Ein Beamter der Bundespolizei, der an das Auswärtige Amt abgeordnet und der Deutschen Botschaft in Bagdad als Personenschützer zugeteilt wird, leistet während der über seine reguläre Arbeitszeit und festgesetzte Mehrarbeit hinausgehenden Anwesenheitszeiten auf dem Botschaftsgelände nicht allein deshalb Bereitschaftsdienst, weil es ihm aus Gründen der Fürsorge nach § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 GAD untersagt ist, das Botschaftsgelände zu verlassen.

Nach § 88 Satz 2 BBG ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren, wenn der Beamte durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht worden ist. Anordnung und Genehmigung von Mehrarbeit sind Ermessensentscheidungen, die der Dienstherr unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände zu treffen hat. Der Dienstherr hat dabei zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchen Beamten sie übertragen werden soll1.
Zieht der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten Arbeitszeit zum Dienst heran oder nimmt ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind, so ist diese Inanspruchnahme rechtswidrig (Zuvielarbeit). Soweit das jeweils maßgebliche Bundes- oder Landesbeamtenrecht keine Regelung dazu enthält, ob und in welchem Umfang eine solche Inanspruchnahme auszugleichen ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass derartige Zuvielarbeit folgenlos bleibt. Vielmehr ist die im Einzelfall einschlägige Vorschrift – im vorliegenden Fall § 88 Satz 2 BBG – nach Treu und Glauben in einer Weise zu ergänzen, die die Interessen des Beamten und des Dienstherrn auch bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des Beamten zu einem billigen Ausgleich bringt und dabei dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung gerecht wird. Beamte, die von Zuvielarbeit betroffen sind, haben deshalb einen Anspruch auf angemessene Dienstbefreiung2.
Der Billigkeitsanspruch kommt indes nur für rechtswidrige Zuvielarbeit in Betracht, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wurde. Zwar hängen normativ geregelte Ansprüche im Beamtenrecht nicht von einer Antragstellung ab. Geht es jedoch um (nationalrechtliche) Ausgleichsansprüche, die – wie der Anspruch auf Zeitausgleich bei rechtswidriger Zuvielarbeit – nicht im Gesetz geregelt sind, bedarf es einer Geltendmachung im Sinne einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten. Diese Rügeobliegenheit dient dazu, eine Prüfung des Dienstherrn mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen, und die Dienstpläne entsprechend anzupassen. Zugleich muss sich der Dienstherr darauf einstellen können, dass ab diesem Zeitpunkt möglicherweise Ausgleichsansprüche auf ihn zukommen. Insofern folgt die Rügeobliegenheit aus der allgemein bei Rechtsverletzungen geltenden Schadensminderungspflicht des Gläubigers. Sie ist zugleich Ausdruck des Grundsatzes, dass Beamte auf die finanziellen Belastungen des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht nehmen müssen. Die Verpflichtung des Beamten, dies zu rügen, gilt auch dann für den Ausgleichsanspruch, wenn er durch einen – bereits einfachen – Verstoß gegen Unionsrecht ausgelöst wird3.
Danach steht dem Beamten ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben in Verbindung mit § 88 Satz 2 BBG nicht zu. Denn er hat erstmals mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2011, also nach Beendigung der vermeintlichen Zuvielarbeit, Ausgleichsansprüche geltend gemacht. Zwar sind an die vorherige Rüge keine hohen Anforderungen zu stellen und bedarf es insbesondere keines Antrags auf Freizeitausgleich im rechtstechnischen Sinn. Der Beamte muss jedoch schriftlich zumindest zum Ausdruck bringen, dass er die wöchentliche Arbeits-zeit für zu hoch festgesetzt hält oder seiner Auffassung nach eine rechtswidrige Heranziehung zum Dienst über die rechtmäßig festgesetzte Arbeitszeit hinaus vorliegt4, und was der Grund seiner Beanstandung ist5. Der Beamter wäre deshalb gehalten gewesen, seine Vorgesetzten bei der Deutschen Botschaft in Bagdad schriftlich darauf hinzuweisen, dass und weshalb er die über die festgesetzte Mehrarbeitszeit hinausgehenden Zeiten seiner Anwesenheit auf dem Botschaftsgelände gleichfalls als (volle) Arbeitszeit ansieht. Denn nur ein solcher Hinweis hätte es – den Rechtsstandpunkt des Beamters als zutreffend unterstellt – dem Auswärtigen Amt als Abordnungsdienststelle ermöglicht, durch eine andere Regelung der Aufgaben oder andere organisatorische Gestaltung des Dienstbetriebs Abhilfe zu schaffen. Dieser Hinweispflicht ist der Beamter nicht nachgekommen.
