Der für die Organisation der Hochschulmedizin bundesverfassungsrechtlich geforderte Ausgleich zwischen der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer und der bestmöglichen Krankenversorgung gebietet, dass ein organisatorisch verselbständigtes Universitätsklinikum nicht zu überprüfen und nicht dafür einzustehen hat, dass das in tatsächlichem Sinne erteilte Einvernehmen des medizinischen Fachbereichs einer Universität zu einer den Bereich von Forschung und Lehre betreffenden Entscheidung des Universitätsklinikums mit der Wissenschaftsfreiheit vereinbar ist.

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall streiten die Beteiligten, ein Universitätsprofessor für Nuklearmedizin und die Uniklinik, über die Schließung einer Bettenstation einer Nuklearmedizinischen Klinik in einem Universitätsklinikum. Der Kläger sah sich durch die auf wirtschaftliche Gründe gestützte Stationsschließung vor allem in seiner Wissenschaftsfreiheit verletzt, hatte mit seiner gegen die Schließung gerichteten Klage letztinstanzlich jedoch keinen Erfolg:
Durch die mit dem Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG NW) vom 14.03.20001 eingeleitete Organisationsreform der Hochschulmedizin sind die vormaligen unselbständigen medizinischen Einrichtungen der nordrhein-westfälischen Universitäten als Universitätskliniken in die Rechtsform von Anstalten des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit überführt worden (§ 41 HG NW in seinen bis zum 31.12 2006 in Kraft gewesenen Fassungen, für den vorliegenden Fall i.V.m. § 1 Abs. 1 der zum 1.01.2008 außer Kraft getretenen Verordnung über die Errichtung des Klinikums Düsseldorf der Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum Düsseldorf als Anstalt des öffentlichen Rechts, Klinikumsverordnung Düsseldorf – KlV-Dü NW vom 01.12 2000, GV.NRW. S. 729). Diese Organisationsform ist in das geltende Landeshochschulgesetz, das in seiner Ursprungsfassung vom 31.10.20062 stammt, übernommen worden (bis zum 31.12 2007 § 31 HG NW, danach § 31a Abs. 2 HG NW i.V.m. § 1 Abs. 1 der seit dem 1.01.2008 geltenden Rechtsverordnung für die Universitätskliniken Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster, Universitätsklinikum-Verordnung – UKVO NW vom 20.12 20073). Die organisatorisch verselbständigten Universitätskliniken haben neben der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen den medizinischen Fachbereichen der Universitäten bei deren Aufgabenerfüllung in Forschung und Lehre zu dienen und die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre zu gewährleisten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1 bis 3 HG NW, § 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 UKVO NW). Sie arbeiten auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung eng mit den Universitäten zusammen, unterstützen diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und stellen sicher, dass die Mitglieder der Hochschulen ihre durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und durch das Hochschulgesetz verbürgten Rechte wahrnehmen können (§ 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 5 HG NW, § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW). Weiter ist bestimmt, dass Entscheidungen der Universitätskliniken unbeschadet der Gesamtverantwortung der Universitäten im Einvernehmen mit den medizinischen Fachbereichen erfolgen, soweit der Bereich von Forschung und Lehre betroffen ist (§ 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW); kommt das Einvernehmen nicht zustande, entscheiden die Aufsichtsräte der Universitätskliniken auf Antrag der Dekane (§ 2 Abs. 2 Satz 4 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 4 UKVO NW).
Dass die Schließung der Station O. durch das beklagte Universitätsklinikum den Bereich von Forschung und Lehre betraf und deshalb nach § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW des Einvernehmens des beigeladenen Fachbereichs Medizin bedurfte4, hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt. Diese Feststellung bindet das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO.
