Ein Soldat verletzt seine Pflicht zur Kameradschaft, wenn er einen anderen Soldaten in der Kaserne durch Schläge verletzt. Ebenso verstößt er gegen seine Pflicht, den Dienstherrn vor Schaden zu bewahren, wenn der verletzte Soldat wegen Dienstunfähigkeit ärztliche Behandlung oder Leistungen der Heilfürsorge in Anspruch nehmen muss.

Bei den Kosten, die vom Dienstherrn für Heilfürsorge und ärztliche Behandlung aufgewendet werden, handelt es sich um einen Schaden, weil für sie ein Marktwert besteht. Das Gleiche ist der Fall bei Ausfall von Arbeitszeit, wenn Anspruch auf Wehrsold besteht.
In dem hier vom Verwaltungsgericht Stuttgart entschiedenen Fall wendet sich der Kläger gegen seine Inanspruchnahme zum Schadensersatz. Nach einem Zugfest kam es in der Kaserne zwischen dem Kläger und dem Soldaten C.R. zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Kläger auf C. R. einschlug. Die Wehrbereichsverwaltung Süd verlangt vom Kläger Schadensersatz für die Kosten ärztlicher Behandlungen und für Wehrsold in der Zeit der Dienstunfähigkeit.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers ist § 24 Abs. 1 SG. Danach hat ein Soldat, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichts vorliegend erfüllt.
Der Kläger hat zum einen die sich aus § 12 SG (Kameradschaft) ergebenden Pflichten verletzt, indem er durch Schläge seinen Kameraden C. R. verletzte1. Nach dieser Vorschrift beruht der Zusammenhang der Bundeswehr wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein..
Außerdem hat der Kläger die in § 7 SG normierte Treuepflicht verletzt, die es u. a. gebietet, den Dienstherrn vor Schaden zu bewahren2. Diese Pflicht wird insbesondere dann verletzt, wenn bei einem anderen Bediensteten des Dienstherrn ein Gesundheitsschaden hervorgerufen wird, für den der Dienstherr aufkommen muss2. Auch diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Der Kläger schlug nach seinen eigenen Angaben bei dem Vorfall am 26.03.2009 den C. R. So gab der Kläger bei der Beschuldigten-Vernehmung an, er habe auf dem Flur die Beherrschung verloren und dem C.R. drei Ohrfeigen gegen die Backe gegeben. Ähnlich äußerte sich der Kläger nach der „Niederschrift über die Vernehmung eines Soldaten“. Dort sagte er aus, plötzlich seien die Emotionen „übergekocht“ und er habe dem C. R. ca. 2 „Backpfeifen“, Schläge mit der flachen Hand, ins Gesicht gegeben. Aufgrund dieses Verhaltens des Klägers erlitt C. R. Verletzungen, die zur Dienstunfähigkeit vom 27.03.2009 bis 30.03.2009 führten. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den in den Akten vorhandenen Angaben der Beteiligten der Auseinandersetzung und den ärztlichen und sonstigen Äußerungen.
So gab C. R. im Strafantrag an, durch die Schläge ins Gesicht habe er eine Augapfelprellung und einen Hörsturz, verbunden mit einem Trommelfellriss, erlitten, die am Donnerstag und Freitag hätten ärztlich versorgt werden müssen. Bei der Zeugenvernehmung gab er an, er habe neben der Schramme an der Wange noch ein blaues Auge gehabt. Bei der Vernehmung gab C. R. weiter an, der Kläger sei der einzige gewesen, der ihn geschlagen habe. Dieser habe gar nicht wahrnehmen können, wohin er geschlagen habe, denn er habe wahllos auf ihn eingeschlagen. Zur Darstellung von C. R. passen die Beschreibungen der ärztlich erbrachten Leistungen. So wurde u. a. eine Tonschwellenaudiometrie und eine binokulare Untersuchung des Augenhintergrundes durchgeführt. Nach der Bestätigung des Truppenarztes waren die Heilbehandlungsmaßnahmen und die Dienstunfähigkeit Folgen des Vorfalles.
