Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt die Pflicht, die wesentlichen Erwägungen einer dienstlichen Beurteilung schriftlich niederzulegen, auch wenn einzelne Leistungsmerkmale und das Gesamturteil jeweils durch eine Punktzahl ausgedrückt werden dürfen1. Die Heilung eines vollständigen Begründungsmangels der dienstlichen Beurteilung im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich2.

Ein Beamter, der die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens (Beförderungsdienstposten) oder eine mit einer Ernennung verbundene Beförderung (§ 20 Abs. 1 LBG) anstrebt, hat Anspruch darauf, dass der Dienstherr das ihm bei der Entscheidung über die Bewerbung zu Gebote stehende Auswahlermessen – unter Einhaltung etwaiger Verfahrensvorschriften – fehlerfrei ausübt (Bewerbungsverfahrensanspruch). Er kann insbesondere verlangen, dass die Auswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG (nur) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung getroffen wird3. Als Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl wird der Bewerbungsverfahrensanspruch auch erfüllt, wenn der Dienstherr die Bewerbung ablehnt, weil er in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG einen anderen Bewerber für am besten geeignet hält.
Nur in den (seltenen) Ausnahmefällen, in denen der dem Dienstherrn durch Art. 33 Abs. 2 GG eröffnete Beurteilungsspielraum für die Gewichtung der Leistungskriterien auf Null reduziert ist, d.h. ein Bewerber eindeutig am Besten geeignet ist, gibt Art. 33 Abs. 2 GG diesem Bewerber einen Anspruch auf Erfolg im Auswahlverfahren. Dessen Bewerbungsverfahrensanspruch erstarkt zum Anspruch auf Vergabe des höheren Amtes. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor4. Es besteht jedoch ein Anspruch auf erneute Entscheidung über die Bewerbung des Beamten nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats, denn der vorliegende Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG kann sich auf die Erfolgsaussichten seiner Bewerbung auswirken. Bei rechtsfehlerfreier Bewerberauswahl auf der Grundlage – noch zu erstellender – rechtmäßiger dienstlicher Beurteilungen ist angesichts des geringen Unterschieds der bislang vorgenommenen und mangels Begründung nicht in sachgerechter Weise weiter angreifbaren dienstlichen Beurteilung des Beamten im Vergleich zur Beigeladenen ein Erfolg der Bewerbung des Beamten zumindest ernsthaft möglich5.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung, denn es kommt insoweit auf die Erwägungen an, die der Dienstherr hierfür in Ausübung seines Auswahlermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat6. An diesem Tag sind die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung aller Kandidaten zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Späteren Entwicklungen – etwa hinsichtlich des Gesundheitszustands eines Bewerbers – kann durch einen Abbruch des Auswahlverfahrens Rechnung getragen werden; sie dürfen jedoch der Auswahlentscheidung nicht zugrunde gelegt werden7.
Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG zu Lasten des Beamten ergibt sich vorliegend daraus, dass ein Leistungsvergleich unter den Mitbewerbern nicht möglich (gewesen) ist, weil es an aussagekräftigen dienstlichen Beurteilungen fehlt. Der Dienstherr hat daher eine neue Auswahlentscheidung auf der Grundlage aktueller, den rechtlichen Anforderungen entsprechender Beurteilungen zu treffen, in die auch die Bewerbung des dritten Bewerbers und dessen Neubescheidungsanspruch miteinzubeziehen sind.
Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist regelmäßig anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Deren Eignung als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss8.
Diesen Anforderungen ist vorliegend nicht genügt. Zwar geht der Dienstherr nach dem Auswahlvermerk vom 16.04.2010 zutreffend davon aus, dass die erfolgreiche Bewerberin in ihrer letzten Regelbeurteilung (mit 6,5 Punkten) eine bessere Gesamtnote als der hier klagende Beamte (mit 6 Punkten) erzielt und außerdem in zwei von drei Einzelbewertungen (Arbeitsmenge 6 Punkte und Arbeitsweise 6,5 Punkte) eine höhere Punktzahl als der Beamte (5,5 Punkte und 6 Punkte) erreicht hat. Die für die Auswahlentscheidung (ausschließlich) herangezogenen dienstlichen Regelbeurteilungen jeweils vom 02.03.2009 sind jedoch mangels Begründung nicht aussagekräftig und damit fehlerhaft. Sie sind keine brauchbare Grundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung.
Einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der dienstlichen Regelbeurteilung des Beamten steht dabei, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Grundsatz der Verwirkung nicht entgegen.Die Verwirkung sowohl des materiellen Rechts auf Überprüfung und gegebenenfalls Änderung einer dienstlichen Beurteilung als auch des prozessualen Widerspruchs- und Klagerechts tritt (nur) ein, wenn der Beamte innerhalb eines längeren Zeitablaufs unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt, so dass gegenüber dem Dienstherrn der Anschein erweckt worden ist, er werde bezüglich der Beurteilung nichts mehr unternehmen. Einen Orientierungsrahmen dafür, wann der Dienstherr üblicherweise nicht mehr mit Einwendungen gegen eine dienstliche Beurteilung zu rechnen braucht, liefert das Zeitintervall, in dem für den jeweils betroffenen Beamten eine Regelbeurteilung zu erstellen ist. Bei einem Beurteilungsrhythmus von – wie hier nach § 2 Abs. 1 Beurteilungsverordnung – drei Jahren darf die zur Entscheidung über Beförderungen berufene Behörde in der Regel davon ausgehen, dass der betroffene Beamte eine frühere Beurteilung hingenommen hat, wenn er hiergegen drei Jahre lang keine rechtlichen Schritte unternommen hat9.
Der Dienstherr kann sich nicht auf die aufgrund von § 115 LBG a.F. und der Verordnung der Landesregierung über die dienstliche Beurteilung der Beamten vom 06.06.1983 (Beurteilungsverordnung)10 erlassenen Gemeinsamen Richtlinien aller Ministerien und des Rechnungshofs über die dienstliche Beurteilung der Landesbeamten (Beurteilungsrichtlinien – BRL)11 berufen, nach deren Nr. 5.4 für jedes – in Nr. 5.3 genannte – Leistungsmerkmal zu prüfen ist, inwieweit den Leistungserwartungen des Amtes unter Berücksichtigung der in der Aufgabenbeschreibung aufgeführten Tätigkeiten entsprochen wurde (Satz 1), und dementsprechend das Ergebnis nach dem Beurteilungsmaßstab zu bewerten und (nur) bei der Zuerkennung von 1 bis 2,5 sowie von 7 und mehr Punkten zu begründen ist (Satz 2), wobei die obersten Dienstbehörden – was vorliegend nicht geschehen ist – bestimmen können, dass auch die übrigen Bewertungen zu begründen sind (Satz 3). Zwar hat der Dienstherr beim Erlass von Beurteilungsrichtlinien einen weiten Gestaltungs- und Ermessensspielraum, der ihn berechtigt, entsprechend seinen Vorstellungen über die Erfordernisse seiner Verwaltungen unterschiedliche Beurteilungssysteme einzuführen, einschließlich der Aufstellung einer Notenskala und der Festlegung, welcher Begriffsinhalt mit den einzelnen Notenbezeichnungen auszudrücken ist12. Ob der Dienstherr jeweils das zweckmäßigste System getroffen hat oder ob zweckmäßigere denkbar wären, ist nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Das richtlinienkonforme Unterlassen einer jeglichen Begründung der allein durch Punkte ausgedrückten Bewertung der Leistungsmerkmale Arbeitsmenge, Arbeitsweise und Arbeitsgüte in der Beurteilung des Beamten erweist sich jedoch als rechtswidrig. Zwar ist es mangels anderweitiger Regelung in Gesetz oder Rechtsverordnung grundsätzlich zulässig, die Noten, auch die Gesamtnote, allein durch eine Zahl (Punkte) auszudrücken13, doch erfordert es der Anspruch sowohl aus Art. 33 Abs. 2 GG als auch – bezogen auf das gerichtliche Verfahren – aus Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass schon die dienstliche Beurteilung selbst in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst ist14. Die Beurteilung muss geeignet sein, den – den Beurteilten nicht kennenden – Leser in den Stand zu setzen, sich ein klares Bild über das Leistungsvermögen und die charakterlichen Eigenarten des Beurteilten zu machen, wobei vom Wortlaut des verfassten Textes auszugehen ist15.
