Die Beihilfeverordnung des Landes Berlin – un die die Basistarifklausel

Die Basistarifklausel des § 6 Abs. 5 der Beihilfeverordnung des Landes Berlin verstößt jedenfalls in den Fällen gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, in denen der Beihilfeberechtigte oder der berücksichtigungsfähige Angehörige unfreiwillig im Basistarif versichert ist. Dies ist der Fall, wenn er aufgrund der allgemeinen Krankenversicherungspflicht gehalten ist, eine private Krankenversicherung abzuschließen und er sich zu zumutbaren Bedingungen nur zum Basistarif versichern kann.

Die Beihilfeverordnung des Landes Berlin – un die die Basistarifklausel

Dabei lässt das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich dahingestellt, ob die von dem Dienstherrn versagte Erstattung von Aufwendungen schon deshalb zu beanstanden ist, weil es insoweit an einer dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt, der auch im Beihilferecht Geltung beansprucht, genügenden gesetzlichen Ermächtigung fehlt1. Die streitige Versagung der Erstattung von Aufwendungen verstößt jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Die umstrittene Beschränkung des Beihilfeanspruchs beruht auf § 6 Abs. 5 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits, Pflege, Geburts- und sonstigen Fällen (Landesbeihilfeverordnung – LBhV) in der im hier maßgeblichen Zeitraum des Entstehens der Aufwendungen2 geltenden Fassung vom 08.09.20093. Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 LBhV beurteilt sich die Angemessenheit der Aufwendungen von Beihilfeberechtigten und ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen, die unter anderem in einem Basistarif nach § 12 Abs. 1a VAG versichert sind, nach den in den Verträgen nach § 75 Abs. 3b Satz 1 SGB V vereinbarten Gebührenregelungen. Solange keine vertraglichen Gebührenregelungen vorliegen – was für den entscheidungserheblichen Zeitraum der Fall ist – gelten nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LBhV unter anderem die Maßgaben des § 75 Abs. 3a Satz 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift werden ärztliche Leistungen wie folgt vergütet: Für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) genannten Leistungen sowie für die Leistung nach Nummer 437 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte nur bis zum 1,16-fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte, für die in den Abschnitten A, E und O des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte genannten Leistungen nur bis zum 1,38-fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte und für die übrigen Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte nur bis zum 1,8-fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte. Damit steht die streitige Ablehnung der Erstattung von Aufwendungen im Einklang.

Die Basistarifklausel des § 6 Abs. 5 LBhV verstößt jedenfalls in den Fällen gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, in denen der Beihilfeberechtigte oder der berücksichtigungsfähige Angehörige unfreiwillig im Basistarif versichert ist. So liegt es, wenn er aufgrund des allgemeinen Krankenversicherungsrechts gehalten ist, eine private Krankenversicherung abzuschließen und er sich zu zumutbaren Bedingungen nur zum Basistarif versichern kann. Dies ist bei dem Beamten nach das Bundesverwaltungsgericht bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) der Fall.

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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können4. Knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Ein Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber dagegen regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt5. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kann in diesen Fällen schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Für beide Fallgruppen gilt, dass die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilferecht angeführten Gründe auch vor der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn Bestand haben müssen, in der die Beihilfe ihre Grundlage hat6. Zwar begründet die Durchbrechung einer vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie kann jedoch ein Indiz für eine objektiv willkürliche Regelung oder das Fehlen eines nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrundes darstellen7. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten „Mischsystem“ aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist daher eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes indiziert, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, dass notwendige und angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind, ohne zureichenden Grund verlässt8.

§ 6 Abs. 5 LBhV bewirkt eine Ungleichbehandlung der Gruppe der basistarifversicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen gegenüber der Gruppe der Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen, die im Normaltarif krankenversichert sind.

