Der Soldat als Sicherheitsrisiko

Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll1. Dabei obliegt es der zuständigen Stelle, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).

Der Soldat als Sicherheitsrisiko

Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll1. Dabei obliegt es der zuständigen Stelle, aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).

Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine „Beweislast“, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird2.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG begründen, unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene eine Straftat oder ein Dienstvergehen begangen hat, die – ggf. auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften oder zur dienstlichen Tätigkeit – ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lassen3.

Es ist demgemäß im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, wenn der Geheimschutzbeauftragte ein durch den Disziplinargerichtsbescheid sanktionierte Fehlverhalten des Soldaten aufgegreift. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich um eine erst- oder einmalige Verfehlung handelt4. Angesichts des Umstandes, dass eine Verletzung wichtiger soldatischer Pflichten im Raum steht, deren Schwere die Durchführung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens und die Verhängung einer mittelschweren Sanktion rechtfertigt, steht auch keine Verletzung einer bloß untergeordneten und nicht spezifisch sicherheitsrechtlichen Dienstpflicht im Raum, die Zweifel an der sicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit eines ansonsten unbescholtenen Soldaten nicht aufkommen lässt5.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt die Feststellung eines Sicherheitsrisikos keine zusätzliche Ebene der repressiven Reaktion auf ein Fehlverhalten des Betroffenen – gegebenenfalls, wie hier, nach dessen disziplinarrechtlicher Ahndung – dar, sondern eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr6. Der Geheimschutzbeauftragte hat sich deshalb bei der Beurteilung, ob ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, prognostisch zur künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Betroffenen und seiner Verhältnisse zu äußern und dabei im Falle des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG darzulegen, warum die vorliegenden sicherheitserheblichen Erkenntnisse für die Zukunft Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung seiner sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen.

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Der Prognose kann die nachvollziehbare Annahme zugrunde liegen, dass das Vertrauen in die Einhaltung von mit Aufwand verbundenen Sicherheitsvorschriften beeinträchtigt wird, wenn der Verpflichtete in der Vergangenheit private Interessen über die Einhaltung von Dienstpflichten gestellt hat. Diese Beeinträchtigung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit eines Soldaten ist nicht nur die Folge von Verstößen gegen Vorschriften über den Umgang mit Verschlusssachen oder Sicherheitsbestimmungen. Es ist sachgerecht auch bei anderen Verletzungen wesentlicher soldatischer Pflichten das Vertrauen in die allgemeine Zuverlässigkeit eines Soldaten vermindert zu sehen und diese Zweifel auch auf die Erfüllung von Pflichten in sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten zu beziehen.

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass der Geheimschutzbeauftragte den für den Soldaten sprechenden Aspekten von dessen dienstlichen Leistungen in der Vergangenheit und den positiven Stellungnahmen seiner Disziplinarvorgesetzten vor allem im Sicherheitsüberprüfungsverfahren keine ausschlaggebende Bedeutung beimisst.  Die dienstlichen Beurteilungen bewerten (retrospektiv) die vom Antragsteller auf seinem Dienstposten erbrachten Leistungen, nicht vorbeugend das Risikopotential. Zu dessen Einschätzung sind nicht die dienstlichen Vorgesetzten, sondern ist der Geheimschutzbeauftragte berufen7.

Aus Sicherheitsgründen erforderliche Versetzungen sind keine unzumutbaren Umstände, da Soldaten grundsätzlich keinen Anspruch auf konkrete Verwendungen haben. Soweit schwerwiegende persönliche Gründe oder ähnlich gewichtige private Interessen einer konkreten neuen Verwendung nach Wegversetzung von dem aktuellen Dienstposten des Antragstellers entgegenstehen sollten, hat der Antragsteller die Möglichkeit, dies mit (Eil-)Rechtsbehelfen gegen die Versetzung selbst geltend zu machen.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. September 2023 – 1 W -VR 17.23

  1. stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 11.03.2008 – 1 WB 37.07, BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.[][]
  2. stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.05.2012 – 1 WB 58.11 30; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 – 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334 <353>[]
  3. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11.03.2008 – 1 WB 37.07, BVerwGE 130, 291 Rn. 26; vom 30.05.2012 – 1 WB 58.11 35; vom 21.07.2016 – 1 WB 35.15, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 30 Rn. 42; und vom 28.09.2017 – 1 WB 29.16 36[]
  4. stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 21.07.2010 – 1 WB 68.09, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 23 Rn. 30[]
  5. vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.01.2018 – 1 WB 24.17, NVwZ 2019, 65 Rn. 28[]
  6. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15.12.2009 – 1 WB 58.09, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 22 Rn. 29; vom 24.04.2012 – 1 WB 62.11 31; und vom 21.05.2015 – 1 WB 54.14, BVerwGE 152, 152 Rn. 40[]
  7. BVerwG, Beschluss vom 04.02.2019 – 1 WDS-VR 1.19 37[]

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