Eine fahrlässige, nicht aber grob fahrlässige, einmalige Schlechtleistung, die ohne nachteilige Folgen für den Dienstherrn oder Kameraden geblieben ist, kann grundsätzlich angemessen mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme geahndet werden.

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte der Soldat, ein Arzt, einem Soldaten die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten attestiert hat, obwohl er wegen in dessen Gesundheitsakte befindlicher Facharztbefunde wegen eines Hörschadens zu dem Begutachtungsergebnis „dienstfähig und verwendungsfähig mit erheblichen Einschränkungen für bestimmte Tätigkeiten“ hätte kommen müssen. Der korrekte Befund hätte die Notwendigkeit einer Ausnahmegenehmigung ergeben, die allerdings erteilt worden wäre. Weiter hat er eine internen Anweisungen genügende militärärztliche Befragung des Zeugen nicht dokumentiert. Hierbei hat er das vorschriftenwidrige Unterbleiben einer vollständigen Dokumentation und das zutreffende Ergebnis einer sorgfältigen Untersuchung erkennen können und müssen. Das Bundesverwaltungsgericht bewertete dieses Verhalten – wie zuvor bereits das Truppendienstgericht – als fahrlässige Verletzung der Pflichten aus § 7 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“)1. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen nicht ganz leicht, weil wichtige Dienstpflichten eines Soldaten verletzt wurden.
Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Die Übernahme eines Soldaten in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten ist von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für den Bundeshaushalt, sodass der Dienstherr hier auf eine sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen durch seine Bediensteten angewiesen ist. Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) hat Gewicht. Sie hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere wie hier ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war2. Dies ist bei einer aus Nachlässigkeit fehlerhaften Dienstleistung der Fall.
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden zudem auch dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberstabsarzt in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht – wie hier – das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus3.
Eine Kernpflichtverletzung steht allerdings nicht in Rede, denn der frühere Soldat war nicht auf einem Dienstposten als Truppenarzt eingesetzt, sondern hat nach den zutreffenden Feststellungen des Truppendienstgerichts vielmehr als für den zuständigen Truppenarzt für den fraglichen Nachmittag kurzfristig im Einzelfall bestimmter Vertreter versagt.
Eine Kernpflichtverletzung, die eine höhere Sanktionsandrohung rechtfertigen könnte, setzt voraus, dass ein Soldat in dem regulären Aufgabenkreis auf seinem Dienstposten versagt hat4. Steht – wie hier – ein Versagen in den Aufgaben eines Vertreters in Rede, liegt ein Kernbereichsversagen allenfalls vor, wenn die Wahrnehmung der Vertretung zu den regulären Hauptaufgaben des Dienstpostens gehört hat. Denn nur in diesem Fall stellt die Aufgabenübertragung die Übertragung einer Vertrauensstellung durch den Dienstherrn dar, die eine gravierende Sanktion rechtfertigt. Aufgaben, die einem Soldaten zur Wahrnehmung im Einzelfall übertragen werden, prägen seinen Dienstposten nicht und gehören daher nicht zum Kernbereich seiner Pflichten.
Vorliegend war der frühere Soldat mit Versetzungsverfügung vom 08.06.2009 zum 1.07.2009 an das Bundeswehrkrankenhaus … versetzt worden. In dieser Verfügung waren die Erstverwendung als „Sanitätsstabsoffizier Arzt“ und die Zweitverwendung „ZWB Notfallmedizin“ festgelegt. Von einer Verwendung als Truppenarzt war dort – anders als noch in der Vorverwendung beim Sanitätszentrum … – nicht die Rede. Die auf diesem Dienstposten beim Bundeswehrkrankenhaus … ausgeführten Tätigkeiten charakterisiert die letzte planmäßige Beurteilung durch die Bezeichnung als „Weiterbildungsassistent“.
