Der Beurteilungszeitraum für Beurteilungen anlässlich der Bewerbung um ein anderes Amt (Anlassbeurteilungen) auf der Grundlage der Beurteilungsrichtlinien für hamburgische Richterinnen und Richter beträgt in der Regel maximal 6 ½ Jahre. Hat die Gerichtspräsidentin oder der Gerichtspräsident des jeweiligen Obergerichts auch eine Beurteilung abzugeben, muss diese den Anforderungen der Beurteilungsrichtlinien genügen und zu den Beurteilungskriterien inhaltlich Stellung nehmen.

Der Antragsteller hat zur Sicherung seines durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Bewerbungsverfahrensanspruchs einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Ebenso wie ein Beamter hat ein Richter im Fall einer Bewerbung um ein Amt mit einem höheren Endgrundgehalt grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung, sondern nur darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei in einem den rechtlichen Anforderungen genügenden Auswahlverfahren entschieden wird1. Dieser Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist im vorliegenden Fall verletzt worden, so dass zur Sicherung dieses Anspruchs die Besetzung der Stelle mit der Beigeladenen vorläufig zu untersagen ist. Soweit der Antragsteller aber darüber hinausgehend beantragt hat, der Antragsgegnerin die Besetzung der Stelle vor „Durchführung“ eines erneuten Auswahlverfahrens zu untersagen, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Dabei kommt es allerdings nicht entscheidungserheblich darauf an, ob ihm die Beurteilungen im persönlichen Gespräch hätten eröffnet werden müssen. Selbst wenn dies aus § 9 der Allgemeinen Verfügung der Behörde für Justiz und Gleichstellung Hamburg zur Durchführung von § 3a HmbRiG vom 17.08.20122 folgen würde, wonach eine Beurteilung zu „eröffnen“ ist, würde dies allein die Beurteilungen des Antragstellers nicht rechtswidrig machen und ihm nicht zu einem Anordnungsanspruch bezüglich der Stellenbesetzung mit einem anderen Bewerber verhelfen3. Zum einen würde eine solche Vorgabe vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer möglichst schnellen Klärung etwaiger Unstimmigkeiten dienen4. Zum anderen hatte der Antragsteller aufgrund der ihm zugesandten Abschriften jeweils Gelegenheit sich zu äußern, so dass seinem subjektiven Interesse, zur Beurteilung Stellung nehmen zu können, Genüge getan ist.
Vorliegend bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Beurteilungen selbst. Die Entscheidung über eine Beförderung eines Richters obliegt nach Maßgabe des Personalbedarfs und des Vorhandenseins freier besetzbarer Planstellen dem zuständigen Organ, in Hamburg dem Oberverwaltungsgericht der Antragsgegnerin auf Vorschlag des Richterwahlausschusses (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 HV). Ihm kommt hinsichtlich der Beurteilung der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Auswahlkriterien ein eigener Beurteilungs- und Prognosespielraum zu, wobei die Gerichte ggf. zu überprüfen haben, ob der Ausschuss von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob die getroffenen Feststellungen unter Berücksichtigung der originären Entscheidungsspielräume den Ernennungsvorschlag rechtfertigen können und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass unsachgemäße oder willkürliche Erwägungen angestellt worden sind. Demzufolge ist in einem Konkurrentenstreitverfahren insbesondere zu prüfen, ob dem Richterwahlausschuss aktuelle und im Hinblick auf das konkrete Auswahlverfahren aussagekräftige dienstliche Beurteilungen über die im Streitverfahren beteiligten Richter vorgelegen haben, ob die Beurteilungen auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen, ob ferner gegen die Beurteilungen inhaltliche Bedenken bestehen und ob dem Ausschuss alle (etwaigen) weiteren tatsächlichen Informationen vorgelegen haben, die er für seine Entscheidung benötigt hat5. Diesen – überprüfbaren – Anforderungen werden die vorliegenden „Stellungnahmen“ und der „Vorschlag gemäß § 24a HmbAGGVG“, die sämtlich als dienstliche Beurteilungen anzusehen sind6, nicht gerecht.