Der Beamter hat seiner Rügeobliegenheit auch nicht dadurch genügt, dass er Nummer 10 der von ihm vor der Dienstaufnahme unterzeichneten „Erklärung“ gestrichen hat. Diese bezog sich allein auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der ausdrücklich angeordneten Mehrarbeit, nicht hingegen auf die darüber hinausgehenden Präsenzzeiten auf dem Botschaftsgelände und deren (angestrebte) rechtliche Bewertung nicht als Rufbereitschaft, sondern als Bereitschaftsdienst.
Dem Beamten steht auch kein von einer vorherigen Rüge unabhängiger unionsrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung6 zu7. Zwar ist die Richtlinie 2003/88/EG auf ihn anwendbar. Die über die reguläre Arbeitszeit und die festgesetzte Mehrarbeit hinausgehenden Zeiten seiner Anwesenheit auf dem Gelände der Deutschen Botschaft in Bagdad sind jedoch nicht als der Arbeitszeit im Sinn von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG zuzurechnende Zeiten eines Bereitschaftsdienstes anzusehen.
Die Richtlinie 2003/88/EG ist auf den Dienst bei der Bundespolizei, auch soweit er die Erfüllung von Personen- und Objektschutzaufgaben für das Auswärtige Amt in deutschen Auslandsvertretungen betrifft, grundsätzlich anwendbar. Nach ihrem Art. 1 Abs. 3 gilt die Richtlinie 2003/88/EG unbeschadet ihrer Art. 14, 17, 18 und 19 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12.06.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit8. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, wonach diese Richtlinie keine Anwendung findet, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, zum Beispiel bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen, ist eng auszulegen9. Ausgenommen sind nicht die Dienste als solche, sondern nur bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben, die wegen der unbedingten Notwendigkeit, einen wirksamen Schutz des Gemeinwesens zu gewährleisten, eine Ausnahme von den Vorschriften der Richtlinie rechtfertigen. Hierunter fallen lediglich Natur- oder Technologiekatastrophen, Attentate, schwere Unglücksfälle oder andere Ereignisse gleicher Art, deren Schwere und Ausmaß Maßnahmen erfordern, die zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit des Gemeinwesens unerlässlich sind und deren ordnungsgemäße Durchführung in Frage gestellt wäre, wenn alle Vorschriften der Richtlinien beachtet werden müssten10.
Das Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht festzustellen, dass eine Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG wegen Besonderheiten der vom Beamten konkret ausgeübten Tätigkeit ausgeschlossen wäre. Das Vorbringen der Beteiligten zu den von ihm – regelmäßig im Personenschutzdienst auf der Grundlage eines lagebezogen aktualisierten Dienstplans, einzelfallabhängig bei der Unterstützung des HOD – wahrgenommenen Aufgaben lässt nicht erkennen, dass diese wegen der unbedingten Notwendigkeit, einen wirksamen Schutz des Gemeinwesens zu gewährleisten, eine Ausnahme von den Vorschriften der Richtlinie rechtfertigen könnten. Im Übrigen geht auch das Bundespolizeipräsidium von einer Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/88/EG auf den Beamten aus, wie der Verweis auf die – die Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG rezipierende – Arbeitszeitverordnung in der von den an das Auswärtige Amt abgeordneten Polizeibeamten vor Aufnahme des Dienstes bei der Auslandsvertretung zu unterzeichnenden „Erklärung“ zeigt.
Arbeitszeit im Sinn der Richtlinie 2003/88/EG ist nach deren Art. 2 Nr. 1 jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeiten ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Unter Ruhezeit ist demgegenüber jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit zu verstehen (Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie). Beide – autonom auszulegenden – Begriffe schließen einander aus11. Der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zufolge fallen dabei Zeiten, die von Bediensteten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort abgeleistet werden, unabhängig davon unter den Begriff der Arbeitszeit im Sinn der Richtlinie, welche Arbeitsleistungen während dieses Dienstes tatsächlich erbracht werden12; entscheidend für diese Annahme sei der Umstand, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sei, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich zu dessen Verfügung zu halten, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Die Abgrenzung der beiden Begrifflichkeiten ist unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der Richtlinie vorzunehmen, der darin besteht, Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung der Arbeitnehmer aufzustellen13.