Das Oberverwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass die Organe des beigeladenen Fachbereichs Medizin – das Dekanat mit Beschluss vom 21.01.2008 und der Fachbereichsrat mit Beschluss vom 27.05.2010 – wenn auch seiner Ansicht nach in rechtlich nicht tragfähiger Weise, so doch im tatsächlichen Sinne Einvernehmenserklärungen im Hinblick auf die von dem beklagten Universitätsklinikum beschlossene und umgesetzte Stationsschließung abgegeben, also nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zum Ausdruck gebracht haben, dass der beigeladene Fachbereich Medizin die Maßnahme inhaltlich mitträgt bzw. dass über sie völlige Willensübereinstimmung besteht5. Auch an diese Feststellung ist das Bundesverwaltungsgericht – nach § 137 Abs. 2 VwGO – gebunden6.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kann jedoch nicht angenommen werden, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffende Schließung der Station O. durch das beklagte Universitätsklinikum verstoße gegen die landesrechtlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. des § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW, deren Einhaltung der Kläger als medizinischer Hochschullehrer beanspruchen kann7. Mit Bundesverfassungsrecht unvereinbar ist die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass für das nach den genannten Vorschriften erforderliche Einvernehmen des beigeladenen Fachbereichs Medizin mit der Stationsschließungsentscheidung des beklagten Universitätsklinikums und damit für die Rechtmäßigkeit der Schließung der Station O. nicht die – von dem Oberverwaltungsgericht festgestellte – tatsächliche Erteilung durch eines der Fachbereichsorgane genüge, sondern eine von dem Universitätsklinikum nachzuprüfende Erteilung auf Grund eines von dem Fachbereich grundrechtskonform durchgeführten Verfahrens erforderlich sei. Hierdurch hat das Oberverwaltungsgericht Anforderungen gestellt, die den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen und den verfassungsrechtlich geschützten Interessen, die sich im Bereich der universitären Krankenversorgung gegenüberstehen, in nachhaltiger Weise stören. Der besagte Ausgleich gebietet auch unter Berücksichtigung des durch Art.19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes, dass der Kläger wegen der von ihm geltend gemachten Verletzung seiner Wissenschaftsfreiheit den beigeladenen Fachbereich Medizin im Wege der allgemeinen Leistungsklage auf eine Rücknahme des in tatsächlicher Weise erklärten Einvernehmens mit der Stationsschließung durch das Universitätsklinikum hätte in Anspruch nehmen müssen.
Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet die Wissenschaft – verstanden als Oberbegriff für Forschung und Lehre8 – als einen grundsätzlich von Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung. Zur Sicherung dieses Bereichs garantiert das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs9. Die Einflussmöglichkeiten, die mit dem Recht der an einer Hochschule tätigen Hochschullehrer auf Teilhabe an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs verbunden sind, dienen dem Schutz der Grundrechtsträger vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen, die ihre eigene Freiheit zu forschen und zu lehren gefährden können10. Die Hochschullehrer können überdies in materiell-rechtlicher Hinsicht beanspruchen, dass ihnen bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel diejenigen Personal- und Sachmittel zugewiesen werden, die sie überhaupt erst in die Lage versetzen, wissenschaftliche Forschung und Lehre zu betreiben. Grundrechtlich verbürgt ist die hiernach erforderliche Grund- oder Mindestausstattung11.
Für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergeben sich Besonderheiten aus dem Umstand, dass diesen neben Forschung und Lehre als Zusatzaufgabe die Krankenversorgung obliegt, die in den Universitätskliniken stattfindet. Das Bundesverfassungsgericht12 hat – zunächst noch im Hinblick auf Universitätskliniken, die nach dem betroffenen (hessischen) Landesrecht organisatorisch nicht verselbständigt waren – festgestellt, dass die Organisation der Krankenversorgung nicht ohne weiteres den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterliegt, die ansonsten im Bereich der Selbstverwaltung wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten und im Rahmen der Tätigkeit der Hochschullehrer in Forschung und Lehre Geltung beanspruchen, der Krankenhausbetrieb vielmehr im Interesse einer bestmöglichen Versorgung der Patienten eine gegenüber dem allgemeinen Wissenschaftsbetrieb der Universität straffere, die Verantwortlichkeiten klar abgrenzende und rasche Entscheidungen ermöglichende Organisation erfordert. Allerdings darf, da in der Humanmedizin Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung miteinander verflochten sind, das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch bei ihrer Tätigkeit in der Krankenversorgung nicht unberücksichtigt bleiben. Der Gesetzgeber muss vielmehr bei der Organisation der Universitätskliniken zwischen der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art.20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits einen angemessenen Ausgleich finden. Hierfür bedarf es geeigneter Koordinations- und Kooperationsmöglichkeiten und einer sachgerechten organisatorischen Verzahnung beider Funktionsbereiche.
