Entlassung eines Zeitsoldaten

Mit der Anwendbarkeit und den Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SG bei der Entlassung eines Zeitsoldaten nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG hatte sich aktuell der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu befassen:

Entlassung eines Zeitsoldaten

Rechtsgrundlage für die Entlassung des Zeitsoldaten ist § 55 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG i.d.F. von Art. 10 des – (insoweit) am 12.02.2009 in Kraft getretenen – Dienstrechtsneuordnungsgesetz1. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SG gilt für den Soldaten auf Zeit § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 SG entsprechend. Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG ist ein Berufssoldat zu entlassen, wenn er seine Ernennung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt hat.

Die Voraussetzungen dieser Reglung sind im hier vom Verwaltungsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall erfüllt, weil der Kläger entgegen der von ihm am 01.09.2008 unterzeichneten Information und Belehrung vor seinem Eintritt in die Bundeswehr zum 01.01.2009 die Stammdienststelle der Bundeswehr als Einstellungsbehörde nicht über das im Anschluss an den Vorfall vom 10.07.2008 gegen ihn geführte Ermittlungs- bzw. Strafverfahren (das mit rechtskräftigem Strafurteil des Amtsgerichts, Jugendrichter, vom 02.04.2009 endete) unterrichtet und damit seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat2.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SG kann allerdings das Bundesministerium der Verteidigung in den Fällen des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG wegen besonderer Härte eine Ausnahme zulassen.

Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die Ausnahmeregelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SG bei einem Soldaten auf Zeit – wie dem Kläger – überhaupt anwendbar ist, was teilweise unter Verweis auf den Wortlaut von § 55 Abs. 1 Satz 1 SG in Abrede gestellt wird. Nach dieser Vorschrift gilt – wie bereits erwähnt – für den Soldaten auf Zeit § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 SG entsprechend. Auf § 46 Abs. 2 Satz 2 SG, der die umstrittene Ausnahmeregelung enthält, wird in § 55 Abs. 1 Satz 1 SG nicht verwiesen. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht Oldenburg3 für den Soldaten auf Zeit die Regelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SG für nicht (mehr) anwendbar erachtet und damit eine Prüfung, ob wegen besonderer Härte von der Entlassung abgesehen werden kann, nicht (mehr) für erforderlich gehalten. Das Verwaltungsgericht hat zwar ebenfalls gesehen, dass § 55 Abs. 1 Satz 1 SG nur auf § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 SG – und nicht auch auf Satz 2 – verweist. Es hat jedoch darauf hingewiesen, dass bis zum 31.12.2000, also vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes und anderer Vorschriften vom 19.12.20004, mit dem Verweis in § 55 Abs. 1 SG – er bestand nur aus diesem einen Satz – auf § 46 Abs. 2 Nr. 2 SG wegen der damaligen Fassung dieser Bestimmung auch die darin enthaltene Ausnahmeregelung erfasst war. § 46 Abs. 2 Nr. 2 in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung des Soldatengesetzes vom 15.12.19955 lautete: „Ein Berufssoldat ist zu entlassen, wenn er seine Ernennung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt hat, außer wenn der Bundesminister der Verteidigung wegen besonderer Härte eine Ausnahme zulässt.“ Mit dem zum 01.01.2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes und anderer Vorschriften vom 19.12.20004 wurde – unter unveränderter Belassung von § 55 Abs. 1 SG – durch Art. 1 Nr. 33 § 46 Abs. 2 SG dahingehend geändert, dass in Nr. 2 die Wörter „außer wenn der Bundesminister der Verteidigung wegen besonderer Härte eine Ausnahme zulässt“ gestrichen wurden und folgender Satz 2 angefügt wurde: „In den Fällen der Nummer 2 kann das Bundesministerium der Verteidigung wegen besonderer Härte eine Ausnahme zulassen.“ Nach Meinung des Verwaltungsgerichts stellt die (textliche) Herausnahme der Ausnahmeregelung aus dem Entlassungstatbestand und deren (ebenfalls textliche) Neustatuierung als Satz 2 des § 46 Abs. 2 SG in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung evident jedoch keine inhaltliche Änderung des Systems dar, wonach auch auf die Entlassung von Zeitsoldaten die Vorschrift über die Entlassung der Berufssoldaten Anwendung finde; wie sich vielmehr aus den Motiven ergebe, habe die bisher im Text der Nr. 2 genannte Ausnahmemöglichkeit lediglich in Anpassung an § 37 Abs. 2 SG und § 38 Abs. 3 (jetzt: Abs. 2) SG in einen eigenen Satz aufgenommen und hierdurch verdeutlicht werden sollen, dass die Ausnahme von der Entlassung eine Ermessensentscheidung sei6.

