Die Regelung des § 45 des Sächsischen Besoldungsgesetzes über die Gewährung einer Strukturzulage hat im Zeitraum ihrer Geltung gegen Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG insoweit verstoßen, als sie bei der Anspruchsberechtigung innerhalb der Gruppe der nach Besoldungsgruppe A 9 besoldeten Beamten nach deren Laufbahnzugehörigkeit differenziert hat. Die Entscheidung des sächsischen Besoldungsgesetzgebers, die Strukturzulage (nur) für die Zukunft aufzuheben und damit den bislang begünstigten Beamten die gewährten Zahlungen dauerhaft zu belassen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Regelung des § 45 des Sächsischen Besoldungsgesetzes über die Gewährung einer Strukturzulage in der Fassung der Bekanntmachung des Art. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Dienst, Besoldungs- und Versorgungsrechts im Freistaat Sachsen (Sächsisches Dienstrechtsneuordnungsgesetz) vom 18.12.20131, nach Art. 28 Abs. 1 dieses Gesetzes in Kraft getreten am 1.04.2014, hat zwar nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Zeitraum ihrer Geltung bis zum 31.12.2016 gegen Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, soweit sie bei der Anspruchsberechtigung innerhalb der Gruppe der nach Besoldungsgruppe A 9 besoldeten Beamten differenziert hat. Maßgebend ist jedoch, dass der sächsische Besoldungsgesetzgeber die Strukturzulage durch Art. 1 Nr. 5, Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Beamtenbesoldung vom 20.10.20162 mit Wirkung vom 01.01.2017 aufgehoben hat. Diese gesetzgeberische Entscheidung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht im Hinblick darauf, dass ihr keine Rückwirkung beigemessen wurde.
Gemäß § 45 SächsBG a.F. erhielten Beamte der Laufbahngruppe 1 in Ämtern der Besoldungsgruppen A 2 bis A 9 eine nicht ruhegehaltfähige Strukturzulage nach Anlage 7 in Höhe von monatlich 33, 90 €. Die Beschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten, die dazu führte, dass die Zulage den Beamten der Besoldungsgruppe A 9 der Laufbahngruppe 1, zweite Einstiegsebene, nicht aber den Beamten der Besoldungsgruppe A 9 der Laufbahngruppe 2, erste Einstiegsebene, zu gewähren war, stand nach Auffassung des Gerichts mit den aus Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgenden grundgesetzlichen Vorgaben nicht im Einklang.
Wäre die Vorschrift noch in Kraft, wäre das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG und des dort geregelten sog. Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts für formelle Gesetze verpflichtet (gewesen), das Verfahren auszusetzen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Der dem Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Respekt vor dem parlamentarischen Gesetzgeber ist jedoch nicht berührt und wird nicht beeinträchtigt, wenn sich ein Fachgericht, zumal nicht entscheidungstragend, zu einer Rechtsvorschrift äußert, die der Gesetzgeber wegen von ihm selbst erkannter Zweifel an ihrer Verfassungsgemäßheit, auf die ihn das Bundesverfassungsgericht hingewiesen hat, selber bereits aufgehoben hat.
Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Art. 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht3. Zu den das Beamtenverhältnis bestimmenden; und vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen zählen unter anderem das Alimentations, das Leistungs- und das Laufbahnprinzip.
Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Im Rahmen dieser Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentierung hat der Gesetzgeber die Attraktivität des Beamtenverhältnisses auch für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen4.
Das Leistungsprinzip bezeichnet in seinem Kern zunächst das Prinzip der Bestenauslese, wie es ausdrücklich in Art. 33 Abs. 2 GG verankert ist. Es betrifft nicht nur den erstmaligen Zugang zu einem öffentlichen Amt beim Eintritt in das Beamtenverhältnis, sondern beinhaltet auch die Anerkennung und rechtliche Absicherung des Beförderungserfolges, den der Beamte bei der Bestenauslese aufgrund von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erlangt hat. Über das Statusrecht ist das Besoldungsrecht mittelbar leistungsbezogen, indem Leistung mit Beförderung honoriert wird5.
