Unwirksame Heil­für­sor­ge­vor­schrif­ten für die Bun­des­po­li­zei

Die Heil­für­sor­ge­vor­schrif­ten für die Bun­des­po­li­zei ge­nü­gen nicht den An­for­de­run­gen des ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halts. Der par­la­men­ta­ri­sche Ge­setz­ge­ber muss zu­min­dest die tra­gen­den Struk­tur­prin­zi­pi­en und die we­sent­li­chen Ein­schrän­kun­gen des Heil­für­sor­ge­rechts selbst re­geln. Für eine Über­gangs­zeit sind die Heil­für­sor­ge­vor­schrif­ten wei­ter an­zu­wen­den, so­weit sie nicht aus an­de­ren Grün­den gegen hö­her­ran­gi­ges Recht ver­sto­ßen.

Unwirksame Heil­für­sor­ge­vor­schrif­ten für die Bun­des­po­li­zei

Die Heilfürsorgevorschriften für die Bundespolizei haben im Jahr 2011 nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts entsprochen haben und entsprechen ihnen auch derzeit nicht.

Maßgeblich für das Bestehen des geltend gemachten heilfürsorgerechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist – wie beim beihilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch – die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen1. Daher ist vorliegend auf die Rechtslage am 25.10.2011, dem Tag der Rechnungsstellung für die ärztliche Behandlung des Klägers mit Hyaluronsäure, abzustellen.

Damals bestimmte § 70 Abs. 2 BBesG 20112, dass den Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei Heilfürsorge gewährt wird. Ob aus diesem gesetzlichen Anspruch auf Fürsorge im Krankheitsfall lediglich ein Anspruch auf Behandlung durch staatliche Ärzte und Krankenhäuser des Bundes oder auch ein Anspruch auf Behandlung durch Kassenärzte und auf Kostenerstattung für kassenärztlich verschriebene Medikamente folgt, war dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen. Hierzu fanden sich lediglich in den Heilfürsorgevorschriften für die Bundespolizei nähere Regelungen. Daher konnte das Bestehen und der Umfang des Kostenerstattungsanspruchs nur aus der gesetzlichen Regelung in Verbindung mit der hierzu erlassenen Verwaltungsvorschrift hergeleitet werden3.

Durch das Gesetz zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Professorenbesoldungsneuregelungsgesetz)4 wurde § 70 Abs. 2 BBesG neu gefasst und das Bundesministerium des Innern ermächtigt, in Bezug auf das Heilfürsorgerecht der Bundespolizei eine Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und das Elfte Buch Sozialgesetzbuch zu erlassen. Von dieser erst am 1. August 2013 in Kraft getretenen Verordnungsermächtigung hat das Bundesministerium des Innern jedoch bislang keinen Gebrauch gemacht, so dass sich das Bestehen und der Umfang eines heilfürsorgerechtlichen Kostenerstattungsanspruchs weiterhin nur mithilfe der Verwaltungsvorschrift vom 06. November 2005 ermitteln lässt.

Dieses Regelungssystem genügt nicht dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes5 ergibt. Dieser Grundsatz verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden normativen Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der parlamentarische Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern oder schlicht dem Verwaltungsvollzug überlassen. Wann danach eine Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich ist, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen6.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt der Vorbehalt des Gesetzes auch für das Beihilferecht7. Ob und welche Leistungen der Dienstherr im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit erbringt, ist für den Beamten und seine Familie von herausragender Bedeutung. Die Leistungen gestalten den Fürsorgegrundsatz aus und bestimmen mit über das dem Beamten gewährte Niveau der Alimentation. Die persönlichen Rechtsverhältnisse der Beamten, die insoweit nicht Teil der Staatsorganisation sind und auch nicht in einem „besonderen Gewaltverhältnis“ stehen, hat der parlamentarische Gesetzgeber normativ zu gestalten. Der Gesetzgeber selbst hat in der Bandbreite seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten das Leistungssystem zu bestimmen, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, festzulegen, welche „Risiken“ erfasst werden, für welche Personen Leistungen beansprucht werden können, nach welchen Grundsätzen Leistungen erbracht und bemessen oder ausgeschlossen werden und welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben8. Ferner muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für wesentliche Einschränkungen des Beihilfestandards übernehmen. Ansonsten könnte die Exekutive das durch die Besoldungs- und Versorgungsgesetze festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen und Kürzungen von Beihilfeleistungen eigenmächtig absenken. Dem Gesetzesvorbehalt unterliegen auch Beihilfekürzungen in Form von Selbstbeteiligungen, wenn sie die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten9.