Der Bundesgesetzgeber hat die unionsrechtlichen Vorgaben in der Arbeitszeitverordnung umgesetzt und konkretisiert. Danach ist der voll zur Arbeitszeit zählende Bereitschaftsdienst (§ 13 AZV) von nicht als Arbeitszeit anzusehenden Zeiten der Rufbereitschaft (§ 12 AZV) abzugrenzen. Der Bereitschaftdienst wird definiert als die Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen (§ 2 Nr. 12 AZV). Rufbereitschaft ist demgegenüber die Pflicht, sich außerhalb des Arbeitsplatzes bereitzuhalten, um bei Bedarf sofort zu Dienstleistungen abgerufen werden zu können (§ 2 Nr. 11 AZV). Arbeitsplatz ist dabei grundsätzlich die Dienststelle oder ein von dem Dienstvorgesetzten bestimmter Ort, an dem Dienst zu leisten ist (§ 2 Nr. 4 AZV).
Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgehend vom allgemeinen; und vom Normgeber rezipierten arbeitszeitrechtlichen Verständnis des Begriffs des Bereitschaftsdienstes im Beamtenrecht für die Abgrenzung insbesondere zur Rufbereitschaft für (allein) maßgeblich erachtet, ob der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat, wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist14.
Hieran gemessen sind die über die reguläre Arbeitszeit und die festgesetzte Mehrarbeit hinausgehenden Anwesenheitszeiten des Beamters auf dem Gelände der Deutschen Botschaft in Bagdad nicht als der Arbeitszeit zuzurechnende Zeiten des Bereitschaftsdienstes anzusehen. Der Beamter hatte während dieser Zeiten nicht typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen, die ihnen das für die Einordnung als Bereitschaftsdienst maßgebliche Gepräge eines Bereithaltens für eine jederzeit mögliche dienstliche Inanspruchnahme hätten geben können. Diese Zeiten stellen sich bei wertender Betrachtung vielmehr als Form der Rufbereitschaft dar, für die die Bundespolizei auf Grundlage der von der Botschaft getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei nach § 12 Satz 2 AZV 148, 6 Stunden Freizeitausgleich gewährt hat.
Allerdings besteht vorliegend die Besonderheit, dass während des Abordnungszeitraums des Beamters allen aus Deutschland an die Deutsche Botschaft in Bagdad entsandten Beschäftigten grundsätzlich untersagt war, das Botschaftsgelände zu verlassen. Es handelt sich hierbei um eine rechtlich nicht zu beanstandende Maßnahme der Krisenfürsorge nach § 25 GAD15, die nach § 13 Abs. 1 GAD auch für die an das Auswärtige Amt abgeordneten Angehörigen der Bundespolizei gilt, mithin auch für Personenschutzbeamte wie den Beamten. Diese Beamten stehen deshalb prinzipiell für eine jederzeitige dienstliche Inanspruchnahme zur Verfügung, weil sie den dienstlichen Bereich nicht verlassen und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht entziehen können. Dass der Bereich, in dem sich die Beamten während der über die reguläre Arbeitszeit und die festgesetzte Mehrarbeit hinausgehenden Anwesenheitszeiten aufzuhalten haben („Compound“), von der eigentlichen Dienststelle räumlich getrennt liegt und deshalb keinen Arbeitsplatz im Sinn des § 2 Nr. 4 AZV darstellt, ändert hieran nichts.
Dieser Umstand führt indes für sich genommen noch nicht dazu, dass sämtliche Anwesenheitszeiten des Beamters auf dem Botschaftsgelände als Bereitschaftsdienst anzusehen wären. Zur Möglichkeit der jederzeitigen dienstlichen Inanspruchnahme hinzukommen muss, dass dienstliche Einsätze der Beamten während dieser Zeiten zur Wahrnehmung regelmäßig anfallender dienstlicher Aufgaben unabdingbar oder doch vom Dienstherrn eingeplant sind. Dies beurteilt sich nach der Art der Aufgaben und der organisatorischen Gestaltung des Dienstbetriebs. Es kommt deshalb maßgeblich auf die im Regelfall zu erwartende Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme der Personenschutzbeamten während der über die reguläre Arbeitszeit und die festgesetzte Mehrarbeit hinausgehenden Anwesenheitszeiten an. Danach entscheidet sich, ob während dieser Zeiten typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen ist, die ihnen das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz geben, oder ob sich diese Zeiten bei wertender Betrachtung als Freizeit oder eine Form der Rufbereitschaft darstellen, die allenfalls sporadisch von Einsätzen unterbrochen wird16.