Dem genügt eine dienstliche Beurteilung jedenfalls dann nicht, wenn für deren Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale durch Vergabe einer bestimmten Punktzahl jegliche Begründung fehlt. Denn ohne eine Begründung ist der Beamte nicht – wie erforderlich – in der Lage, seine dienstliche Beurteilung etwa hinsichtlich der für das Leistungsmerkmal Arbeitsmenge (zu berücksichtigen sind hier insbesondere: Bewältigung der zugewiesenen Aufgaben, Rückstände) vergebenen Note von 5,5 Punkten innerhalb des in Nr. 5.5 BRL für die Beurteilungsstufe „entspricht den Leistungserwartungen“ vorgesehenen Rahmens von 3 bis 5 Punkten etwa in Abgrenzung zur nächsthöheren Beurteilungsstufe „übertrifft die Leistungserwartungen“ (6 bis 8 Punkte) nachzuvollziehen, die er in der vorangegangenen Regelbeurteilung vom 01.03.2006 mit 6 Punkten noch erreicht hatte. Insoweit ist anders als in § 4 Abs. 2 Nr. 3 der Beurteilungsverordnung die hier vergebene Bewertung mit 5,5 Punkten – solche Zwischenbewertungen sind nach Nr. 5.5 BRL zulässig – noch nicht einmal einer der in den Beurteilungsrichtlinien umschriebenen Beurteilungsstufen eindeutig zugeordnet. Hinzu kommt, dass das (maßgebliche) Gesamturteil nach Nr. 5.6 BRL aus der Bewertung der Leistungsmerkmale und „unter Würdigung des Gesamtbildes der Leistungen“ zu bilden ist, was über eine widerspruchsfreie „Ableitung“ aus nur Punktzahlen hinausgeht. Darüber hinaus ist nicht plausibel, dass die Beurteilungsrichtlinien eine Begründungspflicht nur bei Zuerkennung von 1 bis 2,5 sowie von 7 und mehr Punkten vorsehen und für die übrigen Bewertungen einer entsprechenden Regelung durch die obersten Dienstbehörden überlassen, was sogar innerhalb der Beurteilungsstufe „übertrifft die Leistungserwartungen“ (6 bis 8 Punkte) zu einem Auseinanderfallen der Begründungspflicht führt. An dieser Einschätzung hält der Senat nach erneuter Überprüfung auch im Hinblick auf die vom Dienstherrn formulierten Bedenken fest.
Im hier entschiedenen Fall fehlen den der vorliegenden Auswahlentscheidung zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen nicht nur „Begründungselemente“, vielmehr fehlt jegliche Begründung der vergebenen Punktzahlen sowohl für die einzelnen Leistungsmerkmale als auch für das Gesamturteil. Welcher ganz konkrete Begriffsinhalt mit der einzelnen Notenbezeichnung verbunden ist (sein soll), ergibt sich weder aus den über den Beamte und die Beigeladene erstellten dienstlichen Beurteilungen noch aus den Beurteilungsrichtlinien. Diese legen unter Nr. 5.5. im hier fraglichen Bereich zum Beurteilungsmaßstab lediglich fest, dass 3 bis 5 Punkte „entspricht den Leistungserwartungen“ und 6 bis 8 Punkte „übertrifft die Leistungserwartungen“ bedeuten, wobei Zwischenbewertungen mit halben Punkten – wie erwähnt – zulässig sind. Eine auch nur ansatzweise nachvollziehbare und aussagekräftige Begründung für die in diesem Rahmen getroffenen – abgestuften – Bewertungen der lediglich drei, nicht weiter differenzierten Leistungsmerkmale Arbeitsmenge, Arbeitsweise und Arbeitsgüte sowie des Gesamturteils ergibt sich daraus nicht. Der Beamte kann aus der nicht begründeten Beurteilung der einzelnen Leistungsmerkmale und des Gesamturteils seinen Leistungsstand und die getroffene Bewertung (gerade) nicht nachvollziehen. Die fehlende Nachvollziehbarkeit der für die Auswahlentscheidung herangezogenen dienstlichen Beurteilungen wird hier nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass beispielsweise nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen die Beigeladene mit Einzelbewertungen von 6 (Arbeitsmenge), 6,5 (Arbeitsweise) und 6 Punkten (Arbeitsgüte) in ihrer dienstlichen Beurteilung vom 02.03.2009 auf ein Gesamturteil von 6,5 Punkten kommt, in ihrer vorangegangenen Regelbeurteilung vom 01.03.2006 hingegen das Gesamturteil trotz gleicher Einzelbewertungen auf (lediglich) 6 Punkte lautet. Zwar ist das nach Nr. 