Diese Grundsätze sind auf das Heilfürsorgerecht der Bundespolizei übertragbar. Zwar gehört die freie Heilfürsorge wie die Beihilfe nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Auch deckt die Heilfürsorge nur die Ansprüche des Polizeivollzugsbeamten im Krankheits- und Pflegefall ab, sichert also grundsätzlich nicht deren Angehörige. Gleichwohl ist die Ausgestaltung der Heilfürsorge für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten von herausragender Bedeutung. Der grundsätzliche Anspruch auf Heilfürsorgeleistungen und deren Umfang bestimmen die Qualität der Versorgung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sowie die Wahrung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts trotz laufender Aufwendungen für die Risikovorsorge oder besonderer Belastungen wegen Krankheit und Hilflosigkeit sind hochrangige Schutzgüter. Es ist für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten insbesondere von wesentlicher Bedeutung, ob sie nur Zugang zu der vom Dienstherrn bereitgestellten polizeiärztlichen Betreuung haben oder ob und in welchem Umfang sie auch kassen- oder privatärztliche Versorgung in Anspruch nehmen können. Diese Fragen prägen Art und Umfang der vom Dienstherrn gewährten medizinischen Fürsorge. Ferner bestimmen sie das den Polizeivollzugsbeamten gewährte Alimentationsniveau mit. Vom Umfang der staatlich gewährten Heilfürsorge hängen die Notwendigkeit und die Kosten einer zusätzlichen privaten Krankheits- und Pflegefallvorsorge ab. Die Heilfürsorgevorschriften für die Bundespolizei haben daher eine den Beihilfevorschriften vergleichbare Bedeutung.

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Daher erfordert es der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, dass auch im Bereich der Heilfürsorge für die Bundespolizei der parlamentarische Gesetzgeber zumindest die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Heilfürsorgerechts selbst regelt. Diesen Anforderungen genügen die im Jahr 2011 geltenden Vorschriften nicht. Aus der gesetzlichen Regelung des § 70 Abs. 2 BBesG 2011 lässt sich lediglich der Kreis der Anspruchsberechtigten, nicht aber Art und Umfang der Heilfürsorgeleistungen bestimmen. Inhaltliche Maßstäbe für das „Ob“ und „Wie“ der zu gewährenden medizinischen oder finanziellen Leistungen gibt das Gesetz nicht vor. Die hierzu ergangene Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 06.11.2005 enthält zwar das fehlende Regelungsprogramm. Sie gestaltet weitgehend originär das Heilfürsorgerecht der Bundespolizei, indem sie ein System von Sachleistungen und Kostenerstattungsansprüchen konstituiert, die leistungsbegründenden Anlässe definiert, den Leistungsumfang begrenzt und die Konkurrenzsituation mit anderen Leistungen löst. Sie genügt jedoch als rein administrative Bestimmung nicht dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts. Die in § 71 Abs. 2 BBesG enthaltene Befugnis des Bundesministeriums des Innern zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist keine Ermächtigung, Normen im formellen Sinne zu erlassen10.

Demzufolge ist auch der Gesetzgeber beim Erlass des Professorenbesoldungsneuregelungsgesetzes im Anschluss an die instanzgerichtliche Rechtsprechung11 davon ausgegangen, dass die Ausgestaltung des Heilfürsorgeanspruchs durch bloße Verwaltungsvorschriften nicht dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts entspricht12. Dadurch, dass § 70 Abs. 2 BBesG 2013 als wesentliche Strukturprinzipien der polizeilichen Heilfürsorge die Absicherung des Krankheits- und Pflegerisikos in Anlehnung an das Fünfte und Elfte Buch Sozialgesetzbuch vorgeschrieben und das Bundesministerium des Innern zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt hat, ist zwar ein erster Schritt zur Schaffung einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage getan. Allerdings ist jedenfalls bis zum Erlass der angekündigten Rechtsverordnung das normative Defizit nicht beseitigt.