Ausgehend hiervon vermag das Verwaltungsgerichtshof die vom Bundespolizeipräsidium in der Bescheinigung über die geleistete Mehrarbeit vom 12.08.2011 als „Rufbereitschaft“ bezeichneten Anwesenheitszeiten des Beamters auf dem Botschaftsgelände nicht als Bereitschaftsdienst anzusehen. Denn nach der Art der von den Personenschutzbeamten wahrgenommenen Aufgaben und der organisatorischen Gestaltung des Dienstbetriebs waren dienstliche Einsätze des Beamters während dieser Zeiten weder unabdingbar noch von der Botschaftsleitung eingeplant.
Dies wird, soweit es das „Kerngeschäft“ der Personenschutzbeamten – den Schutz des Botschafters, bei dessen Abwesenheit seines Vertreters im Amt oder einer sonstigen Schutzperson – betrifft; vom Beamten nicht in Abrede gestellt. Wenngleich der Personenschutz grundsätzlich alle Maßnahmen umfasst, die zur Verhinderung oder Abwehr von Angriffen gegen eine gefährdete Person getroffen werden, beschränkte sich der Auftrag des grundsätzlich aus zehn Beamten bestehenden Personenschutzteams bei der Botschaft in Bagdad im maßgeblichen Zeitraum regelmäßig darauf, für die Sicherheit der Schutzperson bei Außenterminen zu sorgen. Sobald sich die Schutzperson auf dem Botschaftsgelände befand, waren hingegen die HOD-Kräfte für die Sicherheit zuständig. Fahrtbewegungen der Schutzperson anlässlich eines Außentermins mussten grundsätzlich einen Tag vorher angemeldet werden und fanden zur Nachtzeit nicht statt. Zu den Aufgaben der Personenschützer gehörten insoweit neben der eigentlichen, in der Regel von fünf bis sieben Beamten wahrgenommenen Fahrtbegleitung etwaige vorherige Erkundigungsfahrten, die Besetzung der Einsatzzentrale mit in der Regel zwei Beamten – und je nach Lage das Bereithalten zusätzlicher Kräfte – während der Ausfahrten sowie Nachbereitungsarbeiten und Materialpflege. Zudem hatte das anwesende Personenschutzteam ein neu ankommendes Personenschutzteam in die Aufgaben einzuweisen. Die Personenschutzbeamten leisteten angesichts der prinzipiellen Planbarkeit dieser Aufgaben ihren Dienst nach Maßgabe eines Dienstplans, den der Leiter des jeweiligen Personenschutzteams (Kommandoführer) anhand des Terminkalenders des Botschafters oder seines Vertreters im Amt erstellte und der im Hinblick auf kurzfristig wahrzunehmende Termine der Schutzperson fortlaufend aktualisiert wurde; einen Schichtdienst gab es nicht. Wenn und soweit bei der Erfüllung dieser Aufgaben Tätigkeiten über die tägliche Regelarbeitszeit hinausgingen oder außerhalb der Regelarbeitszeit oder am Wochenende anfielen, wurden sie als Mehrarbeit qualifiziert, die vom Botschafter unter dem 25.05.2011 generell angeordnet worden war. Eines Rückgriffs auf die nach dem Dienstplan nicht eingeteilten, sich in „Rufbereitschaft“ befindlichen Personenschutzbeamten bedurfte es im Regelfall nicht, weshalb diese auch nicht typischerweise damit rechnen mussten, zur Erfüllung dieser Aufgaben herangezogen zu werden. Soweit der Beamter vorträgt, dass der Botschafter in die Schutzmaßnahme 1 („permanenter Personenschutz, mit einem Anschlag ist zu rechnen“) eingestuft gewesen sei, folgt hieraus ebenfalls nicht seine notwendige ständige Einsatzbereitschaft, da für die Sicherheit des Botschafters vorrangig zwei als „Bodyguards“ eingesetzte Personenschutzbeamte zuständig waren.