Den Beurteilungen des Antragstellers lässt sich ein Beurteilungszeitraum nicht entnehmen, was aber für die erforderliche Vergleichbarkeit von Beurteilungen unerlässlich ist. Dienstlichen Beurteilungen kommt entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen „Klärung der Wettbewerbssituation“ zu, was größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten verlangt7. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bezüglich Regelbeurteilungen dahingehend präzisiert, dass höchstmögliche Vergleichbarkeit grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum erreicht werde8. Dies gilt erst Recht für Beurteilungen, die gerade aus Anlass der Bewerbung um ein anderes Amt, also typischerweise gerade in einer Wettbewerbssituation erstellt werden. Beurteilungen, die Grundlage einer Auswahlentscheidung sein sollen, müssen demnach einen erkennbaren bestimmten Beurteilungszeitraum abdecken und die Beurteilungszeiträume der Bewerber müssen im Wesentlichen übereinstimmen9.
In der Beurteilung des Antragstellers durch die Präsidentin des Landgerichts Hamburg vom 14.08.2013 ist kein Beurteilungszeitraum angegeben. Zwar genügt es, wenn sich der Beurteilungszeitraum auch ohne ausdrückliche Benennung hinreichend sicher ermitteln lässt10, was vorliegend jedoch, wie der Antragsteller zutreffend dargelegt hat, nicht der Fall ist.
In Betracht zu ziehen ist zunächst, dass sich die Beurteilung auf den seit der letzten Beurteilung vergangenen Zeitraum beziehen soll11. Die letzte Beurteilung des Antragstellers datiert – soweit ersichtlich – vom 15.04.2013. Indes knüpft die Landgerichtspräsidentin weder an diese Beurteilung noch an eine frühere von ihr erstellte Beurteilung des Antragstellers an. Aufgrund der ausführlichen wörtlichen Wiedergabe nicht nur der dienstlichen Äußerungen der Kammervorsitzenden vom 06.08.2008, 20.02.2009, 17.05.2011 und 6.02.2013, sondern auch des früheren Vorsitzenden der Kammer vom 10.10.2007 sowie der Beurteilungen früherer Gerichtspräsidenten vom 02.03.1989, 2.05.1994, 11.11.1996, 9.04.2003 und 12.02.2004 ist nicht erkennbar, dass der Beurteilungszeitraum mit der letzten oder eine anderen Beurteilung beginnen sollte. Gegen die Annahme, dass der Beurteilungszeitraum mit dem Amtsantritt der Landgerichtspräsidentin am 30.01.2009 habe beginnen sollen, spricht ebenfalls die Bezugnahme auf zeitlich davor datierende Beurteilungen und Beurteilungsbeiträge. Diese werden nicht lediglich in Form eines Hinweises eingebunden, etwa um den Beginn des Beurteilungszeitraums zu markieren, sondern sie werden inhaltlich in Bezug genommen. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass sich die Landgerichtspräsidentin in großem Umfang den vor ihrer Amtszeit erstellten Beurteilungen und Beurteilungsbeiträgen widmet, nämlich auf ca. 6 der insgesamt 10 Seiten langen Beurteilung. Zum anderen macht sich die Landgerichtspräsidentin die dortigen Wertungen jedenfalls zum Teil ausdrücklich zu Eigen oder zieht ihre Schlüsse daraus, wenn sie etwa außerhalb der wörtlichen Wiedergabe ausführt, der Antragsteller habe „über viele Jahre wertvolle Kammerarbeit geleistet“, oder, er habe eine Reihe alter Berufungsverfahren „in angemessener Zeit“ erledigt. Zudem trifft sie ihre Feststellungen generell „auf Grundlage dieser Beurteilungen und dienstlichen Äußerungen“.
