Wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jetzt entschieden hat, muss das Bundesamt für Verfassungsschutz einem Journalisten Auskunft aus einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren erteilen.

Der Kxläger, ein Journalist, beansprucht von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Auskunft zu einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren, das gegen einen ehemaligen Referatsleiter beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geführt wurde. Dem Beamten wurde vorgeworfen, nach Bekanntwerden der rechtsterroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) die Vernichtung von Akten angeordnet zu haben.
Das neun Punkte umfassende Auskunftsbegehren hatte vor dem Verwaltungsgericht Köln zum überwiegenden Teil Erfolg1. Auf die Berufung der Bundesrepublik hat dagegen das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster das Auskunftsbegehren teilweise zurückgewiesen2. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun die Revision der Bundesrepublik zum ganz überwiegenden Teil und die Anschlussrevision des Journalisten vollständig zurückgewiesen:
Der Auskunftsanspruch des Journalisten findet seine Rechtsgrundlage im Personalaktenrecht. Die danach gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) erforderliche Interessenabwägung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Beamten und dem Informationsinteresse der Presse fällt zugunsten der Presse aus, soweit der Journalist die Fragen hinreichend konkret bezeichnet hat. Eine journalistische Relevanzprüfung findet dabei nicht statt; es ist Sache der Presse zu entscheiden, welche Informationen sie für erforderlich hält, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer Berichterstattung aufzubereiten. Dem Auskunftsanspruch stehen das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und die Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte gemäß § 16 Abs. 1 und 3 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) nicht entgegen. Sie führen nicht zu einem absoluten, abwägungsresistenten Schutzanspruch des betroffenen Beamten. Es ist nicht möglich, diesen sich durch Zeitablauf verdichtenden Schutzanspruch unter schematischer Übernahme solcher einfachrechtlichen Regelungen zu bestimmen. Die Fristen des Bundesdisziplinargesetzes sind jedoch ein bedeutsamer Faktor, der auf Seiten des Rechts der informationellen Selbstbestimmung zu Gunsten des betroffenen Beamten in die Interessenabwägung einzustellen ist.
Hier ist dem pressespezifischen Informationsinteresse angesichts der hohen Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen des NSU für das Gemeinwesen ein derart überragend großes Gewicht beizumessen, dass auch unter Berücksichtigung des disziplinarrechtlichen Verwertungsverbots und der daraus folgenden Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte eine andere Entscheidung als die Auskunftserteilung ausgeschlossen ist.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2020 – 2 C 41.18
Bildnachweis:
- Zeitungen: Michael Gaida | CC0 1.0 Universal