Aber auch, soweit es die grundsätzlich von den HOD-Kräften wahrzunehmenden Aufgaben betrifft, war im maßgeblichen Zeitraum eine regelmäßige Inanspruchnahme des Beamters während der „Rufbereitschaft“ weder unabdingbar noch von der Botschaftsleitung eingeplant. Dem HOD obliegt die Abwehr von Gefahren, denen das Botschaftsgelände und das darauf befindliche Personal ausgesetzt sind. Zu den wesentlichen Aufgaben des HOD gehören neben dem Schutz des Botschafters, seines Vertreters im Amt oder sonstiger Schutzpersonen, wenn sich diese auf dem Botschaftsgelände befinden, die Überwachung der Sicherheitskontrollen und die Koordinierung der Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei. Weiterhin ist er zuständig für den sicherheitstechnischen Ablauf bei Veranstaltungen in der Botschaft, das heißt eine kontrollierte An- und Abreise der Gäste und ihres Personals sowie einen störungsfreien Ablauf der Veranstaltung. Nach dem – vom Beamten bestätigten – Vorbringen des Bundespolizeipräsidiums waren zur Erfüllung dieser Aufgaben im Zeitraum vom 25.05.2011 bis 13.08.2011 stets zwei, zeitweise auch drei HOD-Kräfte an die Botschaft in Bagdad entsandt worden, wurden zum Schutz des Botschaftsgeländes zusätzlich etwa 100 Ortssicherheitskräfte eingesetzt und waren hierfür nach Art. 22 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.196117 in der Regel 16 irakische Polizeikräfte abgestellt. Angesichts dieses Bestandes an originären HOD-Kräften wurden die von diesen wahrzunehmenden Aufgaben jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum nicht (mehr) regelmäßig auch noch von Personenschutzbeamten wahrgenommen. Diese wurden lediglich in Einzelfällen, etwa bei Großveranstaltungen in der Botschaft, zu Unterstützungsleistungen herangezogen. Hingegen sind Bereitschaftsdienste ausschließlich zur Unterstützung und Verstärkung des HOD nicht angeordnet worden. Der Beamter selbst hat dem entsprechend in der Zeit vom 25.05.2011 bis 13.08.2011 insgesamt lediglich 16 Stunden „Haus-Ordnungsdienst/Interne Veranstaltungen/Pförtnerdienst“, verteilt auf sechs Einsatztage im Rahmen seines Regeldienstes, für den HOD erbracht, die regulär als Volldienst anerkannt und angerechnet wurden. Er musste nach alledem während der Zeiten der „Rufbereitschaft“ nach den insoweit maßgeblichen üblichen Umständen16 nicht, jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang mit seiner Inanspruchnahme zur Erfüllung der von den HOD-Kräften wahrzunehmenden Aufgaben rechnen. Bei wertender Betrachtung handelte es sich allenfalls um sporadische Einsätze, wie dies für die Annahme von Rufbereitschaft im Rechtssinn typisch ist.
Entgegen der Auffassung des Beamters gebietet auch die Gewährleistung des Schutz- und Sicherheitskonzepts der Botschaft vor dem Hintergrund der allgemeinen Sicherheitslage während seines Abordnungszeitraums nicht, seine über die reguläre Arbeitszeit und die festgesetzte Mehrarbeit hinausgehenden Anwesenheitszeiten auf dem Botschaftsgelände als Bereitschaftsdienst zu qualifizieren, da er während dieser Zeiten nicht in nennenswertem Umfang mit einer Alarmierung und sofortigen Einsatzübernahme rechnen musste.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die vom Beamten vorgetragene Einbindung der Personenschutzbeamten in das Schutz- und Sicherheitskonzept der Botschaft, Einbeziehung in „Alarmpläne zur Bewältigung von Sofortlagen“ und Einbindung in den HOD im Alarmfall als solche für die Annahme, die Personenschutzbeamten hätten in den Zeiten der „Rufbereitschaft“ typischerweise mit nennenswerten Einsätzen rechnen müssen, nichts hergeben. Es genügt insoweit nicht, dass – wie der Prozessbevollmächtigte des Beamters in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat – bei einem Alarmfall ein Automatismus ausgelöst worden wäre und sich die Personenschutzbeamten in Vorbereitung hierauf gleichsam in einer permanenten „Hab-Acht-Stellung“ befunden hätten. Maßgeblich ist vielmehr, wie oft es in einem überschaubaren, repräsentativen Zeitraum18 tatsächlich zu derartigen Einsätzen gekommen ist, weil nur dies einen Rückschluss darauf zulässt, ob die in „Rufbereitschaft“ befindlichen Personenschutzbeamten in prognostisch verlässlicher Regelmäßigkeit mit einer Alarmierung und einer sofortigen Einsatzübernahme haben rechnen müssen19. Für das Verwaltungsgerichtshof bestand deshalb kein Anlass, den Beweisanregungen des Beamters auf Vernehmung zweier ehemaliger Botschafter, des Sicherheitsbeauftragten der Botschaft und mehrerer Personenschutz- und HOD-Kräfte sowie auf Vorlage der Rahmenkonzeption „Schutz deutscher Auslandsvertretungen in Afghanistan und Irak“, des Schutz- und Sicherheitskonzepts der Deutschen Botschaft in Bagdad und des Alarmplans für die Deutsche Botschaft in Bagdad nachzugehen.