Schließlich erscheint auch eher fernliegend, dass sich der Beurteilungszeitraum bis über den der ältesten zitierten Beurteilung vom 02.03.1989 zugrunde liegenden Zeitraum erstrecken sollte. Jedenfalls wäre dies unzulässig. Die vorliegende Beurteilung würde dann nämlich in mehrere bereits beurteilte Zeiträume hineinreichen bzw. diese überlagern, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit ersichtlich wäre, und der dann anzunehmende Beurteilungszeitraum von über 25 Jahre wäre hier auch als solcher nicht gerechtfertigt.
Maßgebend für die Bemessung von Beurteilungszeiträumen sind die Beurteilungsrichtlinien. Diese sind zwar keine Rechtsnormen und somit nicht unmittelbar außenverbindliches Recht12, sondern Verwaltungsvorschriften, aber als solche auf Grund des Gleichheitssatzes für die Beurteiler hinsichtlich des Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe verbindlich; und vom Gericht auf ihre Einhaltung hin zu kontrollieren13. Mangels anderer Anhaltspunkte geht das Oberverwaltungsgericht auch davon aus, dass die Antragsgegnerin generell ihre Praxis an diesen am 1.01.2013 in Kraft getretenen Richtlinien ausrichtet bzw. ausrichten will.
Den Beurteilungsrichtlinien lässt sich entnehmen, dass Beurteilungen grundsätzlich nur begrenzte Zeiträume erfassen sollen. Eine Regelbeurteilung soll nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinien im Normalfall alle fünf Jahre erfolgen, umfasst somit regelmäßig einen Zeitraum von fünf Jahren. Für Beurteilungen aus Anlass der Bewerbung um ein anderes Amt i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a) der Beurteilungsrichtlinien gibt es keinen einheitlichen Beurteilungszeitraum, jedoch folgt aus der in § 2 Abs. 5 Satz 1 vorgesehenen Möglichkeit, auf die letzte Beurteilung Bezug zu nehmen, wenn diese nicht mehr als 18 Monate zurückliegt, dass der maximale Beurteilungszeitraum für eine solche Anlassbeurteilung in der Regel 6 ½ Jahre beträgt, nämlich den für eine Regelbeurteilung geltenden Zeitraum von 5 Jahre zuzüglich 18 Monate umfasst. Zwar ist nach dem Wortlaut eine Kettenbezugnahme derart, dass eine Anlassbeurteilung auf eine vorherige Anlassbeurteilung Bezug nimmt, die ihrerseits auf eine vorherige Beurteilung Bezug nimmt u.s.w., nicht ausgeschlossen. Dies dürfte aber weder nach dem Zweck der Richtlinien gewollt noch im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von (Anlass-) Beurteilungen hinsichtlich des Beurteilungszeitraums zulässig sein14. Im Übrigen wäre die Bezugnahme auf eine Anlassbeurteilung i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a) der Beurteilungsrichtlinien ohnehin nur möglich, wenn diese entsprechend dem Wunsch der Richterin bzw. des Richters gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 der Beurteilungsrichtlinien zur Personalakte genommen werden durfte.
Liegt ein rechtfertigender Grund vor, kann im Einzelfall zwar auch ein 6 ½ Jahre überschreitender Zeitraum zulässig sein, wenn z.B. seit der letzten Beurteilung mehr als 6 ½ Jahre vergangen sind (vgl. die Fälle des § 2 Abs. 1 Buchst. a) und b) der Beurteilungsrichtlinien). Vorliegend ist jedoch kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, den Beurteilungszeitraum zurück bis in die 1980er Jahre zu erstrecken, insbesondere ist der Antragsteller zwischenzeitlich vielfach beurteilt worden, wobei seine letzte nicht aus Anlass einer Bewerbung erfolgte Beurteilung diejenige des ehemaligen Landgerichtspräsidenten vom 12.02.2004 sein dürfte.