Dass die in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2000 erlassenen Regelungen, durch die die Universitätskliniken organisatorisch verselbständigt und damit die medizinischen Fachbereiche von der unmittelbaren Verantwortung für eine effektive Krankenversorgung als solche entlastet wurden, den beschriebenen Ausgleich bei sachgerechter Auslegung erreichen und deshalb mit der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer vereinbar sind, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2002 entschieden13. Es hat dies durch die bereits genannten Kammerbeschlüsse bestätigt, die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen sind, das der Kläger gegen das beklagte Universitätsklinikum geführt hat. Tragend hierfür sind zwei Aspekte14.
Zum einen wird zwar die für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer relevante Unterscheidung zwischen universitärer Forschung und Lehre einerseits und der Krankenversorgung andererseits nach der Verselbständigung der Universitätskliniken auch in der Organisationsstruktur der Hochschulmedizin sichtbar. Dabei sichert es jedoch die Wissenschaftsfreiheit, dass die Aufgabe medizinischer Forschung und Lehre in erster Linie bei den Universitäten und dort bei den medizinischen Fachbereichen verblieben ist. Die Fachbereiche, als diejenigen universitären Organisationseinheiten, über deren Organe die Hochschullehrer Einfluss innerhalb des organisierten Wissenschaftsbetriebs ausüben können, entscheiden gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 27 Abs. 1 Satz 3, § 31b Abs. 2 HG NW insbesondere über die für Forschung und Lehre vorgesehenen Stellen und Mittel. Die Universitätskliniken haben insoweit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW nur eine dienende Funktion. Ihre Entscheidungskompetenzen beziehen sich vor allem auf die Organisation der Krankenversorgung mit dem Ziel, den dort bestehenden Effektivitätsanforderungen gerecht zu werden.
Zum anderen wird im Rahmen dieser Aufgaben- und Verantwortungsteilung die primäre Zuständigkeit der medizinischen Fachbereiche für die Wissenschaftsfreiheit dadurch organisatorisch gewährleistet, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW Entscheidungen der verselbständigten Universitätskliniken im Bereich der Krankenversorgung, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen der medizinischen Fachbereiche rückgebunden sind. In Gestalt dieses Einvernehmenserfordernisses hat der Landesgesetz- bzw. Landesverordnungsgeber den Fachbereichen das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Instrument zur Verfügung gestellt, das es ihnen ermöglicht, die Erfordernisse, die sich aus der Grundrechtswahrnehmung der medizinischen Hochschullehrer ergeben, in den Verantwortungsbereich der verselbständigten Universitätskliniken zu transportieren. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich damit als eine andere Art des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Teil des Klinikumsbetriebs dar. Ihm kommt eine Sicherungsfunktion für die Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer zu. Diese können ihren grundrechtlich garantierten Einfluss mittels der Einvernehmensregelung über die Fachbereichsorgane auch auf wissenschaftsrelevante Maßnahmen der Universitätskliniken ausüben. Durch die Handhabung dieser Regelung können die Fachbereiche zudem den materiellen (Grund-)Ausstattungsansprüchen der Hochschullehrer gegenüber den Universitätskliniken zum Durchbruch verhelfen.