Inhalt des Laufbahnprinzips ist, dass für die Einstellung und das berufliche Fortkommen des Beamten Laufbahnen mit jeweils typisierten Mindestanforderungen bestehen6. Das Laufbahnprinzip – wie auch der Aufbau des Ämtergefüges – ist zudem Ausdruck des Leistungsprinzips7; beide Prinzipien sind eng miteinander verknüpft8.
Aus diesen grundgesetzlichen Vorgaben ergibt sich, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegelt und widerspiegeln muss. Davon zu unterscheiden ist das Abstandsgebot als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der in enger Anbindung zum Alimentationsprinzip und zum Leistungsgrundsatz steht9. Das Abstandsgebot untersagt dem Gesetzgeber ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen; maßgebend für die vergleichende Betrachtung sind dabei die Grundgehaltssätze10.
Die Regelung der Bezüge ist auch an den Gleichheitssatz gebunden11. Nach ständiger Rechtsprechung gebietet der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verbietet ungleiche Belastungen ebenso wie ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Differenzierungen sind damit nicht ausgeschlossen, bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind12.
Es ist dabei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert13. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund, die von auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können14. Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften kommt dem Gesetzgeber eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit zu. Wegen des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, ist nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat15. Es können, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstandet werden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen16.
Unter Berücksichtigung der dargestellten, in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums folgt für den Bereich des Besoldungsrechts, dass Beamte mit gleichen oder gleichwertigen Ämtern in der Regel gleich zu besolden sind. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. Die Zulässigkeit einer Differenzierung hängt davon ab, ob nach dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt17.
Gemessen daran hat nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung des § 45 SächsBesG a.F. gegen Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, weil sich jedenfalls für die Differenzierung bei der Gewährung der Strukturzulage zwischen den Beamten der Besoldungsgruppe A 9, Laufbahngruppe 1, einerseits und den Beamten – wie dem hier klagenden sächsischen Finanzbeamten – der Besoldungsgruppe A 9, Laufbahngruppe 2, andererseits kein sachlich vertretbarer Grund erkennen lässt.
Das Amt des Amtsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) der Laufbahngruppe 1, zweite Einstiegsebene, und das Amt des Inspektors (Besoldungsgruppe A 9) der Laufbahngruppe 2, erste Einstiegsebene, sind nach ihrer besoldungsrechtlichen Bewertung gleichwertige Ämter mit gleich hohen Dienstbezügen. Bei den Ämtern handelt es sich um ein sog. Verzahnungsamt. Während das höchste Beförderungsamt des Amtsinspektors innerhalb der Laufbahngruppe 1, zweite Einstiegsebene, das Endamt ist, ist das Amt des Inspektors das Eingangsamt für die nächsthöhere Laufbahngruppe 2, erste Einstiegsebene.
Die Strukturzulage hat diese besoldungsrechtliche Gleichstellung des Verzahnungsamtes aufgehoben. Der Beamte im Eingangsamt der nächsthöheren Laufbahngruppe 2, erste Einstiegsebene, hat ein Grundgehalt nach Besoldungsgruppe A 9 und damit weniger Dienstbezüge erhalten als der seiner Erfahrungsstufe nach vergleichbare Beamte im Endamt der Laufbahngruppe 1, zweite Einstiegsebene, dem zusätzlich zum Grundgehalt nach Besoldungsgruppe A 9 die nicht ruhegehaltfähige Strukturzulage zustand. Dementsprechend sind dem Beamten nach seinem Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahngruppe 2 und seiner Ernennung zum Inspektor insgesamt weniger Dienstbezüge gezahlt worden als in seinem vormaligen, der niedrigeren Laufbahngruppe 1 zugehörigen Amt des Amtsinspektors.
Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung bei der Gewährung der Strukturzulage innerhalb der nach Besoldungsgruppe A 9 besoldeten Beamten lässt sich nicht finden. Mit dem vom sächsischen Besoldungsgesetzgeber angeführten Gesichtspunkt, die Zahlung der Zulage an die unteren und mittleren Besoldungsgruppen sei Ausdruck einer sozialen Staffelung und ein Beitrag zu einer sozial ausgewogenen Beschäftigungspolitik18, lässt sich die Ungleichbehandlung der nach Besoldungsgruppe A 9 besoldeten Beamten nicht rechtfertigen. Der angeführte sozialpolitische Aspekt ist kein sachlicher Differenzierungsgrund, weil die beiden betrachteten Vergleichsgruppen gleich hohe Dienstbezüge erhalten und damit gleichermaßen finanziell leistungsfähig bzw. sozial unterstützungsbedürftig sind.
Wenn der Besoldungsgesetzgeber – wie hier mit der Strukturzulage – bezweckt, die Besoldung für niedrigere Besoldungsgruppen in bestimmter Höhe anzuheben, um einen etwas höheren Lebensunterhalt und damit allgemeinen Lebensstandard zu gewähren, muss er sich hieran – zumindest im Grundsatz – für alle Beamten festhalten lassen, sofern er mit der Differenzierung – wie vorliegend – keine Umgestaltung des Besoldungssystems oder Neubewertung von Statusämtern vornimmt19. Besondere soziale Belange können im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise zu einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Strukturzulage führen. Unabhängig von der Frage, ob solche Belange grundsätzlich berücksichtigungsfähig sind, lassen sie jedenfalls eine Differenzierung innerhalb einer Besoldungsgruppe nicht vertretbar erscheinen. Die Berücksichtigung sozialer Aspekte zielt auf die Berücksichtigung einer unterschiedlich großen finanziellen Leistungsfähigkeit bestimmter Besoldungsgruppen. Bei einer Unterscheidung innerhalb einer Besoldungsgruppe fehlt es aber an einer unterschiedlich großen finanziellen Leistungsfähigkeit der betroffenen Beamtengruppen. Die Beamtengruppen des Endamtes der Laufbahngruppe 1, zweite Einstiegsebene, und des Eingangsamtes der Laufbahngruppe 2, erste Einstiegsebene, sind besoldungsrechtlich gleichgestellt.
Ein sonstiger sachlicher Grund für die innerhalb der Beamten der Besoldungsgruppe A 9 vorgenommene Differenzierung bei der Gewährung der Strukturzulage ist nicht erkennbar.
Allerdings hat der sächsische Besoldungsgesetzgeber § 45 SächsBesG a.F. durch Art. 1 Nr. 5, Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Beamtenbesoldung vom 20.10.20162 mit Wirkung vom 01.01.2017 aufgehoben. Diese gesetzgeberische Entscheidung, die Strukturzulage abzuschaffen, begegnet im Hinblick auf Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die damit verbundene Entscheidung, der gesetzlichen Neuregelung keine Rückwirkung beizumessen und damit den bislang begünstigten Beamten die Zulage dauerhaft zu belassen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung war sich der sächsische Besoldungsgesetzgeber nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. –20 zur Verfassungsmäßigkeit der Besoldung sächsischer Beamter bewusst, dass verfassungsrechtliche Zweifel an der aus sozialpolitischen Gründen gewährten Strukturzulage bestehen. Unter Verweis auf die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass Besoldungsunterschiede zwischen den Beamtengruppen als Ausdruck sozialer Staffelung verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, hat er sich dafür entschieden, die auf eine solche Staffelung zielende Strukturzulage künftig zu beseitigen21. Damit hat sich der sächsische Besoldungsgesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums gehalten.
Grundsätzlich gilt, dass der Besoldungsgesetzgeber die Struktur der Besoldungsordnung, die Struktur des Beamtengehalts sowie die Zahlungsmodalitäten innerhalb des Rahmens, den die verfassungsrechtlich garantierte Alimentierungspflicht zieht, pro futuro ändern kann, solange sie nicht an der unteren Grenze der amtsangemessenen Alimentierung liegen22. Die Grenzen des gesetzgeberischen Spielraums sind selbst dann nicht überschritten, wenn – wie hier – eine nicht zur Kernbesoldung zählende nicht ruhegehaltfähige Stellenzulage gänzlich wegfällt. Art. 33 Abs. 5 GG gewährt keinen Anspruch auf unveränderte Beibehaltung der Struktur der Besoldungsordnungen und des Beamtengehalts außerhalb des Rahmens, den die verfassungsrechtlich garantierte Alimentierungspflicht zieht23.