Fortgeltung der Heilfürsorgevorschriften für eine Übergangszeit

Trotz dieses Mangels hält das Bundesverwaltungsgericht es für hinnehmbar, für eine Übergangszeit von der Weitergeltung der Heilfürsorgevorschriften auszugehen. Damit ist gewährleistet, dass die Leistungen im Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit nach einem einheitlichen Handlungsprogramm erbracht werden, das hinsichtlich des Inhalts jedenfalls bislang in aller Regel keinen Anlass zu Beanstandungen aus der Sicht höherrangigen Rechts geboten hat. Eine andere Beurteilung dürfte erst dann angezeigt sein, wenn der Verordnungsgeber in einem überschaubaren Zeitraum seiner Normierungspflicht nicht nachkommt13 und dadurch eine andere Vorgehensweise erzwingt14.

Der Zeitraum, in dem übergangsweise zur Verhinderung eines Leistungsvakuums die weitere Anwendung der heilfürsorgerechtlichen Verwaltungsvorschrift hingenommen wird, ist noch nicht abgelaufen. Zwar hätte der Gesetzgeber bereits die Beanstandung der Beihilfevorschriften des Bundes im Urteil vom 17. Juni 200415 zum Anlass nehmen können, auch die Heilfürsorgevorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts hin zu untersuchen. Gleichwohl kann sich die verwaltungsgerichtliche Beanstandung eines Regelungsdefizits und die gerichtliche Bestimmung eines Übergangszeitraums aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit jedenfalls in der Regel – und so auch hier – nur auf die im jeweiligen Verfahren beanstandete Normierungslücke beziehen. Andere auch ähnlich gelagerte Regelungsbereiche müssen von der Rechtsprechung jeweils gesondert untersucht und gegebenenfalls beanstandet werden. Es trifft zwar zu, dass verschiedene Instanzgerichte das normative Defizit im Bereich der Heilfürsorge der Bundespolizei schon früh aufgezeigt haben16. Eine Handlungspflicht des Bundesgesetzgebers kann es hier jedoch erst geben, wenn auch die Überprüfung durch ein oberstes Bundesgericht die Feststellung einer mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unvereinbaren Rechtslage ergeben hat.

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Für die Dauer der Übergangszeit bleibt im Bereich der Heilfürsorge der Bundespolizei die Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 06.11.2005 weiter anwendbar. Das Bundesministerium des Innern ist jedoch nicht berechtigt, durch Änderungen der Verwaltungsvorschrift das bestehende Heilfürsorgerecht zum Nachteil der Polizeivollzugsbeamten zu reformieren. Ferner setzt die weitere Anwendbarkeit von Leistungsausschlüssen und Leistungseinschränkungen voraus, dass die jeweilige Regelung nicht aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht verstößt. Als Maßstab kommt insbesondere die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Betracht, soweit sie als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlichen Schutz genießt17.

Leistungsaussschlüsse in der Heilfürsorge der Bundespolizei

Diese vorübergehende Weitergeltung gilt auch für die Bestimmung der Nr. 9.1 HfVBPOL, wonach nur Kosten für Arzneimittel übernommen werden, die nach den Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses verordnungsfähig sind.

Die damit verbundene dynamische Verweisung auf die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Leistungseinschränkungen bei Arzneimitteln ist – wie im früheren Beihilferecht – ungeachtet der dagegen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken jedenfalls für eine Übergangszeit grundsätzlich hinnehmbar18. Auch bleibt ein ausreichender individueller Rechtsschutz der betroffenen Beamten gegen einzelne in Bezug genommene Leistungseinschränkungen bestehen. Im Verwaltungsrechtsweg kann auch während der Übergangszeit die Vereinbarkeit eines Leistungsausschlusses mit anderen Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen geltend gemacht werden und gegebenenfalls zur Unanwendbarkeit einzelner Leistungsausschlüsse führen19.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der Leistungsausschluss daraus, dass nach der zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung geltenden Fassung des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V 2011 Medizinprodukte nur dann ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung aufgenommen werden, wenn die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses dies vorsehen. Damit übereinstimmend bestimmt der hier maßgebliche § 27 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Versorgung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 18.12.2008/22.01.200920, dass Medizinprodukte nur ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung nach § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V einbezogen sind. Nach § 27 Abs. 8 Arzneimittel-Richtlinie 2011 sind die verordnungsfähigen Medizinprodukte abschließend in einer Übersicht als Anlage V dieser Richtlinie aufgeführt. Darin findet sich das hier streitige Medizinprodukt Ostenil nicht. Auch sind keine anderen hyaluronhaltigen Chondroprotektiva aufgeführt.