Von einer den Dienstposten inhaltlich prägenden Tätigkeit als Truppenarzt oder Vertreter desselben ist dort nichts dokumentiert. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich die regulären Tätigkeitsschwerpunkte des früheren Soldaten nach dem Erstellen der letzten planmäßigen Beurteilung bis zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung geändert haben könnten. Vielmehr hat der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft erläutert, der Dienstposten des Truppenarztes sei im Bundeswehrkrankenhaus … organisatorisch der Abteilung für … zugeordnet gewesen. Daher sei aus den gerade anwesenden Ärzten der Abteilung im Vertretungsfall jeweils ein Vertreter bestimmt worden. An dem fraglichen Tag sei ihm kurzfristig auf dem Flur die Vertretung für Dr. G. an diesem Nachmittag übertragen worden. Hiernach ist das Bundesverwaltungsgericht davon überzeugt, dass die vertretungsweise Wahrnehmung von Aufgaben des Truppenarztes, die vorliegend auch nach den Feststellungen des Truppendienstgerichts nur kurzzeitig für einen Nachmittag erfolgte, nicht zu den originären Aufgaben des Dienstpostens des früheren Soldaten gehörte.
Das Dienstvergehen hatte keine nachteiligen Auswirkungen für den Dienstbetrieb oder die Personalführung des Dienstherrn. Nach den in der Berufungshauptverhandlung verlesenen erstinstanzlichen Aussagen der sachverständigen Zeugen Oberstabsarzt Dr. G. und Oberfeldarzt L. hätte es für die Ernennung des Zeugen Oberstabsarzt Dr. S. zum Berufssoldaten zwar einer Ausnahmegenehmigung bedurft, diese wäre aber erteilt worden. Der Fehler des früheren Soldaten hat folglich nicht dazu geführt, dass ein gesundheitlich hierfür nicht tauglicher Soldat den Status eines Berufssoldaten erlangt hätte. Der frühere Soldat ist wegen des Fehlverhaltens von seinem Dienstposten auch nicht abgelöst worden. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass das Dienstvergehen über den Kreis der unmittelbar Beteiligten und der mit den Ermittlungen befassten Personen hinaus bekannt geworden wäre und dass dies zu Unruhe oder Störungen im Dienstablauf geführt hätte.
Die Beweggründe des früheren Soldaten beeinflussen die Maßnahmebemessung nicht zu seinen Ungunsten. Er hat weder eigennützige Zwecke verfolgt noch den ihm persönlich nicht näher bekannten Zeugen Oberstabsarzt Dr. S. privilegieren wollen. Ein einmaliger, fachlicher Fehler in einer Entscheidung außerhalb des originären Zuständigkeitsbereiches eines Soldaten erlaubt keinen Rückschluss auf charakterliche Mängel oder eine grundsätzliche Sorglosigkeit im Umgang mit Dienstpflichten.
Das Maß der Schuld des uneingeschränkt schuldfähigen früheren Soldaten wird dadurch bestimmt, dass er nach den bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts fahrlässig gehandelt hat.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern könnten5, liegen nicht vor. Insbesondere handelt es sich nicht um eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten, weil mit der Prüfung und Bescheinigung der gesundheitlichen Eignung zum Berufssoldaten ein mehraktiges, komplexes Geschehen in Rede steht. Es liegt auch kein Mitverschulden des Dienstherrn vor. Die zusätzlich zu den eigenen Aufgaben erfolgte Übertragung einer Vertretung für einen Nachmittag begründet keine Überlastungssituation, in der es zusätzlicher Unterstützung durch die Dienstaufsicht bedarf. Der frühere Soldat hätte trotz der übertragenen Vertretung die Möglichkeit gehabt, den Zeugen Dr. S. auf die Rückkehr des zuständigen Truppenarztes zu verweisen, wenn er sich durch die Erstellung des Attestes überfordert gesehen hätte.