5.6 BRL zu treffende und für den Leistungsvergleich bei der Auswahlentscheidung in erster Linie maßgebliche Gesamturteil nicht rein rechnerisch zu ermitteln, sondern aus der Bewertung der Leistungsmerkmale und unter Würdigung des Gesamtbildes der Leistungen zu bilden. Doch müssen die wesentlichen Gründe der vorgenommenen Beurteilung erkennbar gemacht werden, um vor dem Hintergrund der – unangetasteten – Beurteilungsermächtigung und des bestehenden weiten Spielraums im Rahmen eines Auswahlverfahrens nachfolgend effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG – sei es in einem Verfahren gegen die dienstliche Beurteilung selbst, sei es wie hier im Verfahren gegen die Auswahlentscheidung, die auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen getroffen wurde – gewährleisten zu können. Auch die im Rahmen der Auswahlentscheidung bei Gleichstand mehrerer Bewerber nach dem Gesamturteil gebotene Ausschöpfung der dienstlichen Beurteilungen16 ist mangels Begründung nicht möglich.
Es fehlt damit eine hinreichende Grundlage für den im Rahmen der Auswahlentscheidung vorzunehmenden Leistungsvergleich. Eine effektive gerichtliche Kontrolle der dienstlichen Beurteilungen der Bewerber, die weder (überprüfbare) Tatsachen noch (zusammenfassende) Wertungen und auch keinen Hinweis auf die jeweils zugrunde liegende Erkenntnisquelle (Einholung von Beurteilungsbeiträgen) enthalten, ist nicht möglich. Der vom Dienstherrn angeführte nicht unerhebliche verwaltungsmäßige Mehraufwand für die Erstellung begründeter dienstlicher Beurteilungen kann wegen ihrer erheblichen Bedeutung für das Fortkommen des einzelnen Beamten in diesem Zusammenhang kein Grund sein, auf die von Verfassungs wegen gebotene Begründung zu verzichten und Erläuterungen nur bei Bedarf, d.h. auf Verlangen des Beamten, und nur im insoweit angemahnten Umfang vorzunehmen bzw. nachzuholen. Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Gebots, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Sie trägt zugleich dem dadurch ebenfalls geschützten Anliegen des Beamten Rechnung, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen „Klärung einer Wettbewerbssituation“ zu. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen17. Eine Begründung ist vor diesem Hintergrund Voraussetzung dafür, dass die Beurteilung ihren Zweck erfüllen kann, einen Vergleich der Beamten untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen. Praktische Schwierigkeiten und der vom Dienstherrn geltend gemachte verwaltungsmäßige Mehraufwand rechtfertigen es nicht, den durch Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutz einzuschränken18.
Die vom Dienstherrn angesprochene geringe Zahl von Rügen, die von Beamten gegen dienstliche Beurteilungen erhoben werden, rechtfertigt einen Verzicht auf das Erfordernis einer Begründung, die eine etwaige „Angriffsfläche“ – gerade auch bei durchschnittlichen Beurteilungen – überhaupt erst liefern und zu einer nachfolgenden Erläuterung und Plausibilisierung führen könnte, ebenfalls nicht. Die geltend gemachte Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung durch die Erstellung begründeter Beurteilungen lässt sich trotz der angegebenen nicht unerheblichen Anzahl von rd. 150 „betroffenen“ Beurteilungen je Anstaltsleiter und Beurteilungsstichtag (alle drei Jahre) nicht nachvollziehen. An den erforderlichen Begründungsaufwand sind gerade im Bereich einer Massenverwaltung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Auch Erläuterungen, die unter Heranziehung von Textbausteinen gegeben werden, können dem jeweiligen Beamten gegebenenfalls die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, um etwaige Einwendungen vorzubringen und ergänzende Erläuterungen einzufordern. Nur und erst die schriftliche Fixierung der maßgeblichen Beurteilungserwägungen ermöglicht es auch dem Gericht, die angegriffene Beurteilung eigenständig nachzuvollziehen.