Die ungleiche Behandlung besteht zunächst darin, dass der Erstattungsanspruch der zuerst genannten Gruppe für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen geringer ausfällt als derjenige des anderen Personenkreises. Für die nach § 6 Abs. 5 LBhV basistarifversicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen findet der für die Gruppe der anderen Beihilfeberechtigten geltende Grundsatz des § 6 Abs. 3 LBhV keine Anwendung, nach dem unter anderem Aufwendungen für ärztliche Leistungen grundsätzlich dann angemessen und erstattungsfähig sind, wenn sie den Gebührenrahmen der einschlägigen Gebührenordnungen für Ärzte entsprechen. Während also der im Normaltarif versicherte Beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Angehörige etwa bei ärztlichen Leistungen durchschnittlicher Schwierigkeit in der Regel den nach § 5 Abs. 2 GOÄ festgelegten Schwellenwert des 2, 3fachen Betrages9 und in Ausnahmefällen sogar den Höchstwert des 3, 5fachen Betrages erstattet bekommt, erhielt der basistarifversicherte Beamte oder berücksichtigungsfähige Angehörige im hier maßgeblichen Behandlungszeitraum – wie aufgezeigt – höchstens den 1,8fachen Betrag ersetzt. Werden dem im Basistarif Versicherten für eine ärztliche Leistung etwa Gebühren nach dem 2,3fachen des Gebührensatzes berechnet, hat er die Differenz zu dem geringeren Gebührensatz nach § 75 Abs. 3a Satz 2 SGB V selbst zu tragen.

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Die im Basistarif krankenversicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen vermögen dieser Ungleichbehandlung in finanzieller Hinsicht auch nicht auszuweichen, ohne dass dies mit einer anderen Ungleichheit einhergeht. Nimmt der im Basistarif Versicherte ärztliche Leistungen auf der Grundlage der Gebührensätze seines Tarifs in Anspruch, die erheblich unter dem liegen, was für Privatpatienten üblicherweise abgerechnet wird, muss er befürchten, dass er die Behandlung, die er als Privatpatient im Normaltarif erhalten würde, nicht erfährt10. Will er dies vermeiden, ist er auf die Bereitschaft eines Arztes angewiesen, ihm trotz der im Basistarif geringeren Vergütungssätze die gleiche Behandlung zuteil werden zu lassen wie dem im Normaltarif Versicherten. Dies führt zu einer Beschränkung der freien Arztwahl. Soweit es sich um faktische Auswirkungen des § 6 Abs. 5 Satz 2 LBhV handelt, sind auch diese am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen, weil diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist11.

Die Ungleichbehandlung ist nicht durch hinreichende Differenzierungsgründe gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht ist insoweit nicht auf eine Überprüfung am Willkürmaßstab beschränkt. Da eine Ungleichbehandlung von Personengruppen vorliegt und diese auch nicht auf einer freiwilligen Entscheidung des Beamten beruht, wäre die ungleiche Behandlung nur gerechtfertigt, wenn für sie Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die verschiedenen Rechtsfolgen legitimieren können. Solche Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Bei dem Beamten kann die Unterscheidung nicht damit gerechtfertigt werden, dass sich die Betroffenen bei der Wahl des Basistarifs freiwillig für ein niedrigeres Krankenbehandlungsniveau entschieden hätten und in der Konsequenz dieser autonomen Entscheidung im Krankheitsfall auch vom Dienstherr nur entsprechend niedrigere Erstattungsleistungen erwarten könnten. Dies gilt gleichermaßen für die Erwägung, die Beamten und Versorgungsempfänger sollten in ihrem eigenen Interesse dazu angehalten werden, sich für eine über den Basistarif hinausgehende umfassendere Krankheitsvorsorge zu entscheiden. Denn die unfreiwillig im Basistarif versicherten Beihilfeberechtigten haben gerade keine autonome Entscheidung getroffen, und ihnen fehlt die Möglichkeit, sich zu zumutbaren Bedingungen in einem umfassenderen privaten Krankenversicherungstarif zu versichern.