Dennoch sind die Umstände des Versagens – wenn auch mit minderem Gewicht als im Falle eines in der Rechtsprechung anerkannten klassischen Milderungsgrundes in den Umständen der Tat – zugunsten des früheren Soldaten in die Bemessungsentscheidung einzustellen. Der frühere Soldat hat als kurzfristig bestellter Vertreter des zuständigen Truppenarztes versagt und damit in einem Aufgabenkreis, der ihm zwar in einer fast vier Jahre zurückliegenden Phase für etwa ein Jahr lang selbst einmal übertragen gewesen war, in dem er aber zum Zeitpunkt seiner Fehlentscheidung nicht mehr über die Routine verfügte, die eine regelmäßige Befassung gewährleistet. Zudem stand er wegen der zu seinen originären Aufgaben als Stationsarzt in der Ambulanz hinzutretenden Vertretung und der Erwartung des Zeugen Oberstabsarzt Dr. S., im Hinblick auf die anstehende Auswahlkonferenz eine zügige Entscheidung zu erreichen, unter Zeitdruck. Hinzu kommt, dass der zu untersuchende Kamerad gleichfalls Arzt und damit zum einen als Soldat in dienstlichen Angelegenheiten nach § 13 Abs. 1 SG zur Wahrheit verpflichtet und zum anderen fachlich kompetent war, das Vorliegen von Bedenken gegen seine gesundheitliche Eignung zum Berufssoldaten zu beurteilen. Wenn ein solcher fachkundiger Patient – wie hier vom Truppendienstgericht festgestellt – Fragen nach Erkrankungen verneint, begründet diese Selbsteinschätzung für den Untersuchenden subjektiv einen ersten Anschein der Richtigkeit, der für ihn eine erhebliche Versuchung schafft, auf diese Einschätzung zu vertrauen, sie weniger gründlich als nach Vorschriftenlage geboten zu hinterfragen und die knappe Ressource seiner Zeit auf problematischer erscheinende Fragen zu verwenden. Hinzu kam weiter, dass diese bereits erteilten Ausnahmegenehmigungen gerade für die an die gesundheitliche Eignung besondere Anforderungen stellende Fallschirmsprungverwendungsfähigkeit das Vorliegen durchgreifender gesundheitlicher Bedenken fernliegend und die Selbsteinschätzung des zu Untersuchenden plausibel erscheinen ließen. Dass dies auch objektiv plausibel war, ergibt sich schon daraus, dass keiner der vom Truppendienstgericht vernommenen sachverständigen Zeugen Zweifel daran geäußert hat, dass die für den Statuswechsel notwendige Ausnahmegenehmigung zu erteilen gewesen wäre.
Unter diesen Umständen kann von grober Fahrlässigkeit, die das Truppendienstgericht auch mit Recht nicht festgestellt hat, nicht die Rede sein. Denn dem früheren Soldaten hätte sich nicht aufdrängen müssen, dass sein Attest fehlerhaft war und dass eine gründlichere Prüfung oder die korrekte Ausfüllung weiterer Untersuchungsbögen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sind dem früheren Soldaten seine guten Leistungen in ärztlichen Aufgaben und die besonderen Leistungen, die in der Vergangenheit zu der förmlichen Anerkennung, zu der Zubilligung einer Leistungsprämie sowie zu der Verleihung des Leistungsabzeichens geführt haben, zugute zu halten. Für ihn spricht auch die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da der Soldat hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt. Hinzu kommt weiter, dass der frühere Soldat sich durchgängig geständig eingelassen hat. Er hat auch in der Berufungshauptverhandlung angegeben, einen ihm selbst höchst peinlichen Fehler begangen zu haben. Unrechtseinsicht und Reue glaubt das Bundesverwaltungsgericht ihm.
Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände wäre im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer einfachen Maßnahme aus dem Katalog nach § 58 Abs. 6, § 22 Abs. 1 WDO tat- und schuldangemessen gewesen. Da eine solche hier nach § 17 Abs. 2 WDO nicht mehr verhängt werden darf, ist das Verfahren nach § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO einzustellen.
Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht das Bundesverwaltungsgericht in seiner gefestigten Rechtsprechung6 von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.
Hier hat der frühere Soldat ein fehlerhaftes Arbeitsergebnis abgeliefert, weil er durch Nachlässigkeit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, die eine gründliche Prüfung und dadurch zuverlässige Ergebnisse sicherstellen sollen. Er hat damit vorwerfbar eine Schlechtleistung erbracht.
Eine fahrlässige, nicht aber grob fahrlässige, einmalige Schlechtleistung, die ohne nachteilige Folgen für den Dienstherrn oder Kameraden geblieben ist, kann grundsätzlich angemessen mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme geahndet werden.
Auch ein zuverlässiger und fachlich kompetenter Soldat arbeitet nicht ununterbrochen fehlerlos. Müsste ein Soldat schon bei jeder nicht grob fahrlässig schlechten Erledigung einer Aufgabe mit der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens rechnen, würde dies die Zügigkeit der Erledigung der Dienstgeschäfte, das Engagement, die Entschlussfreudigkeit und die Bereitschaft, auch unter engen zeitlichen Vorgaben situationsangepasst schnell zu reagieren, beeinträchtigen. Auch unter generalpräventiven Aspekten ist eine derart scharfe Sanktionsdrohung nicht geboten und im Lichte der effektiven wie effizienten Erfüllung der Aufgaben der Streitkräfte kontraproduktiv.