In der Beurteilung der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30.08.2013 wird ebenfalls weder ein Beurteilungszeitraum genannt noch lässt sich ein solcher mit hinreichender Sicherheit der Beurteilung durch Auslegung entnehmen. Im Wesentlichen bezieht sich die Oberlandesgerichtspräsidentin auf die Stellungnahme der Landgerichtspräsidentin vom 14.08.2013, ohne selbst den Beurteilungszeitraum näher zu bestimmen, so dass die dortigen Unsicherheiten bezüglich des Beurteilungszeitraums auch hier zum Tragen kommen.
Fehlt den maßgeblichen Beurteilungen für den Antragsteller somit ein erkennbarer Beurteilungszeitraum, war dem Richterwahlausschuss die erforderliche vergleichende Bewertung der Bewerber nicht möglich. Es kommt daher nicht darauf an, ob den Beurteilungen der Beigeladenen ebenfalls kein erkennbarer Beurteilungszeitraum zugrunde liegt. Es sei aber darauf hingewiesen, dass weder in der die Beigeladene betreffenden Beurteilung durch die Präsidentin des Landgerichts Hamburg vom 31.07.2013 noch in der der Präsidentin des Hansetischen Oberlandesgerichts vom 30.08.2013 („Vorschlag gemäß § 24a HmbAGGVG“) ein Beurteilungszeitraum angegeben ist und sich ein solcher auch nicht im Wege der Auslegung hinreichend sicher ermitteln lässt. Gegen die Argumentation des Verwaltungsgerichts, die Landgerichtspräsidentin habe die Beigeladene erst ab dem 30.01.2009, dem Beginn ihres Amtsantritts, beurteilen wollen und die Oberlandesgerichtspräsidentin sei von diesem Zeitraum nicht abgewichen, lässt sich wiederum einwenden, dass jeweils auf frühere Beurteilungen bzw. Beurteilungsbeiträge Bezug genommen wird. Namentlich zitiert die Landgerichtspräsidentin u.a. umfangreich aus einer dienstlichen Äußerung des Kammervorsitzenden vom 13.03.2008 und die Oberlandesgerichtspräsidentin bezieht sich u.a. auf die Beurteilung des Präsidenten des Amtsgerichts vom 11.11.2004.
Ferner ist die den Antragsteller betreffende Beurteilung der Präsidentin des Landgerichts Hamburg vom 14.08.2013 auch deshalb fehlerhaft, weil darin auf alte Beurteilungsbeiträge Bezug genommen wird, die nach § 9 Abs. 1 Satz 5 der Beurteilungsrichtlinien hätten vernichtet werden müssen. Nach dieser Regelung sind schriftliche Beurteilungsbeiträge zwei Jahre nach Eröffnung der dienstlichen Beurteilung zu vernichten.
In der Beurteilung vom 14.08.2013 werden neben einem Beurteilungsbeitrag des früheren Kammervorsitzenden, Herr W.; vom 10.10.2007 die Beiträge der aktuellen Kammervorsitzenden, Frau T.; vom 06.08.2008, 20.02.2009 und 17.05.2011 umfänglich zitiert. Diese „dienstlichen Äußerungen“, die ausdrücklich Grundlage der Beurteilung des Antragstellers sind („auf der Grundlage dieser […] dienstlichen Äußerungen […] kann ich feststellen […]“), sind schriftliche Beurteilungsbeiträge im Sinne von § 6 der Beurteilungsrichtlinien, nämlich vom Beurteiler bei Dritten eingeholte schriftliche Äußerungen über den zu Beurteilenden zwecks Erstellung einer Beurteilung. Diese waren nach § 9 Abs. 1 Satz 5 der Beurteilungsrichtlinien zwei Jahre nach Eröffnung der Beurteilung zu vernichten. Unerheblich ist insoweit, ob die Eröffnung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 der Beurteilungsrichtlinien eine mündliche Bekanntgabe voraussetzt, weil es nach Sinn und Zweck des Satzes 5 für die erforderliche Vernichtung nicht darauf ankommen kann, ob die Beurteilung mündlich oder in anderer Form bekannt gegeben wurde.