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Der bis 31.12.2000 geltenden Fassung des § 46 Abs. 2 Nr. 2 SG hatte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz7 eine „ungewöhnliche Normstruktur“ bescheinigt, weil die zwingende Rechtsfolge („ist zu entlassen“) auch an die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung geknüpft sei, keine Ausnahme zuzulassen, und ein damit vorgegebenes Ermessen auf der Tatbestandsseite der Norm nach heute ganz herrschender Meinung unzulässig sei; Ermessen gebe es aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit lediglich auf der Rechtsfolgeseite der Norm; nach zutreffendem Verständnis des § 46 Abs. 2 Nr. 2 SG sei diese Norm keine Ermessensvorschrift, sondern enthalte lediglich eine Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, wobei auch unschädlich sei, dass in der (damals angefochtenen) Entlassungsverfügung hierzu keine weiteren Ausführungen enthalten seien. Diese Sicht der Normstruktur hat das Bundesverwaltungsgericht8 nicht geteilt, sondern erkannt, dass nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik des § 46 Abs. 2 Nr. 2 SG die Verwaltungsgerichte zu prüfen haben, ob überhaupt eine besondere Härte vorliegt; denn nur wenn dies bejaht werden kann, ist Raum für Ermessenserwägungen und deren richterliche Nachprüfung.

Durch die zum 01.01.2001 zu Zwecken der Klarstellung und Präzisierung als Ermessensregelung6 vorgenommene Verselbständigung und Neufassung der Ausnahmevorschrift in § 46 Abs. 2 Satz 2 SG erschien nun ihrerseits die unverändert gebliebene Verweisungsnorm des § 55 Abs. 1 SG unpräzise, wonach für den Soldaten auf Zeit § 46 Abs.1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 5 sowie Nr. 7 und 8 SG entsprechend gilt. Denn (nur) einen § 46 Abs. 2 SG mit den genannten Nummern (ohne einen Satz 1 und einen Satz 2) gab und gibt es so nicht mehr. Die genannten Nummern waren und sind nunmehr in § 46 Abs. 2 Satz 1 SG enthalten. Auch in der Neufassung des Soldatengesetzes vom 30.05.20059 sind § 46 Abs. 2 (Satz 1 und 2) SG sowie insbesondere § 55 Abs. 1 SG (als Verweisungsnorm) unverändert geblieben, so dass der beschriebene Mangel an Präzision weiterhin gegeben war. Erst durch Art. 10 Nr. 26 des am 12.02.2009 in Kraft getretenen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes ist § 55 Abs. 1 SG dahingehend neu gefasst worden, dass nach (dem neuen) Satz 1 für den Soldaten auf Zeit § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 SG entsprechend gilt; es folgen zwei weitere – vorliegend nicht interessierende – Sätze, die in der bisherigen Regelung des § 55 Abs. 1 SG nicht enthalten waren. Die „Umstrukturierung“ des § 46 Abs. 2 (Satz 1 und 2) SG in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung ist vom Gesetzgeber also erstmals mit dem am 12.02.2009 in Kraft getretenen Dienstrechtsneuordnungsgesetz in den Blick genommen worden, wobei er in der Neufassung des § 55 Abs. 1 Satz 1 SG nunmehr präzise, allerdings nur noch § 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 sowie 7 und 8 SG für entsprechend anwendbar erklärt, nicht aber auch die „verselbständigte“ und nach wie vor ausschließlich auf § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG bezogene und beschränkte Ausnahmeregelung in Satz 2. Ob dies als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers im Sinne einer – wie die Beklagte meint – „weiteren Schärfung der Abgrenzung zwischen Zeit- und Berufssoldaten“ zu werten ist, erscheint zweifelhaft. In den Materialien10 finden sich jedenfalls keine dahingehenden Erwägungen, wie sie zu erwarten gewesen wären oder doch nahe gelegen hätten, wenn eine bisher auch für den Zeitsoldaten – in (systematischer) Übereinstimmung mit dem Berufssoldaten – im Fall einer Entlassung wegen Herbeiführung der Ernennung durch arglistige Täuschung mögliche Ausnahme bei Vorliegen einer „besonderen Härte“ und damit eine den Zeitsoldaten begünstigende Regelung nicht mehr (entsprechend) gelten soll. Insofern dürfte der in § 55 Abs. 1 Satz 1 SG in der Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes unterbliebene Verweis auch auf Satz 2 des § 46 Abs. 2 SG auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhen.