Verstößt eine besoldungsrechtliche Norm gegen Verfassungsrecht, hat der Gesetzgeber mit Rücksicht auf seine Gestaltungsfreiheit grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Er kann die besoldungsrechtliche Regelung ganz aufheben oder aber ihre Anspruchsvoraussetzungen modifizieren, sei es, dass der Anspruch ausgeweitet oder dass er auf bestimmte Fallgruppen – ggf. durch Abstufungen – beschränkt wird24. Die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine der Verfassung entsprechende Rechtslage herzustellen, erstreckt sich dabei grundsätzlich auf den gesamten Zeitraum der Geltung der als verfassungswidrig erkannten Norm. Die rückwirkende Regelung kann jedoch wegen der besonderen Eigenart des Falles nicht angezeigt sein25.
Dem sächsischen Besoldungsgesetzgeber standen bei der Neuregelung der aus sozialpolitischen Gründen gewährten Strukturzulage verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: neben der Gewährung an alle Beamte kam in Betracht, einen Kreis der anspruchsberechtigten Beamtengruppen neu zu bestimmen, bei dem die Gewährung des zusätzlichen Besoldungsbestandteils aus besonderen sozialpolitischen Aspekten ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann26. Er hatte aber auch die Möglichkeit, die Zulage abzuschaffen. Denn sein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum war nicht dahin reduziert, dass er die Strukturzulage aufgrund der ursprünglich verfolgten sozialen Belange beibehalten musste, und erst recht nicht, dass er zwingend eine Differenzierung zwischen bestimmten Beamtengruppen und Besoldungsgruppen vornehmen musste.
Die mit der Abschaffung der Strukturzulage mit Wirkung vom 01.01.2017 zugleich getroffene gesetzgeberische Entscheidung, der Neuregelung keine rückwirkende Kraft beizumessen mit der Folge, den bislang begünstigten Beamten die gewährte Strukturzulage dauerhaft zu belassen, ist wegen der besonderen Eigenart des Falles sachlich gerechtfertigt. Eine rückwirkende Abschaffung der Strukturzulage wäre für die bislang begünstigten Beamten ohne jede Rechtswirkung geblieben. Eine rückwirkende Regelung wäre eine „Norm auf dem Papier“ gewesen.
Der Dienstherr -der Freitstaat Sachsen- hätte auch im Fall einer rückwirkenden Abschaffung der Zulagennorm durch den Besoldungsgesetzgeber keinen Anspruch auf Rückforderung der in der Zeit von April 2014 bis Dezember 2016 gezahlten Strukturzulage in Höhe von monatlich 33, 90 € gegenüber den bislang begünstigten Beamten gehabt.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gezahlten Strukturzulage wäre § 18 Abs. 2 Satz 1 SächsBesG. Danach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dienstbezüge sind im Sinne dieser Vorschrift zuviel gezahlt, wenn sie dem Beamten nach den maßgeblichen Vorschriften nicht zustanden. Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Rückzahlungsanspruchs verweist § 18 Abs. 2 Satz 1 SächsBesG auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs27.