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Der damit verbundene Leistungsausschluss kann auch bei heilfürsorgeberechtigten Polizeibeamten ausnahmsweise unbeachtlich sein, wenn er für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gilt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher im Ansatz zutreffend angenommen, dass es dem Dienstherrn verwehrt ist, sich auf einen durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses bewirkten Leistungsausschluss zu berufen, wenn sich auch die gesetzlichen Krankenkassen wegen eines sogenannten „Systemversagens“ hierauf nicht berufen können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses untergesetzliche Normen, von denen nur wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht abgewichen werden kann. Einen solchen Verstoß gegen die Garantie eines dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Krankenbehandlungsanspruchs aus § 27 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nimmt das Bundessozialgericht, dem der Senat insoweit folgt, allerdings zu Recht nur unter engen Voraussetzungen an. Ein Systemmangel kann vorliegen, wenn das Verfahren vor dem Bundesausschuss von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist21. Eine die Annahme eines Systemversagens rechtfertigende Untätigkeit des Bundesausschusses ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht bereits, dass dieser bei der Anerkennung neuer Medizinprodukte grundsätzlich nur auf Antrag, der auch von dem Hersteller gestellt werden kann, tätig wird22. An einem solchen Antrag fehlt es hier. Jedenfalls scheidet ein Systemversagen aus, weil sich die Nichtanerkennung des Mittels Ostenil nicht darauf zurückführen lässt, dass sich die antragsberechtigten Stellen oder der Bundesausschuss aus sachfremden oder willkürlichen Erwägungen mit der Materie nicht oder zögerlich befasst haben. Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil ist der medizinische Nutzen einer Behandlung von Arthrosen mit Hyaluronsäure in der Wissenschaft umstritten. Neben Studien, die einen therapeutischen Gewinn uneingeschränkt oder teilweise bejahen, liegen Untersuchungen vor, die die Wirksamkeit verneinen. Bei einer solchen Sachlage beruht die mangelnde Durchführung eines Verfahrens bei dem Bundesausschuss nicht auf sachfremden oder willkürlichen Erwägungen. Davon abgesehen ist der Umstand, dass das Mittel Ostenil vom Bundesausschuss nicht in die Liste der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufgenommen worden ist, auch deshalb nicht Ausdruck eines Systemversagens, weil dies nur bei Arzneimitteln oder Medizinprodukten angenommen werden kann, deren therapeutischer Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht23. Dies ist hier nicht der Fall.

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Schließlich verstößt der Leistungsausschluss für das Medizinprodukt Ostenil auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder das verfassungsrechtliche Fürsorgeprinzip. Eine Ungleichbehandlung heilfürsorgeberechtigter Beamtinnen oder Beamter gegenüber gesetzlich krankenversicherten oder beihilfeberechtigten Personen liegt nicht vor. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bestand zum maßgeblichen Zeitpunkt im Jahr 2011 aus den vorstehenden Gründen ebenfalls kein Anspruch auf eine Hyaluronsäure-Therapie bei Arthrosen. Im Bereich der Beihilfe sah § 22 Abs. 1 Satz 2 BBhV 201124 ebenfalls nur eine Kostenerstattung von Medizinprodukten in entsprechender Anwendung der Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V 2011) vor, so dass die mangelnde Aufnahme von Ostenil in der Medizinprodukteliste des Bundesausschusses zum Leistungsausschluss führte. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, dass Heilfürsorgeberechtigte, denen Ostenil verabreicht wurde, die dafür aufgewendeten Kosten nicht erstattet bekommen, während die Kosten für Medizinprodukte, die in die Arzneimittelversorgung einbezogen sind, vom Dienstherrn im Rahmen der Heilfürsorge übernommen werden. Diese Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, weil der therapeutische Nutzen von Ostenil umstritten ist, dies hingegen bei Medizinprodukten, deren Kosten geltend gemacht werden können, nicht der Fall ist. Schließlich verletzt die Ablehnung der Kostenerstattung für eine Hyaluronsäure-Therapie auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot, da diese Behandlungsmethode nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist. Aus diesem Grund scheidet auch eine Verletzung der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus25. Ein Ausnahmefall, in dem der Dienstherr auch die Kosten einer wissenschaftlich (noch) nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode übernehmen müsste, liegt nicht vor.