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In den Urteilen des Verwaltungsgerichts Magdeburg11 und des Verwaltungsgerichts Trier12 ist – ohne ausdrückliche Thematisierung der Problematik – jeweils nur festgehalten, dass die Beklagte auch die Möglichkeit nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SG geprüft und ihr dementsprechendes Ermessen ausgeübt habe bzw. dass die Beklagte auch rechtsfehlerfrei zum Ergebnis gelangt sei, dass hier keine besondere Härte im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 SG vorliege. Dies mag durchaus ein „Beleg“ dafür sein, dass die Beklagte selbst jedenfalls in jenen Verfahren die umstrittene Ausnahmeregelung überhaupt für anwendbar gehalten hat. Gleiches gilt insoweit mit Blick auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 200413, in dem sich zum dortigen Verfahren ebenfalls die Erkenntnis findet, dass die Beklagte das Vorliegen einer „besonderen Härte“ im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 SG zu Recht verneint habe.

Einer abschließenden Entscheidung bedarf die angesprochene Problematik jedoch nicht. Denn auch bei Anwendbarkeit von § 46 Abs. 2 Satz 2 SG sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.

Bereits zu der bis 31.12.2000 geltenden Regelung des § 46 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 SG hat das Bundesverwaltungsgericht14 entschieden, dass nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik der Vorschrift die Verwaltungsgerichte vor allem zu prüfen haben, ob überhaupt eine besondere Härte vorliegt. Denn nur wenn dies bejaht werden kann, ist Raum für Ermessenserwägungen und deren richterliche Nachprüfung. Aus der seit 01.01.2001 geltenden Fassung des § 46 Abs. 2 Satz 2 SG ergibt sich nun völlig eindeutig, dass erst die Bejahung einer besonderen Härte den Ermessenspielraum der Beklagten für eine Ausnahme (von der nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG eigentlich zwingend vorgeschriebenen Entlassung des Soldaten) eröffnet. Entgegen dem Verwaltungsgericht vermag der Senat in einer Entlassung des Klägers allerdings keine besondere Härte zu erkennen.

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Eine „besondere Härte“ im Sinne der Ausnahmeregelung liegt nur vor, wenn sie über die mit einer Entlassung regelmäßig verbundene Belastung hinausgeht14. Für das Verständnis des unbestimmten Rechtsbegriffs „besondere Härte“ sind Sinn und Zweck des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG in den Blick zu nehmen. Dieser Entlassungstatbestand ist insbesondere auf die Wiederherstellung der Entschließungsfreiheit der Ernennungsbehörde und auch auf die Reinhaltung des öffentlichen Dienstes von Personen gerichtet, die durch unlauteres Verhalten diese Entschließungsfreiheit eingeschränkt haben15. Die in § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG geregelte zwingende Rechtsfolge der Entlassung des Soldaten ist der vom Gesetz gewollte „Ausgleich“ für die durch die arglistige Täuschung erlangte Einstellung. Der Täuschende wird statusrechtlich so gestellt, als hätte er von Anfang an die Wahrheit gesagt und wäre deshalb niemals eingestellt worden16. Vor diesem Hintergrund kommt ein ausnahmsweises Abweichen von dieser strikten Regel praktisch nur dann in Betracht, wenn die Entlassung für den Betroffenen aufgrund von nachträglich eingetretenen Umständen eine besondere – also außergewöhnliche – Härte bedeuten würde. Solche Gründe können insbesondere sein: langjährige tadelfreie Bewährung in der Bundeswehr, besondere soldatische Tapferkeit, Bereitschaft zu besonders gefährlichen Einsätzen, sonstige besondere Verdienste um das Gemeinwesen17. Durch solche Umstände kann die – durch arglistige Täuschung bewirkte – Unregelmäßigkeit bei der Ernennung des Zeitsoldaten ausgeglichen werden. Dabei reicht eine lange tadelfreie Führung im Dienst für sich betrachtet jedoch nicht aus, weil sie ohnehin von jedem Soldaten nach §§ 7 und 17 SG als soldatische Grundpflicht erwartet wird18.

