Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts1 gehört es in gerichtlichen Verfahren, deren Gegenstand die Berechtigung des Klägers zur Verweigerung des Kriegsdienstes ist, unter der Geltung des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes jedenfalls dann, wenn die Ablehnung des Anerkennungsbegehrens in Frage steht, regelmäßig zur Erforschung des Sachverhalts im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO, dass sich das Gericht einen persönlichen Eindruck von dem Kläger verschafft und ihn zu diesem Zweck förmlich als Partei vernimmt.

Die Förmlichkeit einer Parteivernehmung in Verbindung mit der ihr vorausgehenden Belehrung ist ein sachgerechtes Mittel, nicht nur dem Kläger und den sonstigen Verfahrensbeteiligten, sondern auch dem Gericht selbst die Bedeutung und die Gewichtigkeit der Bekundungen des Kriegsdienstverweigerers vor Augen zu führen.
Dies ist umso bedeutsamer, als nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Beurteilung des Vorliegens einer ernsthaften Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe das Verhalten, die Bekundungen und der Gesamteindruck des Wehrpflichtigen entscheidende Bedeutung haben2.
Das Erfordernis der Parteivernehmung besteht auch bei Fehlen eines dahingehenden Antrags des Betroffenen. Es entfällt nicht durch eine formlose Anhörung3.
Ausnahmen von dieser Regel kommen nur in sehr seltenen Konstellationen in Betracht. Das Bundesverwaltungsgericht hat sie in seiner Rechtsprechung im Wesentlichen dann angenommen, wenn die gesamten Umstände des Falles den Schluss rechtfertigten, dass der Kläger sein Anerkennungsbegehren nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgte, oder wenn sein bisheriges Vorbringen unschlüssig war, weil sich daraus ergab, dass er sich aus anderen als Gewissensgründen um die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bemühte bzw. sich nicht der Beteiligung an jeder Waffenanwendung zwischen den Staaten widersetzte.
Auch im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger sein Anerkennungsbegehren nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgt. Dass sich der Kläger aus anderen als Gewissensgründen um die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bemüht, erscheint zwar nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts möglich, aber nicht zwingend. Sonstige Gründe, die eine Parteivernehmung des Klägers entbehrlich machten, sind nicht ersichtlich.
Das Urteil kann auf dem Aufklärungsmangel beruhen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung einer im Rahmen der Parteivernehmung abgegebenen Darstellung die Gewissensgründe des Klägers anders als geschehen bewertet hätte.
Liegt bereits in Gestalt der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO ein Verfahrensmangel vor, auf dem die vorinstanzliche Entscheidung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann, kann dahinstehen, ob der Kläger die weitere Verfahrensrügen zu Recht erhebt.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. September 2015 – 6 B 312015 –
- vgl. jeweils m.w.N. etwa: BVerwG, Urteile vom 26.06.1981 – 6 C 183.80, NVwZ 1982, 40 f.; vom 03.09.1987 – 6 C 11.86, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr.192 S. 4 ff.; und vom 29.01.1990 – 6 C 4.88 8; Beschlüsse vom 29.04.1991 – 6 B 40.90, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 231 S. 59 f.; vom 13.09.2010 – 6 B 31.10, Buchholz 448.6 § 2 KDVG Nr. 6 Rn. 3; und vom 02.12 2013 – 6 B 30.13 3[↩]
- BVerwG, Urteil vom 26.06.1981 – 6 C 183.80, NVwZ 1982 S. 41 m.w.N.[↩]
- BVerwG, Urteile vom 26.06.1981 a.a.O. S. 40; und vom 29.01.1990 – 6 C 4.88 10[↩]