Tatsächliche Alarmfälle sind indes nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten während des Abordnungszeitraums des Beamters überhaupt nicht, außerhalb dieses Zeitraums allenfalls vereinzelt aufgetreten. Das Bundespolizeipräsidium hat zwar eingeräumt, dass sich im Zeitraum von Mai bis August 2011 in Bagdad im Botschaftsviertel Mansur 52 sicherheitsrelevante Vorfälle in einem 2, 5-km-Umkreis der Deutschen Botschaft ereigneten. Allerdings war keiner dieser Vorfälle unmittelbar gegen die Botschaft gerichtet und fanden auch im unmittelbaren Nahbereich der Botschaft keine Anschläge statt. Nach dem – unbestrittenen – Vorbringen des Bundespolizeipräsidiums hat es deshalb im hier maßgeblichen Zeitraum keinen meldepflichtigen Sachverhalt gegeben, der eine Alarmierung der Personen- oder HOD-Schutzkräfte ausgelöst hätte. Auch außerhalb dieses Zeitraums ereignete sich der Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle nicht in unmittelbarer Nähe zur Botschaft, weshalb diese hiervon in der Regel erst nachträglich von dritter Seite Kenntnis erlangte. Lediglich einmal, am 04.04.2010, ist die Botschaft unmittelbar Ziel eines Anschlags gewesen. Der Beamter hat dementsprechend auch weder behauptet noch unter Beweis gestellt, dass er oder andere Personenschutzbeamte aufgrund konkreter Vorfälle aus der „Rufbereitschaft“ heraus zu Personenschutzeinsätzen oder zur Unterstützung des HOD herangezogen worden wären. Er selbst hat hierzu bei seiner Befragung im erstinstanzlichen Verfahren angegeben, in den Zeiten seiner „Rufbereitschaft“ nicht zu einem Einsatz herangezogen worden zu sein. Das Bundespolizeipräsidium hat zudem – anlässlich vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten protokollierte – Äußerungen von zwei anderen an die Botschaft in Bagdad entsandten Personenschutzbeamten vorgelegt, wonach während dieser Zeiträume „kein kurzfristiger Personenschutzeinsatz aus der Rufbereitschaft heraus durchgeführt“ worden sei beziehungsweise es „keine Anschläge unmittelbar auf die Botschaft … gegeben“ habe. Damit aber fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass die in „Rufbereitschaft“ befindlichen Personenschutzbeamten in prognostisch verlässlicher Regelmäßigkeit mit einer Alarmierung und einer sofortigen Einsatzübernahme hätten rechnen müssen. Für das Verwaltungsgerichtshof bestand daher auch kein Anlass, entsprechend der Anregung des Beamters zu Art, Anzahl und Qualität der sicherheitsrelevanten Vorfälle im räumlichen Umfeld der Deutschen Botschaft in Bagdad, zur generellen Gefährdungslage für die Botschaft in seinem Abordnungszeitraum und zur Wahrnehmbarkeit der beziehungsweise Kenntniserlangung von den sicherheitsrelevanten Vorfällen durch Vernehmung zweier ehemaliger Botschafter, des Sicherheitsbeauftragten der Botschaft und mehrerer Personenschutzkräfte sowie durch Einsichtnahme in die täglichen Lageberichte der Botschaft, die Lageinformationen des SIK-Kommandos und die ISAF-Statistiken zu Anschlägen in Bagdad Beweis zu erheben. Denn auch diese Umstände sind ohne Bezug zu konkreten Alarmfällen unerheblich für die Beantwortung der streitentscheidenden Frage, ob der Beamter in den Zeiten seiner „Rufbereitschaft“ typischerweise mit nennenswerten Einsätzen rechnen musste.