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Danach genügt für die Annahme einer besonderen Härte in „qualitativer“ Hinsicht nicht, dass der zuständige Disziplinarvorgesetzte und der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte in ihren Stellungnahmen vom 30.06.2009 bzw. 20.07.2009 den Kläger als leistungswilligen und lernbereiten Unteroffiziersanwärter beschrieben haben, der sich durch eine hohe Motivation und ein dementsprechendes Leistungsbild täglich neu präsentiere. Abgesehen davon fehlt es angesichts der nur wenige Monate dauernden Zugehörigkeit des Klägers zur Bundeswehr auch schon an der erforderlichen „Langjährigkeit“ einer tadellosen Bewährung. Soweit das Verwaltungsgericht gemeint hat, die Beklagte selbst habe durch die Anhörung der beiden Disziplinarvorgesetzten zu erkennen gegeben, dass diese von Bedeutung sein werde, ergibt sich daraus weder etwas für eine andere (Höher-)Gewichtung der danach beanstandungsfreien Diensterfüllung durch den Kläger noch für eine irgendwie geartete Bindung der zuständigen Stammdienststelle der Bundeswehr an die (abweichende) Einschätzung der Disziplinarvorgesetzten hinsichtlich des Verhaltens des Klägers und dessen danach in Rede stehender Entlassung. Unerheblich bzw. untauglich ist im vorliegenden Zusammenhang auch die vom Amtsgericht im Strafurteil in erzieherischer Hinsicht angestellte „positive Prognose“, für die es darauf abgestellt hat, dass der Kläger nun beruflich Fuß gefasst habe. Dass dem eine arglistige Täuschung der Einstellungsbehörde zugrunde lag, war dem Gericht nicht bekannt. Die gerade wegen der durch arglistige Täuschung herbeigeführten Einstellung sich zwingend ergebende Rechtsfolge der Entlassung des Klägers kann schwerlich dadurch korrigiert werden, dass die unter Hinweis auf ein derartig unlauter zustande gekommenes berufliches Fußfassen erfolgte „positive Prognose“ des Amtsgerichts dem Kläger zur Begründung einer besondere Härte im Sinne der Ausnahmeregelung zugutegehalten wird. Angesichts der nur wenige Monate dauernden Zugehörigkeit des Klägers zur Bundeswehr ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Entlassung für ihn mit einer besonderen Belastung – etwa mit Blick auf seine (Wieder-)Eingliederung in das Zivilleben – verbunden wäre. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren (allein) versucht, seine Verfehlung damit zu relativieren, dass er sich im Alter von (erst) 17 Jahren aus Anlass einer Schulabschlussfeier mit einem Blutalkoholgehalt von 1,7 Promille nur „daneben“ benommen habe und auch das Amtsgericht sich mit der Feststellung der Straftat(en) unter Erteilung einer Verwarnung begnügt habe, übersieht er, dass es für die zwingende Rechtsfolge seiner Entlassung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG nicht auf diese Straftat(en) und ihre – wie der Kläger meint „milde“ – Bewertung durch das Amtsgericht ankommt, sondern darauf, dass er durch Unterlassen der Mitteilung des gegen ihn laufenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens trotz entsprechender Information und Belehrung seine Einstellung als Zeitsoldat durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat. Allein sein Alter von (erst) 17 Jahren auch noch zum Zeitpunkt der Täuschung der Einstellungsbehörde reicht ebenfalls nicht zur Begründung einer besonderen Härte, um über die zwingende Rechtsfolge seiner Entlassung aus der Bundeswehr hinwegzukommen. Wie ihm das Amtsgericht im Strafurteil vom 02.04.2009 „Strafreife“ gemäß §§ 1 und 3 JGG attestiert hat, so hat auch das Verwaltungsgericht – im Berufungsverfahren unbeanstandet – angenommen, dass der Kläger zweifellos die Bedeutung der Information und Belehrung vom 01.09.2008 ebenso verstanden habe wie ihm auch klar gewesen sei, dass im Fall des Verschweigens des gegen ihn laufenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens bei der Einstellungsbehörde eine relevante Fehlvorstellung über die für seine Berufung zum Soldaten auf Zeit maßgeblichen Umstände entstehen werde; Anhaltspunkte dafür, er habe sich aufgrund des damals noch minderjährigen Alters von 17 Jahren andere Vorstellungen gemacht, gebe es nicht und der Kläger habe dies auch nicht behauptet.