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Die Unterscheidung kann auch nicht damit begründet werden, dass es sich bei den unfreiwillig im Basistarif versicherten Personen um eine vergleichsweise kleine Personengruppe handele, die der Normgeber in Ausübung seiner Pauschalierungsbefugnis beim Erlass der Beihilfeverordnung hätte vernachlässigen dürfen. Denn die Basistarifversicherung ist gerade für Personen eingeführt worden, die bislang in zulässiger Weise nicht krankenversichert waren und aufgrund ihres Alters oder ihrer Vorerkrankungen keine Möglichkeit zum Abschluss einer bezahlbaren Krankenversicherung hatten (vgl. § 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 VAG)12.

Die Differenzierung nach dem vom Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähigen Angehörigen abgeschlossenen Versicherungstarif kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie eine bereits im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit wahre. Über Jahrzehnte ist im Hinblick darauf, dass der Beamte nicht gesetzlich verpflichtet gewesen ist, eine private Krankenversicherung abzuschließen, die Beihilfe unabhängig vom Nachweis einer Versicherung in vollem Umfang gewährt worden. Art und Umfang der die Beihilfe ergänzenden privaten Krankenversicherung blieben als Teil der privaten Lebensführung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Vertragsfreiheit) des Beamten überlassen13. Dies entspricht dem beamtenrechtlichen Grundsatz der Vorsorgefreiheit14, so dass eine Leistungskürzung aufgrund des vom Beamten gewählten Versicherungstarifs nicht als im derzeitigen Beihilfesystem bereits angelegt anzusehen ist15. § 76 Abs. 3 Satz 5 LBG16 lässt eine Kürzung der Beihilfe im Hinblick auf die privaten Versicherungsleistungen nur zu, wenn die Beihilfe zusammen mit den von dritter Seite zustehenden Erstattungen die beihilfefähigen Aufwendungen überschreitet.

Ferner sind für die beihilferechtliche Benachteiligung basistarifversicherter Beamter und berücksichtigungsfähiger Angehöriger auch keine Differenzierungsgründe von solcher Art und solchem Gewicht erkennbar, die zwar nicht im bestehenden Beihilfesystem angelegt sind, aber die Unterscheidung gleichwohl ausnahmsweise rechtfertigen können. Insbesondere kann die Beschränkung der Beihilfeleistungen nicht mit den Gründen gerechtfertigt werden, die zur Festlegung einer niedrigeren Vergütungspflicht der privaten Krankenversicherungen in § 73 Abs. 3a Satz 2 und 3 SGB V bei Basistarifversicherten geführt haben.

Diese Regelungen stehen im Zusammenhang mit der Einführung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht. Da die Zahl der nicht krankenversicherten Personen in Deutschland stark zugenommen hatte und diese Personen im Falle einer schwerwiegenden Erkrankung letztlich auf staatliche Hilfe angewiesen waren, entschloss sich der Gesetzgeber im Zuge des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.200717 zur Einführung einer Krankenversicherungsoption für alle im Bundesgebiet dauerhaft lebenden Personen. Durch eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) wurden die privaten Versicherungsunternehmen verpflichtet, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig waren, eine private Krankenversicherung zum Basistarif anzubieten (§ 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 VAG). Dieser Basistarif sollte in Bezug auf seine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein (§ 12 Abs. 1a VAG)18. Der maximale Beitrag sollte – unabhängig von Alter und Vorerkrankungen – dem Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen (vgl. § 12 Abs. 1c VAG). Mit Wirkung ab dem 1.01.2009 wurden alle nicht gesetzlich krankenversicherungspflichtigen Personen durch eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes zudem gesetzlich verpflichtet, mindestens eine Krankenversicherung zum Basistarif abzuschließen. Der Kontrahierungszwang der privaten Krankenversicherung wurde damit durch die jetzt in § 193 VVG19, verankerte Krankenversicherungspflicht ergänzt20.