Der Kläger kann mit seinen dagegen erhobenen Einwendungen nicht durchdringen. Er hat nicht nur selbst eingeräumt, dass er dem C. R. Schläge verabreicht hat. Auch der Schütze M. M. gab bei seiner Zeugenvernehmung an, der Kläger habe dem C. R. zwei Backpfeifen gegeben. Das Handgemenge sei so schnell verlaufen, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, schlichtend einzugreifen. Der Kläger sei auch alkoholisiert gewesen. Unter diesen Umständen sind die Angaben von C. R. nachvollziehbar, dass der Kläger gar nicht habe erkennen können, wohin genau er geschlagen habe.
Schläge ins Gesicht sind auch grundsätzlich geeignet, zu den behaupteten Verletzungen zu führen. Darüber hinaus hat der Kläger keine Umstände dargelegt, aus denen sich eine andere Ursache für die durchgeführten ärztlichen Behandlungen entnehmen ließe. Insoweit gilt der Beweis des ersten Anscheins für die Verursachung der Verletzungen durch das Handeln des Klägers.
Dem Dienstherrn ist auch ein Schaden entstanden. Für den Schaden ist maßgebend der Schadensbegriff des § 249 BGB2. Die Kosten, die der Dienstherr für Heilfürsorge aufwendet, sind ohne weiteres als Schaden anzunehmen2. Dies gilt einmal für die bei der Gemeinschaftspraxis Dres. A. und bei Dr. V. angefallenen Kosten. Aber auch die Kosten, die für den Sanitätsbereich der Bundeswehr angesetzt wurden, sind erstattungsfähig. Denn es lässt sich für diese Kosten ein Marktwert ermitteln; unerheblich ist demgegenüber, ob die Kosten „sowieso“ angefallen wären3. Ein solcher Marktwert besteht unzweifelhaft für ärztliche Leistungen.
Auch beim Ausfall von Arbeitszeit wird ein Schaden bejaht, wenn sich ein Marktwert ermitteln lässt4. Dies wird bejaht für den Ausfall von Arbeitskraft bei Weiterzahlung der Bezüge5.
Dem steht nicht die Konstruktion des Wehrsolds bei Wehrpflichtigen entgegen, den der Geschädigte C. R. während der Zeit der Dienstunfähigkeit weiter erhielt. Auch insoweit ist ein Gegenseitigkeitsverhältnis anzunehmen. Der Anspruch auf Wehrsold ergab sich aus §§ 1 Satz 1, 2 Wehrsoldgesetz. Dem stand die Dienstpflicht des Soldaten nach § 7 SG gegenüber. Dabei war nach § 1 Abs. 1 SG auch Soldat, wer aufgrund der Wehrpflicht in einem Wehrdienstverhältnis stand. Auch § 31 Abs. 1 SG spricht ausdrücklich von einem „Dienst- und Treueverhältnis“ des Soldaten. Schließlich spricht dafür auch, dass die Wehrpflicht eine der wenigen gesetzlich besonders vorgesehenen Pflichten darstellte6.
Das Verhalten des Klägers war auch schuldhaft. Dabei muss sich das Verschulden lediglich auf die Pflichtverletzung beziehen, die hier allerdings die Verursachung des Schadens mit umfasste. Auf die Folgen der Pflichtverletzung, die Art und den Umfang des eingetretenen Schadens, muss sich das Verschulden dagegen nicht erstrecken2. Der Kläger hätte vorliegend erkennen können und müssen, dass sein Handeln zu einer Verletzung des C. R. führen konnte, die sowohl ärztliche Behandlungen als auch Dienstunfähigkeit mit der Folge nach sich ziehen konnten, dass der Beklagten als Dienstherrn dadurch Kosten entstehen konnten und es zur Zahlung von Wehrsold kommen konnte, ohne dass dem eine Gegenleistung des C. R. gegenüber stand.
Beim Verschulden ist der Rechtsgedanke des § 282 BGB heranzuziehen. Danach trifft einen Beamten oder Soldaten, der objektiv seine Dienstpflicht verletzt hat, die materielle Beweislast dafür, dass er die Pflichtverletzung ohne ein für die Haftung ausreichendes Verschulden begangen hat. Obwohl der Beamte oder Soldat nur für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit haftet, geht es beim Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung und eines dadurch verursachten Schadens zu seinen Lasten, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass er die Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat2. Dies ist vorliegend der Fall.