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Soweit das Verwaltungsgericht zur Stützung seiner Auffassung darauf hinweist, dass selbst im Fall von weitaus schwerwiegenderen Straftaten, die gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 SG ein Berufungshindernis darstellten, § 38 Abs. 2 SG im Einzelfall eine Ausnahmemöglichkeit mit Blick auf die Persönlichkeitsentwicklung des Täters vorsehe19, übersieht es, dass nach dieser Vorschrift das Bundesministerium der Verteidigung „in Einzelfällen“ Ausnahmen von Abs. 1 Nr. 1 (Berufungshindernis bei strafrechtlicher Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bzw. wegen bestimmter staatsbezogener Delikte) zulassen kann. Vom (strengeren) Erfordernis einer „besonderen Härte“ – wie in § 46 Abs. 2 Satz 2 SG – als Voraussetzung für eine im Ermessenswege mögliche Ausnahme spricht § 38 Abs. 2 SG nicht. Im Übrigen ist hierzu zwar anerkannt, dass eine Ausnahme von dem in § 38 Abs. 1 Nr. 1 SG genannten Hinderungsgrund im Hinblick auf die persönliche Entwicklung des Bewerbers in Betracht kommt. Verlangt wird jedoch insoweit, dass der Bewerber durch seine ganze Lebensweise zu erkennen gibt, dass eine nachhaltige Änderung seiner Einstellung zu den Anforderungen eines rechtmäßigen Verhaltens eingetreten ist, so dass ein Absehen von der früheren schweren Verurteilung vertretbar erscheint20. Von einer derartigen Persönlichkeitsentwicklung kann im Fall des Klägers schon angesichts der seit der erschlichenen Einstellung verstrichenen Zeit von nur wenigen Monaten keine Rede sein.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Urteil vom 24. Januar 2012 – 4 S 1239/11

  1. Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG) vom 05.02.2009, BGBl. I S. 160[]
  2. vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24.10.1996 – 2 C 23.96, BVerwGE 102, 178; und Beschluss vom 09.12.1998 – 2 B 100.98[]
  3. VG Oldenburg, Beschluss vom 19.05.2009 – 6 B 1116/09[]
  4. BGBl. I S. 1815[][]
  5. BGBl. I S. 1737[]
  6. vgl. BT-Drucks. 14/4062 S. 21[][]
  7. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.03.1995 – 10 B 10755/95[]
  8. BVerwG, Urteil vom 24.10.1996, a.a.O.[]
  9. BGBl. I S. 1482[]
  10. vgl. BT-Drucks. 16/10850 und 16/7076[]
  11. VG Madgeburg, Urteil vom 15.06.2010 – 5 A 158/09[]
  12. VG Trier, Urteil vom 30.10.2008 – 1 K 537/08.TR[]
  13. BayVGH, Beschluss vom 28.04.2004 – 3 B 00.47[]
  14. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.10.1996, a.a.O.[][]
  15. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.10.1996, a.a.O., m.w.N.[]
  16. vgl. BayVGH, Beschluss vom 15.12.1998 – 3 B 96.586[]
  17. vgl. BayVGH, Beschluss vom 15.12.1998, a.a.O.; VG Trier, Beschluss vom 30.10.2008, a.a.O.; ferner Scherer/Alff/Poretschkin, Soldatengesetz, 8. Aufl., § 46 RdNr. 10 und GKÖD, Band 1 Teil 5a, Soldatengesetz, § 46 RdNr. 25[]
  18. vgl. Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 46 RdNr. 10[]
  19. vgl. Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 38 RdNr. 12[]
  20. vgl. GKÖD, a.a.O., § 38 RdNr. 8[]