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Die Beschränkung der Vergütungspflicht der privaten Krankenversicherer dient dazu, diesen die Refinanzierung des Basistarifs zu erleichtern. Die privaten Krankenversicherer können die Mehrkosten, die bislang nicht versicherte, häufig ältere und kranke Neukunden mit sich bringen, systembedingt nicht wie die gesetzliche Krankenversicherung durch Umlagen abdecken. Ihnen fehlen auch die Rückstellungen, die bei der Versicherung von jungen und gesunden Neukunden bis zum Eintritt schwerer Erkrankungen typischerweise gebildet werden. Wären sie verpflichtet, die im Privatpatientenbereich üblichen Entgelte für Krankenbehandlungen zu erbringen, hätte die Einführung der Krankenversicherungspflicht hohe Verluste bei den privaten Krankenversicherungen erwarten lassen. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber nicht nur neue Risiko-Umlageverfahren für Basistarifversicherungen geschaffen (vgl. § 12g VAG)21, sondern auch die Vergütungspflicht der privaten Krankenversicherer durch § 75 Abs. 3a SGB V im Bereich des Basistarifs auf ein aus seiner Sicht auch den behandelnden Ärzten zumutbares Maß reduziert. Dabei wurde der ursprüngliche Regelungsansatz, dass die ärztlichen Leistungen mindestens auf dem Ersatzkassenniveau zu vergüten sind22, im Gesetzgebungsverfahren aufgegeben. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Vergütungssätze wurden ausgehend von dem im bisherigen PKV-Standardtarif üblichen Niveau im zahnärztlichen Bereich leicht erhöht, aber nach oben wie nach unten disponibel ausgestaltet23.

Es liegt auf der Hand, dass die auf eine finanzielle Schonung der privaten Krankenversicherer abzielenden Überlegungen bei der Einführung der Basistarifversicherungspflicht einer speziellen Problemlage geschuldet sind und dass die Refinanzierungsprobleme der privaten Krankenversicherer bei der Aufnahme von bislang unversicherten Risikopatienten in keiner Weise mit den Finanzierungsproblemen der öffentlichen Hand bei der Beihilfeerbringung vergleichbar sind. Dies folgt schon daraus, dass der Staat die Kosten der Beihilfe aus Steuern und damit über eine Umlage finanziert, also anders als private Krankenversicherer gerade keine Rückstellungen aus Versicherungsbeiträgen bildet. Außerdem mögen bislang nicht krankenversicherte Beamte für die privaten Krankenversicherungen Neukunden sein, für die jedwede Risikorückstellungen fehlen. Sie sind aber für den Staat keine „Neukunden“, sondern stehen – wie der Fall des hier klagenden Ruhestandsbeamten zeigt – häufig seit Jahren in einem gegenseitigen Treueverhältnis zum Staat, so dass ein geringerer Beihilfebemessungssatz nicht unter dem Gesichtspunkt unerwarteten Risikozuwachses gerechtfertigt werden kann.

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Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die niedrigeren beihilferechtlichen Erstattungen damit begründet hat, dass der basistarifversicherte Beamte oder berücksichtigungsfähige Angehörige geringere Krankenkassenbeiträge zu entrichten habe, überzeugt dies ebenfalls nicht. Denn den niedrigeren Krankenversicherungsbeiträge der basistarifversicherten Beamten stehen entsprechend geringere Krankenversicherungsleistungen gegenüber, so dass der basistarifversicherte Beamte den „Vorteil“ niedrigerer Beiträge bereits mit dem „Nachteil“ gekürzter Erstattungsleistungen der privaten Krankenversicherung erkauft. Für eine doppelte Anrechnung dieses „Vorteils“ bei der Beihilfegewährung ist damit kein Raum.

Ebenso wenig kann die geringere Erstattungshöhe mit der vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz24 angeführten Erwägung begründet werden, der Basistarifversicherte habe auf einfache Weise die Möglichkeit, durch einen Hinweis auf sein geringeres Versicherungsniveau eine Absenkung der Honorarrechnung zu erwirken und damit beim Dienstherrn eine Ersparnis zu erzielen. Diese Argumentation vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, weil es auch der „normal“ versicherte Beamte jederzeit in der Hand hat, durch Hinnahme von Einschränkungen des gewohnten medizinischen Versorgungsstandards in einen Basistarif zu wechseln und auf diese Weise Einsparungen beim Dienstherrn zu bewirken. Es leuchtet aber nicht ein, dass nur diejenigen zur Leistung eines solchen Ersparnisbeitrags verpflichtet sein sollen, die aufgrund ihrer Vorerkrankungen oder ihres Alters von den privaten Krankenversicherern gegen ihren Willen nur zum Basistarif versichert werden. Damit wird im Ergebnis einer Beamtengruppe ein Sonderopfer allein deswegen abverlangt, weil sie auf dem Markt der privaten Krankenversicherungen aufgrund ihres Alters oder ihrer Vorerkrankungen bereits benachteiligt ist. Dies ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

