Die Vorbelastung im Disziplinarverfahren

Eine Vorbelastung stellt einen belastenden Umstand bei der Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG dar, wenn sie ein erhebliches Gewicht hat und im zeitlichen Zusammenhang mit dem nunmehr zu beurteilenden Dienstvergehen steht.

Die Vorbelastung im Disziplinarverfahren

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Der Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt1. Danach müssen die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen2.

Wie § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ zum Ausdruck bringt, ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt3.

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Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 BDG im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist4. Deshalb dürfen die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigten Regeleinstufungen nicht schematisch angewandt werden.

Das Persönlichkeitsbild nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erfasst die persönlichen Verhältnisse des Beamten und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach dem Dienstvergehen. Insbesondere sind frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen, deren Berücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, in die Würdigung einzubeziehen. Dies beruht darauf, dass – anders als im Strafrecht – mit einer Disziplinarmaßnahme nicht eine einzelne Tat bestraft wird. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten5. Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der Beamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen.

Die Berücksichtigung einer Vorbelastung als erschwerender Umstand bei der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG scheidet aus, wenn ein Verwertungsverbot eingreift. Dies bestimmt sich für strafrechtliche Verurteilungen nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes. Danach kann die erste strafrechtliche Verurteilung nicht mehr im Revisionsverfahren berücksichtigt werden (vgl. § 51 Abs. 1 BZRG). Für disziplinare Vorbelastungen gelten die Verwertungsverbotsregelungen des § 16 BDG. Absatz 4 der Vorschrift erfasst diejenigen Disziplinarvorgänge, die – wie hier – nicht zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme geführt haben. Die Frist für das Verwertungsverbot und die Tilgungspflicht beträgt bei erwiesenen Dienstvergehen zwei Jahre (§ 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 BDG). Aufgrund der Einleitung des neuen, hier streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens vor Ablauf der Frist, hat diese Frist noch nicht geendet (§ 16 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BDG). Das Gewicht einer Vorbelastung hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab.

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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11

  1. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252, 258 ff. = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 S. 5; seitdem stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 28.02.2013 – 2 C 62.11 – Rn. 39 ff.[]
  2. vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 5; stRspr[]
  3. BVerwG, Urteile vom 20.10.2005, a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 6; und vom 03.05.2007 – 2 C 9.06, a.a.O. Rn.20; zuletzt vom 28.07.2011 – 2 C 16.10, BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18, jeweils Rn. 29; und vom 28.02.2013 a.a.O. Rn. 39 f.[]
  4. BVerwG, Urteile vom 20.10.2005 a.a.O. S. 259 f. bzw. S. 6, vom 03.05.2007- 2 C 9.06, a.a.O. Rn.20, zuletzt vom 28.07.2011 – 2 C 16.10, a.a.O. Rn. 29, vom 28.02.2013 – 2 C 3.12 – Rn. 26 f. = NVwZ 2013, 1087; und – 2 C 62.11, NVwZ-RR 2013, 693; stRspr[]
  5. BVerwG, Urteile vom 03.05.2007 – 2 C 30.05 – Rn. 25, insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50, – 2 C 9.06, Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 und vom 23.02.2012 – 2 C 38.10, NVwZ-RR 2012, 479, 481; stRspr[]