Im Fall einer rückwirkenden Abschaffung des § 45 SächsBesG a.F. wäre die Strukturzulage zwar ohne rechtlichen Grund gezahlt worden. Zugunsten der begünstigten Beamten wäre jedoch der Wegfall der Bereicherung in Höhe des überzahlten Betrags gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB zu unterstellen. Der Freistaat Sachsen verzichtet in ständiger Verwaltungspraxis seiner dafür zuständigen Behörden und dazu angehalten durch maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung im Fall geringfügiger Überzahlungen auf deren Rückforderung, weil von einer Entreicherung der Bereicherungsschuldner auszugehen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung spricht im Fall geringfügiger Überzahlungen an Bezieher unterer und mittlerer Einkommen nach der Lebenserfahrung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass das Erhaltene tatsächlich für die allgemeinen Lebenshaltungskosten ohne Bereicherung verbraucht wurde, ohne dass der Bereicherte für den Einwand der Entreicherung einen besonderen Verwendungsnachweis erbringen müsste28. Davon ausgehend nimmt der Freistaat Sachsen – wie auch die übrigen Dienstherren in Bund und Ländern – in ständiger Praxis den Wegfall der Bereicherung bei geringfügigen Überzahlungen an, ohne dass die Entreicherung von dem betroffenen Beamten darzulegen und nachzuweisen ist. Nach Nummer 18.02.05. der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Ministeriums der Finanzen zum Vollzug des Sächsischen Besoldungsgesetzes (VwV SächsBesG) vom 17.11.201529 kann ohne nähere Prüfung der Wegfall der Bereicherung unterstellt werden, wenn die im jeweiligen Monat zuviel gezahlte Besoldung 10 % des insgesamt zustehenden Bruttobetrags, höchstens 200 €, nicht übersteigt; dies gilt auch dann, wenn in einem Monat Nachzahlungen erfolgen. Die überzahlte Strukturzulage in Höhe von monatlich 33, 90 € liegt deutlich unter dieser Grenze. Es ist davon auszugehen, dass die Beamten der unteren und mittleren Besoldungsgruppen der Laufbahngruppe 1 diesen monatlichen Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf ohne eigene Vermögensmehrung ausgegeben haben.
Ein Fall der verschärften Haftung der begünstigten Beamten der Laufbahngruppe 1 wäre weder nach § 18 Abs. 2 Satz 1 SächsBesG i.V.m. § 819 Abs. 1 und § 818 Abs. 4 BGB noch nach § 18 Abs. 2 Satz 2 SächsBesG in Betracht gekommen.
Der Umstand, dass der Freistaat Sachsen im Fall einer rückwirkenden Abschaffung der Zulagennorm keinen Anspruch auf Rückforderung der gewährten Strukturzulage gegenüber den bislang begünstigten Beamten gehabt hätte, hat seinen sachlichen Grund im materiellen Recht, nämlich in der eingetretenen Entreicherung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 SächsBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB). Es mag aus der Sicht des Beamten fragwürdig sein, dass die Beamten der Laufbahngruppe 1 die gewährte Strukturzulage aus diesem rechtlichen Grund „behalten dürfen“, obwohl sich der Besoldungsgesetzgeber für ihre Abschaffung entschieden hat. Daraus kann er aber für sich keine Anspruchsposition herleiten. Unebenheiten, Friktionen und Mängel besoldungsrechtlicher Regelungen sind in Kauf zu nehmen, solange sich für die gesetzgeberische Entscheidung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt30.