Die genannten Beurteilungsbeiträge dienten zur Erstellung der Beurteilungen seitens des damaligen Präsidenten des Landgerichts Hamburg vom 15.10.2007 (betr. Beitrag vom 10.10.2007); und vom 12.08.2008 (betr. Beitrag vom 06.08.2008) bzw. zur Erstellung der Beurteilungen seitens der jetzigen Präsidentin des Landgerichts vom 24.02.2009 (betr. Beitrag vom 20.02.2009); und vom 06.06.2011 (betr. Beitrag vom 17.05.2011). Da diese Beurteilungen bei Erstellung der hier streitigen Beurteilung vom 14.08.2013 älter als zwei Jahre waren und anzunehmen ist, dass seit Bekanntgabe der Beurteilungen mehr als zwei Jahre verstrichen waren, hätten die Beurteilungsbeiträge nach § 9 Abs. 1 Satz 5 der Beurteilungsrichtlinien vernichtet sein müssen und dementsprechend auch nicht verwendet werden dürfen. Für die Beurteilung vom 14.08.2013 waren die Beurteilungsrichtlinien auch bereits zu berücksichtigen, da diese gemäß ihrem § 10 Abs. 1 am 1.01.2013 in Kraft getreten sind. Maßgebend sind – jedenfalls wenn, wie hier, keine anderweitige Regelung vorgesehen ist – die am Beurteilungsstichtag geltenden Vorschriften, auch wenn diese erst im Verlaufe eines Beurteilungszeitraums in Kraft getreten sind15.
Darüber hinaus ist die dienstliche Beurteilung des Antragstellers durch die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30.08.2013 fehlerhaft, weil sie den inhaltlichen Anforderungen der Beurteilungsrichtlinie nicht genügt.
Die Oberlandesgerichtspräsidentin hatte eine eigene Beurteilung abzugeben. Nach § 5 Abs. 1 der Beurteilungsrichtlinien obliegt die Beurteilung der jeweiligen Gerichtspräsidentin oder dem jeweiligen Gerichtspräsidenten, vorliegend also der Landgerichtspräsidentin. Im Fall der Bewerbung eines Richters um ein anderes Amt in derselben Gerichtsbarkeit hat jedoch darüber hinaus nach § 5 Abs. 2 der Beurteilungsrichtlinien die Gerichtspräsidentin bzw. der Gerichtspräsident des jeweiligen Obergerichts „auch“ eine Beurteilung abzugeben. Erforderlich sind hiernach zwei selbstständige Beurteilungen, die in gleichem Maße der Beurteilungsrichtlinie genügen müssen. Unbeschadet der Frage, inwieweit sich die jeweiligen Erkenntnisgrundlagen unterscheiden können, muss auch die Beurteilung durch den Präsident des Obergerichts eine eigenverantwortliche und umfassende Bewertung des Richters enthalten16. Dies schließt mit ein, dass der Beurteiler eigene Werturteile zu treffen hat. Denn dienstliche Beurteilungen sind dem Dienstherrn bzw. zuständigen Beurteiler vorbehaltene Akte wertender Erkenntnis17. Zwar muss eine dienstliche Beurteilung nicht notwendigerweise auf eigenen persönlichen Eindrücken des beurteilenden Beamten oder Richters aus einer unmittelbaren Zusammenarbeit beruhen. Der Beurteiler kann sich vielmehr die erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise verschaffen18. Die Beurteilung muss aber ein dem zuständigen Beurteiler zurechenbares Urteil über den Beamten bzw. Richter bleiben, weil anderenfalls von einem höchstpersönlichen Werturteil des zuständigen Beurteilers, dem die nach Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilung erforderliche Beurteilungsermächtigung eingeräumt ist, nicht mehr die Rede sein könnte19. Daher darf in einer Beurteilung nicht beliebig auf Erkenntnisse und Werturteile von Dritten zurückgegriffen werden, sondern grundsätzlich nur soweit der für die Beurteilung Zuständige nicht in der Lage ist, sich ein eigenes vollständiges Bild von den Leistungen des Bewerbers zu machen20.
