Disziplinare Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – durch Verwaltungsakt

Die im Landesrecht von Baden-Württemberg vorgesehene disziplinare Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verfassungskonform. Die baden-württembergische Regelung verstößt nicht gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG).

Disziplinare Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – durch Verwaltungsakt

Auf der Grundlage des Landesdisziplinargesetzes Baden-Württemberg von 2008 werden sämtliche Disziplinarmaßnahmen gegenüber Landesbeamten durch behördliche Disziplinarverfügung ausgesprochen (§ 38 Abs. 1 LDG BW). Damit weicht das LDG BW von den entsprechenden Gesetzen in Bund und Ländern ab. Dort werden die disziplinaren Höchstmaßnahmen – Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und Aberkennung des Ruhegehalts – nur aufgrund einer Disziplinarklage durch Disziplinargerichte verhängt.

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall betrieb der klagende Polizeibeamte nebenberuflich zwei Bauunternehmen, die zunehmend in finanzielle Schieflage gerieten. Im strafgerichtlichen Verfahren verurteilte ihn das Landgericht wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in acht Fällen zu einer zur Bewährung aus­gesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten. Im sachgleichen Disziplinarverfahren entfernte ihn sein Dienstvorgesetzter durch Disziplinarverfügung aus dem Beamtenverhältnis.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem Berufungsurteil1 seine gerichtliche Überprüfung auf einen Teil der Dienstpflichtverletzungen aus dem in der Disziplinarverfügung zugrunde gelegten einheitlichen Dienstvergehen beschränkt, weil bereits diese die Höchstmaßnahme rechtfertigten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Polizeibeamten ebenfalls zurückgewiesen:

Der durch das LDG BW angeordneten Erweiterung der behördlichen Disziplinarkom­petenz bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts durch Disziplinarverfügung stehen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht entgegen. Hergebrachte Grund­sätze des Berufsbeamtentums enthalten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind. Die Entlassung eines auf Lebenszeit ernannten Beamten wegen eines Dienstvergehens war damals einfachgesetzlich auf Reichsebene wie in den Gliedstaaten teils Gerichten, teils aber auch Verwaltungs- oder besonderen Disziplinarbehörden übertragen. Die Weimarer Verfassung akzeptierte diese Vielfalt der Verfahrensgestaltung und beschränkte sich darauf, gegen „jedes dienstliche Straferkenntnis“ den Rechtsweg zu eröffnen. Im Land Preußen wurden erst im April 1932 unabhängige Disziplinargerichte eingerichtet. Außerdem war für Beamte im Gesamtstaat wie in den Ländern stets ein Schutz vor willkürlicher Entlassung durch den Dienstherrn anerkannt.

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Der einem Landesbeamten nach dem LDG BW eröffnete umfassende nachträgliche Rechtsschutz gegen eine Disziplinarverfügung, der eine eigene Disziplinarbefugnis der Disziplinargerichte enthält, genügt den Anforderungen an den verfassungsrechtlich gebotenen disziplinaren Entlassungsschutz. Von der mit der Revision gerügten Verfassungswidrigkeit der behördlichen Disziplinarbefugnis nach dem LDG BW ist das Bundesverwaltungsgericht nicht überzeugt.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. April 2016 – 2 C 4.15

  1. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2013 – DL 13 S 724/13[]