Der Dienstherr kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die dienstliche Beurteilung mit dem Beamte mündlich besprochen worden ist. Die in § 115 Abs. 2 Satz 1 LBG a.F. (nunmehr § 51 Abs. 2 Satz 1 LBG) und Nr.08.5 BRL vorgeschriebene Bekanntgabe und (auf Verlangen des Beamten) Besprechung der Beurteilung gibt dem Dienstherrn (nur) Gelegenheit, dem Beamten die Ergebnisse der Beurteilung und ihre Grundlagen näher zu erläutern19. Das Fehlen jeglicher Begründung für die bei den einzelnen Leistungsmerkmalen und beim Gesamturteil – das unter Würdigung des Gesamtbildes der Leistungen zu bilden ist – vergebenen Punktzahlen (Bewertung) kann dadurch nicht kompensiert werden20. Angesichts dessen, dass die dienstlichen Beurteilungen maßgebliche und hier sogar einzige Grundlage der Auswahlentscheidung (gewesen) sind, gilt insoweit letztlich nichts anderes als im Hinblick auf die aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen21. Hiervon erfasst sind nicht zuletzt auch die dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten, die mit dem Beamte nicht besprochen werden.
Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich entgegen dem Dienstherrnvorbringen (gerade) nicht, dass eine schriftliche Begründung dienstlicher Beurteilungen nicht erforderlich wäre. In dem angeführten Kammerbeschluss vom 29.05.200222 befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der – hier unstreitigen – eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle dienstlicher Beurteilungen vor dem Hintergrund des bestehenden Beurteilungsspielraums und hält es für verfassungsrechtlich unbedenklich, dass sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle nach ständiger Rechtsprechung nur darauf erstreckt, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. In diesem Zusammenhang geht das Bundesverfassungsgericht auf die Kontrolldichte in Bezug auf einzelne Formulierungen in dienstlichen Beurteilungen – Tatsachen und/oder Werturteile – ein. Diese Konkretisierung der Kontrolldichte im Einzelfall setzt aber (gerade) voraus, dass überhaupt eine Begründung für die erfolgte Bewertung gegeben worden ist. Nur dann kommt auch eine Änderung oder Konkretisierung von allgemein gehaltenen Tatsachenbehauptungen oder (zu) pauschal formulierten Werturteilen in Betracht.
Auch soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine geringfügige Verschlechterung der dienstlichen Beurteilung gegenüber der vorherigen keiner Begründung durch Anführen von konkreten Umständen in der dienstlichen Beurteilung selbst bedarf23, ergibt sich daraus nicht, dass eine Begründung überhaupt nicht erforderlich wäre. Es müssen lediglich keine „konkreten Umstände“ (Tatsachen) zur Begründung der getroffenen Wertung angeführt werden. Dem Beamten muss es aber ermöglicht werden, das getroffene (zusammenfassende) Werturteil nachzuvollziehen. Es genügt nicht, – wie hier – nur das bloße punktemäßige Ergebnis der Beurteilung der einzelnen Leistungsmerkmale und des Gesamturteils wiederzugeben. Die Beurteilungsverordnung sieht dementsprechend – anders als die Beurteilungsrichtlinien – auch keinen (teilweisen) Verzicht auf das Begründungserfordernis für dienstliche Beurteilungen vor. Soweit der Dienstherr in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die vergebene Punktzahl wegen des zugeordneten Beurteilungsmaßstabs – hier: entspricht den Leistungsanforderungen – eine (Art) „Begründung“ für die Bewertung des jeweiligen Leistungsmerkmals (und des Gesamturteils) enthalte, geht der zu verwendende Beurteilungsvordruck in Einklang mit Nr. 5.4 BRL zutreffend selbst davon aus, dass die Begründung ein hiervon zu trennendes Element der dienstlichen Beurteilung ist.