Das auf diese Weise strukturierte landesrechtliche Regelungssystem kann seine auf Grund bundesverfassungsrechtlicher Vorgabe beruhende Ausgleichsfunktion indes nur erfüllen, wenn sich die Universitätskliniken, was die Wahrung der Belange von Forschung und Lehre in der Krankenversorgung anbelangt, auf ihre dienende Funktion nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW beschränken können, wie andererseits auch die medizinischen Fachbereiche von ihrer unmittelbaren Verantwortung für die Krankenversorgung jenseits ihres mit Forschung und Lehre verflochtenen Bereichs entlastet sind. Dafür ist es unabdingbar, dass die medizinischen Fachbereiche die alleinige Verantwortung für die Grundrechtskonformität ihrer Einvernehmensbeschlüsse im Hinblick auf die den Bereich von Forschung und Lehre betreffenden Klinikentscheidungen haben, die Universitätskliniken hingegen die Erklärungen durch eines der Organe der medizinischen Fachbereiche über die Erteilung oder Nichterteilung des Einvernehmens im tatsächlichen Sinne als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ihrer Entscheidungen übernehmen können und müssen und die Fachbereichsbeschlüsse weder – wie von dem Oberverwaltungsgericht gefordert15 – auf ihr grundrechtswahrendes Zustandekommen im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer noch – weitergehend – auf ihre materielle Vereinbarkeit mit diesem Grundrecht, insbesondere mit dem Recht auf eine für die wissenschaftliche Betätigung erforderliche Grundausstattung zu überprüfen haben. Die für die Universitätskliniken handelnden Vorstände wären einer solchen Kontrollaufgabe schon von ihrer nach § 5 Abs. 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 5 HG NW speziell auf die effektive Bewältigung der Krankenversorgung ausgerichteten personellen Zusammensetzung her nicht gewachsen. Würden sie mit dieser Aufgabe zur Kontrolle belastet und hätten sie für deren Ergebnis einzustehen, würden die mit der organisatorischen Verselbständigung der Universitätskliniken verbundenen Effektivitätsgewinne für die Krankenversorgung weitgehend zunichte gemacht, mit entsprechenden Gefahren für die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art.20 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter.
Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass einer tatsächlichen Einvernehmenserteilung durch einen medizinischen Fachbereich auch dann Relevanz zukommt, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem die Klinikumsentscheidung, auf die sich das Einvernehmen bezieht, bereits – jedenfalls teilweise – vollzogen worden ist16. Auch insoweit darf das Universitätsklinikum nicht mit der Prüfung belastet werden, ob das tatsächlich erteilte Einvernehmen noch eine Schutzwirkung zu Gunsten der Wissenschaftsfreiheit der von der Entscheidung betroffenen medizinischen Hochschullehrer entfalten kann.
Durch die beschriebene alleinige Verantwortlichkeit der medizinischen Fachbereiche für die Grundrechtskonformität ihres tatsächlich erklärten Einvernehmens zu den wissenschaftsrelevanten Entscheidungen der Universitätskliniken wird ein medizinischer Hochschullehrer, der sich – wie der Kläger – durch eine Klinikumsentscheidung in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt sieht, nicht an der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art.19 Abs. 4 GG gehindert.
Solange der medizinische Fachbereich ein erforderliches Einvernehmen auch im tatsächlichen Sinne nicht erteilt hat, kann der Hochschullehrer von dem Universitätsklinikum im Wege der allgemeinen Leistungsklage Unterlassung verlangen bzw. diesem das fehlende Einvernehmen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO entgegenhalten. Gegebenenfalls muss er durch ein zusätzliches, gegen den Fachbereich gerichtetes (Eil-)Verfahren zu erreichen suchen, dass der dem Dekan vorbehaltene Antrag auf eine Schlichtungsentscheidung des Aufsichtsrats des Universitätsklinikums nach § 2 Abs. 2 Satz 4 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 4 UKVO NW nicht gestellt und dadurch die Klinikumsentscheidung blockiert wird17.