Für eine mildere Sanktion sprechen auch folgende Umstände7: Die Pflichtverletzung hatte keine strafrechtliche Relevanz, sie war nicht von Eigennutz geprägt und das Risiko, um dessentwillen ein sorgfältigeres Vorgehen im Interesse des Dienstherrn geboten gewesen wäre, hat sich nicht in einem Schaden verwirklicht. Fahrlässige Pflichtverletzungen sind grundsätzlich milder zu ahnden als vorsätzliche8.
Anders läge der Fall allerdings bei grob fahrlässiger, erst recht (bedingt) vorsätzlichen Schlechtleistungen oder wiederholter, dauerhafter Nachlässigkeit in der Wahrnehmung der Aufgaben des eigenen Dienstpostens. In einem solchen Fall, wäre – erst recht, wenn das Dienstvergehen für Kameraden oder den Dienstherrn nachteilige Folgen hat9 – der Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen in einer der Maßnahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zu sehen. Wie ausgeführt liegen diese Umstände hier aber nicht vor.
Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
Hier liegen keine Umstände von solcher Art und solchem Gewicht vor, dass von einer schweren Form der fahrlässigen Schlechtleistung auszugehen wäre, die angemessen nur mit einer der Maßnahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens geahndet werden könnte. Vielmehr wäre zusätzlich mildernd den Umständen in der Person des früheren Soldaten Rechnung zu tragen. Es bedarf hier allerdings keiner Entscheidung, welche Maßnahme aus dem Katalog des § 22 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 6 WDO im Rahmen der Einzelfallbetrachtung angemessen ist.
Einer Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme steht nämlich § 17 Abs. 2 WDO entgegen, weil die Hemmung nach § 17 Abs. 5 WDO durch die Einleitung des Verfahrens erst mit dem Wirksamwerden der Einleitungsverfügung durch Aushändigung an den Soldaten am 31.08.2011 eingetreten ist. Das Dienstvergehen ist aber bereits am 18.11.2010 begangen worden, weil ein Dienstvergehen beendet ist, wenn alle Umstände verwirklicht sind, die zu einer Pflichtwidrigkeit der Handlung oder der Unterlassung führen10; Dienstvergehen sind keine Erfolgsdelikte.
Dass der frühere Soldat ein Dienstvergehen begangen hat, war infolge der Beschränkung der Berufung auf das Disziplinarmaß nicht durch das Bundesverwaltungsgericht festzustellen. Vielmehr ist dies – verbindlich auch für das Bundesverwaltungsgericht – bereits durch das truppendienstgerichtliche Urteil festgestellt worden. Daher ist dieses auch nicht aufzuheben, sondern nur im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme abzuändern.
Bei einer Einstellung nach § 123 Satz 3 in Verbindung mit § 108 Abs. 3 Satz 1 und § 17 Abs. 2 WDO sind die Kosten des Verfahrens gemäß § 138 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 WDO dem Bund aufzuerlegen, der auch die dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen nach § 140 Abs. 1 WDO zu tragen hat.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 WD 14.2013 -
- vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.06.2008 – 2 WD 11.07, Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.[↩]
- stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 13.01.2011 – 2 WD 20.09 27 m.w.N.; und vom 04.05.2011 – 2 WD 2.10 29[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 25.06.2009 – 2 WD 7.08 – m.w.N.; vom 13.01.2011 – 2 WD 20.09 28; und vom 04.05.2011 a.a.O. Rn. 30[↩]
- vgl. für das Kernbereichsversagen in der Form eines Zugriffes auf anvertrautes Gut: BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 – 2 WD 16.12, Rn. 39[↩]
- vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23.09.2008 – 2 WD 18.07 – m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.2010 – 2 WD 9.09 [↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 30.08.2012 – 2 WD 21.11, Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 38 Rn. 48 – 50[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 14.04.2011 – 2 WD 7.10 14 = NZWehrr 2012, 35[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.1991 – 2 WD 16.90, BVerwGE 93, 14 = NZWehrr 1991, 165[↩]
- Dau, Wehrdisziplinarordnung, 4. Aufl.2002, § 17 Rn. 10[↩]