Ist das eingesetzte Medizinprodukt heilfürsorgerechtlich im Sinne der Nr. 9.1 HfVBPOL nicht verordnungsfähig, so sind auch die mit der ärztlichen Applikation des Mittels verbundenen Mehrkosten nach Nr. 1.4 Abs. 6 HfVBPOL nicht zu erstatten.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 33.12

  1. vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 – 2 C 35.04, BVerwGE 125, 21 = Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17 jeweils Rn. 11[]
  2. in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.06.2009, BGBl I S. 1434, zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 28.04.2011, BGBl I S. 687 – BBesG 2011[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2003 – 2 C 38.02, BVerwGE 119, 265, 266 = Buchholz 240 § 69 BBesG Nr. 6 S. 5[]
  4. vom 11.06.2013, BGBl I S. 1514[]
  5. Art.20 Abs. 1 und 3 GG[]
  6. BVerwG, Urteil vom 19.07.2012 – 5 C 1.12, BVerwGE 143, 363 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 42 jeweils Rn. 12 m.w.N.[]
  7. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 – 2 C 50.02, BVerwGE 121, 103, 105 = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 S. 9, vom 20.03.2008 – 2 C 49.07, BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 jeweils Rn. 11 f. und vom 19.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 12[]
  8. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 a.a.O. S. 110 bzw. S. 14[]
  9. BVerwG, Urteile vom 20.03.2008 a.a.O. jeweils Rn. 11; und vom 19.07.2012 a.a.O. jeweils Rn.13[]
  10. vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 a.a.O. S. 110 bzw. S. 14[]
  11. VG Frankfurt, Urteil vom 25.04.2005 – 9 E 5909/04; VG Würzburg, Urteil vom 20.07.2010 – W 1 K 10.235; VG Düsseldorf, Urteil vom 15.06.2012 – 13 K 8100/10[]
  12. BT-Drs. 17/12455 S. 65 f.[]
  13. vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 50.02, BVerwGE 121, 111 = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 S. 15[]
  14. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.2008 – 2 C 2.07, BVerwGE 131, 234 = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17 jeweils Rn. 9 f.[]
  15. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004, a.a.O.[]
  16. vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 25.04.2005 a.a.O.; VG Würzburg, Urteil vom 20.07.2010 a.a.O.[]
  17. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.2008 a.a.O. jeweils Rn. 12[]
  18. vgl. BVerwG, Urteile vom 28.05.2008 – 2 C 24.07, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 S. 4; und vom 06.11.2009 – 2 C 60.08[]
  19. vgl. BVerwG, Urteil vom 06.11.2009 a.a.O. Rn. 18 ff.[]
  20. BAnz Nr. 49a S. 1 – Arzneimittel-Richtlinie 2011[]
  21. vgl. BSG, Urteil vom 26.09.2006 – B 1 KR 3/06, SozR 4-2500 § 27 SGB V Nr. 10 Rn. 24 m.w.N.[]
  22. vgl. BSG, Urteil vom 26.09.2006 a.a.O. Rn. 26 m.w.N.[]
  23. vgl. BSG, Urteile vom 28.03.2000 – B 1 KR 11/98 R, BSGE 86, 54, 60 f. und vom 03.07.2012 – B 1 KR 23/11 R – NZS 2013, 62 Rn. 28 ff.[]
  24. Verordnung über die Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 17.12.2009, BGBl I S. 3922, zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.07.2011, BGBl I S. 1394, 2710 – BBhV 2011[]
  25. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 – 2 C 15.94, Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 S. 8[]
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