Hat jedoch der Fachbereich – wie im vorliegenden Fall – sein Einvernehmen im tatsächlichen Sinne erteilt, muss der Hochschullehrer diesen mit einer allgemeinen Leistungsklage darauf in Anspruch nehmen, das erteilte Einvernehmen zurückzunehmen und dadurch dem Universitätsklinikum die Grundlage für die Rechtmäßigkeit seiner Forschung und Lehre betreffenden Entscheidung zu entziehen. Ein solcher actus contrarius ist – vorbehaltlich von durch den Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen – im Fall einer die Wissenschaftsfreiheit verletzenden Einvernehmenserteilung wegen der grundrechtlichen Sicherungsfunktion des Einvernehmenserfordernisses geboten18. Zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes steht wiederum das Verfahren nach § 123 VwGO zur Verfügung.
Die Annahme einer andauernden Verletzung von Rechten des Klägers als Grundlage für einen gegen das beklagte Universitätsklinikum gerichteten Anspruch auf Folgenbeseitigung in Form der Rückgängigmachung der Stationsschließung stellt sich nicht im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar. Der Kläger kann diesen Anspruch weder auf eine Verletzung einer durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Amtsposition noch auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG stützen.
Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, das Universitätsklinikum habe die Station O. nicht schließen dürfen, weil hierdurch sein durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützter Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung als beamteter Hochschullehrer und Chefarzt einer nuklearmedizinischen Klinik eines Universitätsklinikums verletzt werde, der die Führung einer auf dem Klinikgelände gelegenen Bettenstation, in der auch Risikopatienten zur ärztlichen Versorgung und Fortentwicklung der nuklearmedizinischen Forschung und Lehre aufgenommen werden könnten, umfasse. Der Kläger kann hiermit nicht durchdringen, weil die Erfüllung seines Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung nicht dem beklagten Universitätsklinikum obliegt. Verpflichtet nach diesem Anspruch ist stets nur der Dienstherr19, im Fall des Klägers also die beigeladene Universität (§ 2 Abs. 3 HG NW i.V.m. mit den Überleitungsregelungen in Art. 7 des Hochschulfreiheitsgesetzes, HFG NW vom 31.10.2006, GV.NRW. S. 474).
Unabhängig hiervon berührt der Einwand des Klägers die Rechtmäßigkeit der Stationsschließung durch das beklagte Universitätsklinikum auch deshalb nicht, weil er sich der Sache nach auf die Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit der Gewährleistung der für eine wissenschaftliche Betätigung erforderlichen Grundausstattung bezieht, die in materieller Hinsicht in dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als dem gegenüber Art. 33 Abs. 5 GG vorrangigen Prüfungsmaßstab20 enthalten ist. Der Verpflichtung, die Vereinbarkeit der Stationsschließung mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zu überprüfen und dafür einzustehen, war das Universitätsklinikum indes, wie dargelegt, in Anbetracht des von dem beigeladenen Fachbereich Medizin tatsächlich erteilten Einvernehmens enthoben.
Ebenso wenig kann der Kläger mit Erfolg eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG durch die von dem beklagten Universitätsklinikum vorgenommene Stationsschließung geltend machen. Seine insoweit vorgebrachte Rüge, ihm sei als einzigem Ordinarius für Nuklearmedizin oder Chefarzt einer nuklearmedizinischen Klinik bzw. einer Klinik des beklagten Universitätsklinikums die für die Aufgabenerfüllung im Kernbereich seines Fachs erforderliche Bettenstation entzogen worden, wofür zudem nicht tragfähige wirtschaftliche Gründe benannt worden seien, betrifft im Kern wiederum die Problematik der für