In Konkurrentenstreitverfahren ergibt sich aus einem Erfahrungsvorsprung des ausgewählten Bewerbers dann kein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, wenn auch der Antragsteller auf einen höherwertigen Dienstposten versetzt wurde.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich in Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung eines Dienstpostens ein Anordnungsgrund daraus ergeben, dass ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung erlangt, der im Fall des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre. Ein insoweit beurteilungsrelevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund ist erst anzunehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt des ausgewählten Bewerbers auf dem strittigen Dienstposten und der (noch zu treffenden) gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von deutlich mehr als sechs Monaten liegt1.
Da im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall die erfolgreiche Bewerberin ausweislich der Versetzungsverfügung vom 08.02.2022 am 21.02.2022 den Dienst auf dem streitgegenständlichen Dienstposten angetreten hat, ist die Spanne von sechs Monaten hier zwar überschritten. Vorliegend ist jedoch zwischenzeitlich auch der Antragsteller für einen höherwertigen Dienstposten ausgewählt worden, auf den er bereits versetzt wurde. Damit ist auch ihm die Möglichkeit eröffnet, Erfahrungen bei der Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben zu sammeln und auf der A 16-Ebene beurteilt zu werden. Damit begründet die weitere Verwendung der Beigeladenen auf dem streitgegenständlichen Dienstposten ihm gegenüber keinen hinreichend gewichtigen Vorsprung mehr, der geeignet wäre, einen Erfolg des Antragstellers im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren zu entwerten. Denn eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung verfestigt sich nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; die Beigeladene müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre2. Soweit es in einem neuen Auswahlverfahren nach Ausschöpfung aller vorrangigen Leistungs- und Eignungskriterien auf bereits in Vorverwendungen gesammelte Erfahrungen auf der A 16-Ebene ankommt, können sowohl die Beigeladene als auch der Antragsteller auf entsprechende Erfahrungen verweisen. Ausreichender Rechtsschutz kann vor diesem Hintergrund auch im Hauptsacheverfahren erlangt werden, auf das der Antragsteller zumutbar verwiesen werden kann.
Etwas Anderes folgt nicht aus dem Vorbringen des Antragstellers, er wisse nicht, ob es wegen seiner Auswahl für den höherwertigen Dienstposten, auf den er versetzt sei, zu Konkurrentenstreitigkeiten kommen werde. Die bloß theoretische Möglichkeit, dass der Antragsteller noch vor dem Erwerb beurteilungsrelevanter Erfahrungen auf dem streitgegenständlichen Dienstposten wegen eines erfolgreichen Eilantrages eines Konkurrenten vorläufig wegversetzt werden könnte, rechtfertigt es auch im Lichte von Art.19 Abs. 4 GG nicht, den Dienstposten bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren frei zu halten. Zeiten der Vakanz von Dienstposten sind im öffentlichen Interesse an der effektiven Erfüllung der Aufgaben der Streitkräfte und dem effizienten Einsatz von Personal so kurz wie möglich zu halten. Es ist dem Antragsteller zumutbar, vorläufigen Rechtsschutz erst dann einzuholen, wenn er tatsächlich von dem höherwertigen Dienstposten vor der Erlangung beurteilungsrelevanter Erfahrungen abgelöst und auch danach nicht mehr auf der A 16-Ebene verwendet wird, die ihm entsprechende Erfahrungen verschafft.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Oktober 2022 – 1 W -VR 16.22
- stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29.04.2010 – 1 WDS-VR 2.10, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn.20 f.; und vom 19.12.2011 – 1 WDS-VR 5.11, BVerwGE 141, 271 Rn. 29 f.[↩]
- vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 25.04.2007 – 1 WB 31.06, BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m. w. N.[↩]
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