Keine andere Beurteilung folgt aus den vom Beamten angeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 10.11.201131 und des Europäischen Gerichtshofs vom 22.06.201132. Die Entscheidungen betreffen die Fallkonstellationen der unionsrechtswidrigen Diskriminierung. Die dazu in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sind auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. März 2021 – 2 C 17.19
- GVBl. S. 970, SächsBG a.F.[↩]
- GVBl. S. 514[↩][↩]
- stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 05.05.2015 – 2 BvL 17/09 u.a., BVerfGE 139, 64 Rn. 91 f., Beschluss vom 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13, BVerfGE 141, 56 Rn. 33[↩]
- stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a., BVerfGE 140, 240 Rn. 72 m.w.N.[↩]
- stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 14.02.2012 – 2 BvL 4/10, BVerfGE 130, 263 <296> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.02.2003 – 2 BvR 709/99, BVerfGE 107, 257 <273>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.12.1982 – 2 BvR 1261/79, BVerfGE 62, 374 <384> und vom 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13, BVerfGE 141, 56 Rn. 36[↩]
- BVerfG, Urteil vom 05.05.2015 – 2 BvL 17/09 u.a., BVerfGE 139, 64 Rn. 111 und Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a., BVerfGE 140, 240 Rn. 90 jeweils m.w.N.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 BvR 883/14 u.a., BVerfGE 145, 304 Rn. 75[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 05.05.2015 – 2 BvL 17/09 u.a., BVerfGE 139, 64 Rn. 110 f. und Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a., BVerfGE 140, 240 Rn. 90 f. jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.01.2012 – 2 BvL 4/09, BVerfGE 130, 52 <67>[↩]
- stRspr, vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 Rn. 121, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rn. 93 jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 08.04.1987 – 2 BvR 909/82 u.a., BVerfGE 75, 108 <157> und vom 12.02.2003 – 2 BvL 3/00, BVerfGE 107, 218 <244>[↩]
- stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 21.06.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49 <68> und vom 19.06.2012 – 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, 239 <255 f.> m.w.N.[↩]
- stRspr, BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a., BVerfGE 140, 240 Rn. 75 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.10.1983 – 2 BvL 22/80, BVerfGE 65, 141 <148 f.> vom 04.04.2001 – 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 <319 f.> und vom 12.02.2003 – 2 BvL 3/00, BVerfGE 107, 218 <244 f.>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 09.05.1961 – 2 BvR 49/60, BVerfGE 12, 326 <333> vom 04.06.1969 – 2 BvR 86/66 u.a., BVerfGE 26, 100 <110 ff.> und – 2 BvR 412/66 u.a., BVerfGE 26, 163 <169 ff.> sowie vom 12.02.2003 – 2 BvL 3/00, BVerfGE 107, 218 <245>[↩]
- vgl. LT-Drs. 5/12230, S. 360, LT-Drs. 6/5079 B. Besonderer Teil, zu Artikel 1, zu Nummer 5[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 BvR 883/14 u.a., BVerfGE 145, 304 Rn. 98[↩]
- BVerfGE 140, 240[↩]
- vgl. LT-Drs. 6/5079 B. Besonderer Teil, zu Artikel 1, zu Nummer 5[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 30.03.1977 – 2 BvR 1039/75 u.a., BVerfGE 44, 249 <263>[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.12.2000 – 2 BvR 1457/96 – ZBR 2001, 204; und vom 19.12.2008 – 2 BvR 380/08, NVwZ 2009, 447 <448>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 07.07.1982 – 2 BvL 14/78 u.a., BVerfGE 61, 43 <68> und vom 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 <298>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 <298 f.>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304 Rn. 99[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 28.02.2002 – 2 C 2.01, BVerwGE 116, 74 <77> vom 22.03.2017 – 5 C 5.16, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 37 Rn. 14, 20; und vom 16.07.2020 – 2 C 7.19 – ZBR 2021, 131 Rn. 15[↩]
- vgl. grundlegend BVerwG, Urteile vom 10.10.1961 – 6 C 25.60, BVerwGE 13, 107 <110 f.> vom 30.08.1962 – 2 C 90.60, BVerwGE 15, 15 <16 ff.> und vom 16.07.2020 – 2 C 7.19 – ZBR 2021, 131 Rn. 15; vgl. auch BAG, Urteil vom 12.01.1994 – 5 AZR 597/92 – NJW 1994, 2636 <2637 f.> BGH, Urteil vom 30.07.2008 – XII ZR 177/06 – BGHZ 177, 356 Rn. 70; Palandt, BGB, 79. Aufl.2020, § 818 Rn. 40, 55 m.w.N.[↩]
- SMF vom 17.11.2015 – 15-P 1500/59/1-2015/54262[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.05.2004 – 2 BvL 16/02, BVerfGE 110, 353 <365>[↩]
- BAG, Urteil vom 10.11.2011 – 6 AZR 481/09, NZA-RR 2012, 100[↩]
- EuGH, Urteil vom 22.06.2011 – C-399/09, Landtová, Slg. 2011, I-5573[↩]