eine wissenschaftliche Betätigung erforderlichen Grundausstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, wenn auch ergänzt um eine Einschätzung der in dem beklagten Universitätsklinikum bestehenden wirtschaftlichen Situation. Auf eine Einbeziehung der auf diese Art beschriebenen Problematik in das Prüfprogramm, das das beklagte Universitätsklinikum in Bezug auf die Schließung der Station O. zu bewältigen hatte, kann sich der Kläger nicht berufen, weil sie durch das tatsächliche Einvernehmen des beigeladenen Fachbereichs Medizin abgedeckt und im Übrigen nicht von einem subjektiven Recht des Klägers unterfangen war.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. März 2014 – 6 C 8.2013 –
- GV.NRW. S.190[↩]
- GV.NRW S. 474[↩]
- GV.NRW. S. 744[↩]
- vgl. dazu im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes: BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.02.2010 – 1 BvR 1165/08 30[↩]
- vgl. zu diesem Sprachsinn: BVerwG, Urteile vom 30.11.1978 – 2 C 6.75, BVerwGE 57, 98, 101 = Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 2 S. 3; und vom 29.04.2004 – 3 C 25.03, BVerwGE 121, 1, 5 = Buchholz 451.74 § 9 KHG Nr. 9 S. 5[↩]
- zum tatsächlichen Charakter der Ermittlung des Erklärungsinhalts eines behördlichen Mitwirkungsakts in einem Verwaltungsverfahren: Urteile vom 30.11.1978 a.a.O. S. 102 bzw. S. 3; und vom 05.05.1998 – 1 C 17.97, BVerwGE 106, 351, 355 = Buchholz 402.240 § 45 AuslG Nr. 13 S. 29[↩]
- zu dieser Schutzfunktion im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes: BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.11.2007 – 1 BvR 1736/07 29[↩]
- BVerfG, Urteil vom 29.05.1973 – 1 BvR 424/71 u.a., BVerfGE 35, 79, 113[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 26.10.2004 – 1 BvR 911/00 u.a., BVerfGE 111, 333, 354; und vom 20.07.2010 – 1 BvR 748/06, BVerfGE 127, 87, 115; BVerwG, Urteil vom 26.09.2012 – 6 CN 1.11, BVerwGE 144, 195 = Buchholz 11 Art. 5 Abs. 3 GG Nr. 3 Rn. 21[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 26.10.2004 a.a.O. S. 354, 356; und vom 20.07.2010 a.a.O. S. 115, 117; Kammerbeschluss vom 01.02.2010 a.a.O. Rn. 25[↩]
- BVerfG, Urteil vom 08.02.1977 – 1 BvR 79/70 u.a., BVerfGE 43, 242, 285, Beschlüsse vom 08.07.1980 – 1 BvR 1472/78, BVerfGE 54, 363, 390; und vom 26.10.2004 a.a.O. S. 362, Kammerbeschluss vom 15.09.1997 – 1 BvR 406/96 u.a., NVwZ-RR 1998, 175[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 08.04.1981 – 1 BvR 608/79, BVerfGE 57, 70, 96 ff.[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.11.2002 – 1 BvR 2145/01 u.a., NVwZ 2003, 600[↩]
- vgl. zum Folgenden: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 11.11.2002 a.a.O. S. 601; vom 27.11.2007 – 1 BvR 1736/07 27 ff.; vom 02.07.2008 – 1 BvR 1165/08 25 ff.; und vom 01.02.2010 – 1 BvR 1165/08 28 f.[↩]
- im Ansatz ebenso: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.2012 – 9 S 2752/11 – DVBl 2013, 326, 328[↩]
- a.A.: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.2012 a.a.O. S. 329[↩]
- vgl. dazu: Böhmann, in: Leuze/Epping, HG NW, Bd. 2, Stand November 2012, § 31a Rn. 70; Pallme König, WissR, Beiheft 17, 2006, 63, 91, 101 f.[↩]
- entsprechend zur Maßgeblichkeit des Fachrechts für die Rücknahme des Mitwirkungsakts bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt: BVerwG, Urteil vom 12.12 1996 – 4 C 24.95, Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 51 S. 2 – verneinend; Urteil vom 23.09.2004 – 2 C 37.03, BVerwGE 122, 58, 62 ff. = Buchholz 230 § 123 BRRG Nr. 5 S. 6 ff. – bejahend[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.06.2006 – 2 C 26.05, BVerwGE 126, 182 = Buchholz 11 Art. 143b GG Nr. 3 Rn. 11 f.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 28.10.2008 – 1 BvR 462/06, BVerfGE 122, 89, 119[↩]