Dem wird die Beurteilung vom 30.08.2013 nicht gerecht. Sie enthält lediglich neben einem kurzen Absatz zum Werdegang des Antragstellers die wörtliche Wiedergabe eines Ausschnitts aus der Beurteilung der Präsidentin des Landgerichts vom 14.08.2013, an den sich die Aussage anschließt, der Antragsteller sei „nach der dienstlichen Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts sehr gut geeignet.“ Schließlich wird kurz ausgeführt, dass dem Antragsteller bei der jetzt zu treffenden Auswahl nicht der Vorzug zu geben sei. Zweifelhaft ist bereits, ob die Beurteilung damit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinien aufgrund einer möglichst breiten Erkenntnisgrundlage erfolgt ist. Denn die Erkenntnisgrundlage beschränkt sich, soweit ersichtlich, auf einen kurzen und wenig aussagekräftigen Ausschnitt aus der Beurteilung der Landgerichtspräsidentin.
Darüber hinaus ist der Beurteilung schwerlich eine eigene Bewertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung (vgl. § 1 Abs. 1 der Beurteilungsrichtlinien) des Antragstellers zu entnehmen, weil im bewertenden Teil lediglich Äußerungen der Landgerichtspräsidentin wiedergegeben werden. Auch hinsichtlich der nach § 8 der Beurteilungsrichtlinien vorzunehmenden Eignungsbewertung legt sie nur die Einschätzung der Landgerichtspräsidentin dar, ohne sich diese hinreichend deutlich zu Eigen zu machen (oder davon abzuweichen). Zwar könnte grundsätzlich angenommen werden, dass sich ein Beurteiler die von ihm zitierten Äußerungen zu Eigen macht, wenn er nicht ausdrücklich davon abweicht. Andererseits lässt sich aus dem Umstand, dass der Beurteiler gerade vermeidet, sich Äußerungen Dritter anzuschließen, ebenso gut folgern, dass damit eine Distanzierung verbunden ist. In diesem Sinne hat die Antragsgegnerin etwa im Rahmen eines Parallelverfahrens21 bezüglich einer früheren Beurteilung durch die Landgerichtspräsidentin argumentiert, die dort ebenfalls keine ausdrücklich eigene Eignungsbewertung abgegeben, sondern lediglich ausgeführt hat, ihr Amtsvorgänger habe den Antragsteller für hervorragend geeignet gehalten, den Vorsitz einer Kammer zu übernehmen. Zudem steht die Vermeidung einer auch sprachlich zum Ausdruck kommenden eigenen Bewertung offenbar in Widerspruch zu der sonstigen Praxis. Denn hinsichtlich der hiesigen Beigeladenen (wie auch hinsichtlich der Beigeladenen in den Parallelverfahren) hat die Oberlandesgerichtspräsidentin jeweils sprachlich eigene Bewertungen der Leistung und eine eigene Eignungsbewertung zum Ausdruck gebracht.
Aber selbst wenn man annehmen würde, dass sich die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in der Beurteilung vom 30.08.2013 die Beurteilung der Landgerichtspräsidentin, soweit sie wiedergegeben ist, zu Eigen gemacht hat, würde die Beurteilung nicht den Anforderungen der Beurteilungsrichtlinien genügen. Nach § 7 der Beurteilungsrichtlinien ist zu insgesamt 10 Kriterien – soweit sie für den Tätigkeitsbereich des zu Beurteilenden relevant sind – Stellung zu nehmen. Die Bewertung des Antragstellers erschöpft sich vorliegend aber im Wesentlichen darin, der Antragsteller sei ein sehr versierter, erfahrener und kompetenter Strafrichter, der wertvolle und hochqualifizierte Kammerarbeit leiste, sein großes Engagement, mit der er sich den ihm übertragenen Aufgaben widme, sei hervorzuheben und er zeichne sich durch große Hilfsbereitschaft aus. Diese Aussagen lassen sich allenfalls einigen der Kriterien zuordnen. Zu der überwiegenden Anzahl der Kriterien wird nicht Stellung genommen. Eine inhaltliche Ausfüllung der Stellungnahme zu den Kriterien, wie sie in § 7 Abs. 2 Satz 2 der Beurteilungsrichtlinien vorausgesetzt ist, findet ebenfalls nicht statt.