Eine Heilung der Auswahlentscheidung aufgrund einer Heilung der ihr maßgeblich zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilung des Beamten vom 02.03.2009 durch ein (teilweises) Nachholen der Begründung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (im Widerspruchsbescheid erfolgte keine Begründung der vergebenen Punktezahlen) ist nicht eingetreten.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts24 ist geklärt, dass Erläuterungen (Konkretisierungen) einer dienstlichen Beurteilung auch noch im Verwaltungsstreitverfahren nach Beendigung des Widerspruchsverfahrens nachgeschoben werden dürfen. Diese – einzelfallbezogenen – Darlegungen sind ihrem Inhalt nach nicht beschränkt25. Plausibilisierungsdefizite können demnach auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geheilt werden. Das rechtfertigt sich aus prozessökonomischen Gesichtspunkten. Die Rechte des betroffenen Beamten werden dabei in aller Regel gewahrt. Einer dadurch bewirkten nachträglichen Entziehung des Klagegrundes kann durch entsprechende Prozesserklärungen und eine Kostenentscheidung nach § 155 Abs. 4 VwGO Rechnung getragen werden. Bei den in erster Instanz schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung „nachgeschobenen“ Erklärungen des Dienstherrn handelt es sich jedoch nicht um eine bloße Erläuterung der Beurteilung – sei es im Bereich von Tatsachenfeststellungen, sei es auf der Ebene von Werturteilen, sondern um die erstmalige (schriftliche) Abgabe einer Begründung der punktemäßigen Bewertungen der einzelnen Leistungsmerkmale und des Gesamturteils in der dienstlichen Beurteilung des Beamten im Verfahren des Konkurrentenstreits. Insoweit steht der Rechtsgedanke des § 114 Satz 2 VwGO einer erstmaligen Nachholung im gerichtlichen Verfahren entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im Zusammenhang mit der nachträglichen Begründung einer Auswahlentscheidung im gerichtlichen Verfahren ausgeführt, dass bei Einschätzungen, bei denen – wie hier – ein Beurteilungsspielraum besteht, im gerichtlichen Verfahren nur eine Ergänzung oder Präzisierung der Erwägungen, nicht aber eine vollständige Nachholung oder Auswechslung zulässig sei26. Eine Heilung des vollständigen Begründungsmangels einer dienstlichen Beurteilung ist damit ausgeschlossen, denn die nachgeschobenen Erläuterungen kommen einer wesentlichen Änderung der Beurteilung gleich27. Eine Heilungsmöglichkeit ergibt sich insoweit auch nicht in Anlehnung an § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 LVwVfG28. Auf der Grundlage einer infolge nachgeholter Begründung „geänderten“ dienstlichen Beurteilung des Beamten wäre die Auswahlentscheidung am 16.04.2010 auch nicht getroffen worden.