Da die Regelung des § 6 Abs. 5 LBhV jedenfalls bei unfreiwillig im Basistarif versicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen gegen den Gleichheitssatz verstößt und zumindest in diesem Teilbereich unwirksam ist, kann der zu diesem Personenkreis zählende Beamten – wie vom Verwaltungsgericht entschieden – nach § 6 Abs. 3 LBhV die Erstattung der nach den einschlägigen Gebührenordnungen üblichen Entgelte verlangen.

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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. April 2014 – 5 C 16.2013 –

  1. vgl. dazu Urteil vom 19.07.2012 – 5 C 1.12, BVerwGE 143, 363 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 42, jeweils Rn. 12 f. m.w.N.[]
  2. vgl. BVerwG, Urteil vom 08.11.2012 – 5 C 2.12 – IÖD 2013, 33 m.w.N.[]
  3. GVBl S. 436[]
  4. vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13.03.2007 – 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, 79, 100; und vom 21.06.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 68 m.w.N.[]
  5. vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.2007 a.a.O. m.w.N.[]
  6. vgl. zu Vorstehendem insgesamt Urteile vom 13.12 2012 – 5 C 3.12, Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 29; und vom 05.05.2010 – 2 C 12.10 – ZBR 2011, 126 Rn. 10 f. jeweils m.w.N.[]
  7. vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.09.2009 – 1 BvR 2275/07 – ZOV 2009, 291, 295 m.w.N.[]
  8. BVerwG, Urteil vom 02.04.2014 – 5 C 40.12 16[]
  9. vgl. BVerwG, Urteil vom 17.02.1994 – 2 C 10.92, BVerwGE 95, 117, 122 f. = Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 5 S. 6[]
  10. vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 10.06.2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 240[]
  11. vgl. BVerfG, Urteil vom 03.12 1968 – 2 BvE 1, 3, 5/67, BVerfGE 24, 300, 358 und Beschluss vom 09.08.1978 – 2 BvR 831/76, BVerfGE 49, 148, 165[]
  12. vgl. auch BT-Drs. 16/3100 S.207[]
  13. vgl. BVerwG, Urteile vom 25.06.1987 – 2 C 57.85, BVerwGE 77, 331, 336 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 3 S. 15; und vom 24.11.1988 – 2 C 17.88, Buchholz 270 § 15 BhV Nr. 2 S. 4[]
  14. vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.02.2008 – 2 BvR 613/06 – ZBR 2008, 318, 320 m.w.N.[]
  15. vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.07.2012 – 5 C 1.12, BVerwGE 143, 363 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 42, jeweils Rn. 14[]
  16. Landesbeamtengesetz vom 19.03.2009, GVBl S. 70[]
  17. BGBl I S. 378[]
  18. BT-Drs. 16/3100 S. 81[]
  19. Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 23.11.2007, BGBl I S. 2631, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.09.2013, BGBl I S. 3642[]
  20. zur Entstehungsgeschichte BVerfG, Urteil vom 10.06.2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 193; Sodan, NJW 2007, 1313 f.[]
  21. BVerfG, Urteil vom 10.06.2009 a.a.O., 239[]
  22. BT-Drs. 16/3100 S. 16, 116[]
  23. vgl. BT-Drs. 16/4200 S. 36 f.; BT-Drs. 16/4247 S. 37[]
  24. BVerwG, Urteil vom 15.03.2013 – 10 A 11153/12.OVG 30[]