Lagen der Entscheidung des Richterwahlausschusses somit fehlerhafte Beurteilungen zugrunde, ist der verletzte Bewerbungsverfahrensanspruch durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu sichern, wenn zumindest möglich erscheint, dass der Antragsteller im Falle eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens zum Zuge kommt22. Die Beigeladene hat zwar vorliegend eine bessere abschließende Eignungsbewertung, nämlich „hervorragend geeignet“ gegenüber der um eine Stufe schlechteren Bewertung des Antragstellers mit „sehr gut geeignet“. Da das Gericht das Ergebnis der für eine erneute Auswahlentscheidung erforderlichen Neubeurteilung jedoch nicht vorwegnehmen und eine eigene Beurteilungs- oder Auswahlentscheidung treffen darf23, sondern die Neubeurteilung im Rahmen des den Beurteilern originär zustehenden Beurteilungsspielraums zu erfolgen hat und ggf. der Richterwahlausschuss eine Entscheidung aufgrund seines ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraum zu treffen hat, kann eine Auswahl des Antragstellers für die begehrte Stelle nach dem Stand des Eilverfahrens nicht ausgeschlossen werden.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. Juni 2014 – 3 Bs 57/14
- OVG Hamburg, Beschluss vom 11.01.2012, 5 Bs 213/11 12; Beschluss vom 16.11.2011, 1 Bs 160/11 5 m.w.N.[↩]
- JVBl.2012, S. 76, nachfolgend: Beurteilungsrichtlinien[↩]
- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 2.06.2014, 3 Bs 36/14 10[↩]
- vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 8.10.2012, 2 A 381/12 6[↩]
- OVG Hamburg, Beschluss vom 14.09.2012, 5 Bs 176/12 12 u.19 m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschluss vom 11.01.2012, 5 Bs 213/11 17; Beschluss vom 14.09.2012, 5 Bs 176/12 28 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 18.07.2001, NVwZ-RR 2002, 201, 202[↩]
- BVerwG, Urteil vom 18.07.2001, a.a.O.[↩]
- vgl. BayVGH, Beschluss vom 28.02.2014 – 3 CE 14.32 35[↩]
- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.01.2014 – 6 B 1336/1320; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl.2013, § 11 Rn. 38[↩]
- in diesem Sinn OVG NRW, Beschluss vom 6.02.2009 – 1 B 1821/08 10[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.02.2013, 2 B 104/11 5[↩]
- BVerwG, Urteil vom 24.11.2005, NVwZ 2006, 465; Urteil vom 27.05.1982, 2 A 1/8119[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2001, NVwZ-RR 2002, 201, 202[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 15.11.2006, a.a.O.[↩]
- vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 16.05.2011 – 2 A 584/09 5; Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 3. Aufl. Stand Februar 2014, Ordner 2, B Rn. 270[↩]
- BVerwG, Urteil vom 2.04.1981 – 2 C 34/79, BVerwGE 62, 135 17[↩]
- BVerwG, a.a.O. Rn.19[↩]
- BVerwG, Urteil vom 17.04.1986 – 2 C 13/85 14[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 – 2 C 16/09, BVerwGE 138, 102 47; OVG Hamburg, Beschluss vom 2.06.2014 – 3 Bs 36/14 25[↩]
- OVG Hamburg – 3 Bf 197/13, 20 K 1722/12[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 27.11.2008 – 2 BvR 1012/08 8; 1.08.2006, NVwZ 2006, 1401, 1403; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010, BVerwGE 138, 102, 111, Rn. 32 m.w.N.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 24.09.2002, NVwZ 2003, 200, 201[↩]