Ungeachtet dessen ist hier eine Heilung aber auch deshalb nicht eingetreten, weil der Dienstherr im Rahmen der Klageerwiderung vom 24.01.2011 und im Schriftsatz vom 12.08.2011 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 25.01.2012 eine – erstmalige – Begründung nur für Teile der dienstlichen Beurteilung des Beamten abgegeben hat. Der Annahme einer Heilung steht insoweit bereits entgegen, dass nicht alle Einzelbewertungen der Leistungsmerkmale Arbeitsmenge, Arbeitsweise und Arbeitsgüte begründet worden sind. Darüber hinaus fehlt es nach wie vor an einer (nachvollziehbaren) Begründung des – maßgeblichen – Gesamturteils, das nach Nr. 5.6 BRL aus der Bewertung der Leistungsmerkmale und „unter Würdigung des Gesamtbildes der Leistungen“ zu bilden ist. Eine umfassende Nachbesserung ist nicht erfolgt, vielmehr wurden Erläuterungen nur zu dem vom Beamte angesprochenen Leistungsmerkmal Arbeitsmenge gegeben. Die Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung wegen Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG wurde damit nicht beseitigt, denn der Beamte kann mangels Begründung der weiteren Leistungsmerkmale und des Gesamturteils etwaige Angriffe hiergegen gerade nicht formulieren. Gleiches gilt für die der Auswahlentscheidung maßgeblich zugrunde gelegte, ebenfalls nicht begründete dienstliche Beurteilung der Beigeladenen.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Juli 2012 – 4 S 575/12
- Bestätigung von VGH Baden-Württ., Beschluss vom 29.11.2010 – 4 S 2416/10, VBlBW 2011, 278[↩]
- Abgrenzung zu BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.87, BVerwGE 60, 245; sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.06.2009 – 4 S 213/09, NVwZ-RR 2009, 967; und Urteil vom 22.07.1996 – 4 S 2464/94[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 138, 102, vom 28.10.2004 – 2 C 23.03, BVerwGE 122, 147 und vom 17.08.2005 – 2 C 37.04, BVerwGE 124, 99[↩]
- vgl. dazu, dass ein Beamter grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung hat: BVerwG, Gerichtsbescheid vom 21.09.2005 – 2 A 5.04, m.w.N.[↩]
- vgl. zu diesen Anforderungen im Hinblick auf den hilfsweise gestellten Bescheidungsantrag: BVerwG, Urteil vom 04.11.2010, a.a.O. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.2012 – 2 A 7.09; sowie Beschlüsse vom 16.12.2008 – 1 WB 19.08, BVerwGE 133, 13; und vom 25.04.2007 – 1 WB 31.06, BVerwGE 128, 329; vgl. allerdings im Hinblick auf das Vorliegen von gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.04.2011 – 4 S 353/11, IÖD 2011, 147[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.01.2012, a.a.O.[↩]
- BVerwG, Urteile vom 04.11.2010, a.a.O., vom 19.12.2002 – 2 C 31.01, Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1, vom 27.02.2003 – 2 C 16.02, IÖD 2003, 170 und vom 28.10.2004, a.a.O.[↩]
- vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.06.2009 – 4 S 213/09, NVwZ-RR 2009, 967 m.w.N.[↩]
- GBl. S.209 – mit späteren Änderungen[↩]
- vom 15.11.2005, GABl.2005, 822[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.1981 – 2 C 8.79, NVwZ 1982, 101 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.01.1994 – 2 B 5.94, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 16; s.a. Urteile vom 30.04.1981 und vom 27.02.2003, jeweils a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245 und Urteil vom 11.12.2008 – 2 A 7.07, Buchholz 232.1 § 41a BLV Nr. 2[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 21.07.1992 – 1 WB 87.91, BVerwGE 93, 279[↩]
- vgl. hierzu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21.06.2011 – 4 S 1075/11, IÖD 2011, 230 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 27.02.2003 und vom 11.12.2008, jeweils a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.2003 – 2 C 14.02, BVerwGE 118, 370 m.w.N.[↩]
- vgl. auch BVerwG, Urteil vom 26.06.1980, a.a.O.[↩]
- vgl. hierzu bereits VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.11.2010, a.a.O.[↩]
- vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07, BVerfGK 11, 398; BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008, a.a.O. m.w.N.; s. nunmehr auch zur Dokumentationspflicht bei Abbruch eines Auswahlverfahrens BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 – 2 BvR 1181/11, IÖD 2012, 38 und BVerwG, Urteil vom 26.01.2012, a.a.O.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 29.05.2002 – 2 BvR 723/99, DVBl.2002, 1203[↩]
- BVerwG, Urteil vom 11.11.1999 – 2 A 6.98, DÖD 2000, 108[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.06.1980, a.a.O.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 19.08.2004 – 2 B 44.04; s. a. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.06.2005 – 6 A 3355/03, IÖD 2005, 268 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008, a.a.O.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.07.2007, a.a.O.[↩]
- a.A. wohl noch – ohne nähere Begründung – VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.06.2009, a.a.O.; und Urteil vom 22.07.1996 – 4 S 2464/94[↩]
- vgl. hierzu im Zusammenhang mit der Dokumentationspflicht bei Auswahlentscheidungen BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008, a.a.O.[↩]