundlage der §§ 1896 ff. BGB oder einer spezialgesetzlichen Regelung wie dem § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BDO erfolgen soll.
Daraus, dass § 19 Abs. 2 Satz 3 BDO nur auf § 16 Abs. 2 VwVfG und nicht auch auf Abs. 4 dieser Vorschrift verweist, kann nicht geschlossen werden, dass die allgemeinen Verfahrensvorschriften über die Betreuerbestellung nicht anwendbar sein sollen. Dieser Verweis auf § 16 Abs. 2 VwVfG war erforderlich, um die für das Disziplinarverfahren unpassenden Zuständigkeitsvorschriften der §§ 36, 65 FGG zu modifizieren. Hinsichtlich der übrigen Verfahrensvorschriften bestand diese Notwendigkeit nicht. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BDO ordnet ausdrücklich im Falle der Verhandlungsunfähigkeit des Beamten die Bestellung eines Betreuers durch das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Vormundschaftsgericht an. Dies schließt die Anwendung der hierfür maßgeblichen Verfahrensvorschriften mit ein.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass § 341 FamFG ebenfalls nur für sog. betreuungsrechtliche Zuweisungssachen (§ 340 FamFG) eine Regelung zur örtlichen Zuständigkeit enthält. Betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen sind u. a. Verfahren, die die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Volljährigen betreffen (§ 340 Nr. 2 FamFG). Zum Zeitpunkt der Reform des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestand kein Bedürfnis mehr, über die Regelung der örtlichen Zuständigkeit hinaus für betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen ausdrücklich die Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des FamFG anzuordnen. Verfahren im Sinne von § 340 Nr. 2 FamFG sind u. a. die Verfahren nach § 16 Abs. 1 VwVfG, § 15 Abs. 1 SGB X, § 81 Abs. 1 AO oder § 207 Abs. 1 BauGB [10]. Diese Vorschriften enthalten jeweils unmittelbar eine Verweisung auf die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorschriften (vgl. § 16 Abs. 4 VwVfG, § 15 Abs. 4 SGB X, § 81 Abs. 4 AO oder § 207 Abs. 4 BauGB), die auch die Vorschriften des FamFG erfassen [11].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. November 2011 – XII ZB 6/11
- BVerwGE 135, 24 = NVwZ 2010, 345 Rn. 15[↩]
- Urban/Wittkowski BDG § 17 Rn. 3 mwN[↩]
- vgl. Bonk/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs Verwaltungsverfahrensgesetz 7. Aufl. § 16 Rn. 32; Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 340 Rn. 6[↩]
- vgl. hierzu BVerwG Beschluss vom 25.01.2001 – 1 D 31/99 m.w.N.[↩]
- Köhler/Ratz BDO 2. Aufl. § 19 Rn. 7; Claussen/Janzen Bundesdisziplinarordnung 8. Aufl. § 19 Rn. 5 a[↩]
- Köhler/Ratz BDO 2. Aufl. § 19 Rn. 6[↩]
- vom 17.12.2008, BGBl. I S. 2585[↩]
- Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige – Betreuungsgesetz (BtG) – vom 12.09.1990, BGBl. I S.2002[↩]
- vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser FGG 15. Aufl. Vorb. §§ 6569 o Rn. 1, 5; Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 278 Rn. 1 und § 280 Rn. 1[↩]
- vgl. dazu die Zusammenstellung bei Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 341 Rn. 3[↩]
- vgl. Bonk/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs Verwaltungsverfahrensgesetz 7. Aufl. § 16 Rn. 32; Vogelgesang in Hauck/Noftz SGB X [Stand: 2011] § 15 Rn. 33; vgl. auch Kretz in Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 340 FamFG Rn. 5; Bu?i? in Jurgeleit Betreuungsrecht 2. Aufl. § 340 FamFG Rn. 6[↩]