Schließlich rechtfertigt auch der vom Beamten angeführte Umstand, dass alle Personenschutzbeamten während ihres Aufenthalts an der Deutschen Botschaft in Bagdad jederzeit ihre Ausrüstung griffbereit gehalten hätten und über Funk erreichbar gewesen wären, keine andere Betrachtungsweise. Dabei kann dahinstehen, ob – wie der Beamter vorträgt – von Seiten des Bundespolizeipräsidiums (Referat 44) entsprechende Vorgaben gemacht worden sind, etwa mit der im Ausdruck vorgelegten Email vom 24.02.2010. Maßgeblich ist, dass es eine derartige dienstliche Anordnung des Auswärtigen Amtes oder der Botschaft nicht gab. Durch die Abordnung sind die Vorgesetztenbefugnisse zur Zuweisung des konkret-funktionellen Amtes (Dienstposten) und zur Erteilung von Weisungen bei dessen Wahrnehmung auf die Abordnungsdienststelle übergegangen20, weshalb es für die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die streitgegenständlichen Zeiten der „Rufbereitschaft“ durch eine dienstliche Weisung das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz hätten erhalten können, allein auf diese ankommt.
Verwaltungsgerichtshof Baden -Württemberg, Urteil vom 17. Juni 2014 – 4 S 169/13
- vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 – 2 C 28.02, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 28.05.2003, a.a.O.; vom 29.09.2011 – 2 C 32.10, NVwZ 2012, 643; und vom 26.07.2012 – 2 C 24.11, Schütz BeamtR ES/C I 1.5 Nr. 13[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 29.09.2011, a.a.O.; und vom 26.07.2012, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 26.07.2012, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.2010 – 2 C 33.09, NVwZ-RR 2010, 647[↩]
- RL 2003/88/EG, ABl EG Nr. L 299 vom 18.11.2003 S. 9, Arbeitszeitrichtlinie[↩]
- vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 26.07.2012, a.a.O.[↩]
- ABl EG Nr. L 183 S. 1[↩]
- EuGH, Urteil vom 05.10.2004 – C-397/01 u.a., Pfeiffer u.a., Slg. 2004, I-8835, Rn. 53 ff.; Beschluss vom 14.07.2005 – C-52/04, Personalrat der Feuerwehr Hamburg, Slg. 2005, I-7111, Rn. 42[↩]
- BVerwG, Urteil vom 15.12.2011 – 2 C 41.10, NVwZ 2012, 641[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.10.2000 – C-303/98, SIMAP, Slg. 2000, I-7963, RdNr. 47; Urteil vom 09.09.2003 – C-151/02, Jaeger, Slg. 2003, I-8389, RdNr. 48[↩]
- EuGH, Urteile vom 03.10.2000, a.a.O., RdNr. 48; und vom 09.09.2003, a.a.O., RdNr. 49; Urteil vom 01.12.2005 – C-14/04, Dellas, Slg. 2005, I-10279, RdNr. 46; Beschluss vom 11.01.2007 – C-437/05, Vorel, Slg. 2007, I-333, RdNr. 27; Urteil vom 25.11.2010, a.a.O., RdNr. 55[↩]
- vgl. zum Ganzen bereits VGH, Urteil vom 26.06.2013 – 4 S 94/12, Juris[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.01.2009 – 2 C 90.07, Buchholz 240.1 BBesO Nr. 31 m.w.N.; Urteil vom 29.09.2011, a.a.O.[↩]
- vgl. zur Einschätzungsprärogative des Dienstherrn hinsichtlich der Beurteilung der Sicherheitslage BVerwG, Urteil vom 28.02.2008 – 2 A 1.07, NVwZ-RR 2008, 547[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.2009, a.a.O.[↩][↩]
- BGBl. II 1964 S. 957[↩]
- BVerwG, Urteil vom 22.01.2009, a.a.O.[↩]
- vgl. bereits VGH, Urteil vom 26.06.2013, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 04.05.1972 – II C 13.71, BVerwGE 40, 104[↩]