Anhaltspunkte für Schuldunfähigkeit des Klägers bestehen nicht. So gab der Schütze M. M. bei seiner Vernehmung als Zeuge an, man habe mit dem Kläger trotz Alkoholisierung normal reden können. Der Kläger gab bei der Beschuldigten-Vernehmung zwar an, sie hätten „in Alkohollaune“ C. R. den Streich gespielt. Bei einer späteren Vernehmung gab der Kläger aber an, er habe (nur) ca. 5 Bier und 2 Schnäpse getrunken. Auch die Schilderung der Vorbereitungen des „Streichs“, die der Kläger bei der Beschuldigten-Vernehmung machte, zeigt, dass das Denken noch gut funktioniert hatte.
Der Schaden wurde durch die Dienstpflichtverletzung des Klägers auch adäquat verursacht. Dabei ist eine ursächliche Verbindung zwischen Dienstpflichtverletzung und Schadenseinrichtung adäquat, wenn die begangene Dienstpflichtverletzung nach allgemeiner Lebenserfahrung für einen objektiven Betrachter geeignet war, den Schaden herbeizuführen2. Es lag hier nicht fern, dass bei Schlägen auf den Kopf die geschilderten Verletzungen und im Zusammenhang damit Dienstunfähigkeit eintreten und dass dadurch Kosten für ärztliche Behandlungen entstehen und Auszahlung von Wehrsold ohne Gegenleistung erfolgt.
Auch die durchgeführte Berechnung des Schadens ist nicht zu beanstanden. Die von der Wehrbereichsverwaltung Süd angegebene Schadenshöhe ist nicht zu beanstanden. Die Höhe des Wehrsolds wird nicht in Frage gestellt. Für die Berechnung der – fiktiven – Behandlungskosten im Sanitätsbereich der Bundeswehr konnten die EBM-Gebührenordnungspositionen angesetzt werden. Die in der Gemeinschaftspraxis Dres. A. und bei Dr. V entstandenen – konkreten – Behandlungskosten ergeben sich aus den EBM-Gebührenordnungspositionen, die von der Gemeinschaftspraxis Dres. A. und von Dr. V. auf Anfragen der Wehrbereichsverwaltung Süd mitgeteilt worden waren.
Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass der Kläger für den gesamten Betrag herangezogen wurde. Es wird zwar vertreten, dass er nicht allein hätte herangezogen werden können, wenn der Geschädigte C. R. eine Mitschuld getragen hätte7. Hier kann offenbleiben, ob dem zu folgen ist. Denn es ist – auch nach der Schilderung des Klägers selbst – nicht ersichtlich, dass C. R. eine Mitschuld trug.
Nach den Angaben des Klägers selbst und auch nach den Angaben von C. R. und M. M. war der Kläger der einzige, der zuschlug. C. R. dagegen war nach den vorhandenen Angaben zwar aggressiv und schrie, ebenso wie es der Kläger tat, er schlug aber nicht zu. Die Aggressivität von C. R. führte dabei nicht zu einem Mitverschulden, denn sie war – in Anbetracht des ihm gespielten „Streiches“ – durchaus verständlich und in dieser Situation gerechtfertigt.
Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 25. Oktober 2011 – 12 K 5275/10
- offen gelassen bei BVerwG, Urt. v. 11.03.1999, DÖV 1999, 645[↩]
- vgl. BVerwG, Urt. v. 11.03.1999, a.a.O.[↩][↩][↩][↩][↩][↩][↩]
- vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1995, NJW 1996, 921, und Urt. v. 07.03.2001, NJW-RR 2001, 887[↩]
- vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1995, a.a.O.[↩]
- vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Oktober 2007, § 78 BBG Rdnr. 45 b; so wohl auch BVerwG, Urt. v. 07.05.1990, NVwZ 1990, 1171, und Urt. v. 12.10.1978, NJW 1979, 885[↩]
- vgl. Steinlechner/Walz, Wehrpflichtgesetz, 7. Aufl. 2009, § 1 Rdnr. 2[↩]
- vgl. BayVGH, Beschl. v. 04.04.2007 – 15 C 06.3386[↩]