Verstößt der Wahlvorstand gegen die in § 17 Abs. 2 NPersVG enthaltene Verpflichtung, die Vorschlagenden eines Wahlvorschlags bei Nichteinhaltung der Geschlechterparität zur Ergänzung bzw. Abgabe einer Abweichungsbegründung aufzufordern und ggf. die Abweichungsbegründung zu veröffentlichen, so führt dies zur Ungültigkeit der Personalratswahl hinsichtlich der betroffenen Gruppe.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 NPersVG müssen die Wahlvorschläge mindestens so viele Bewerberinnen und Bewerber enthalten, wie erforderlich sind, um die anteilige Verteilung der Sitze im Personalrat auf Frauen und Männer zu erreichen.
Vorliegend beschränkte sich der Listenvorschlag 1 „F.“ auf den Vorschlag, den männlichen Kandidaten F. zu wählen und enthielt keinen Vorschlag für wählbare Arbeitnehmerinnen. In einem solchen Fall hat der Wahlvorstand nach § 17 Abs. 2 Satz 3 NPersVG den Wahlvorschlag nach näherer Maßgabe der Wahlordnung als gültig zuzulassen, wenn die Abweichung schriftlich begründet wird. Die Begründung ist mit dem Wahlvorschlag zu veröffentlichen (§ 17 Abs. 2 Satz 4 NPersVG).
§ 12 Abs. 5 Satz 1 WO-PersV schreibt in diesem Zusammenhang vor, dass der Wahlvorstand Wahlvorschläge, die ohne schriftliche Begründung die nach § 17 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgeschriebene Mindestzahl von Bewerberinnen und Bewerbern nicht enthalten, mit der Aufforderung zurückzugeben hat, die Wahlvorschläge innerhalb einer Frist von drei Arbeitstagen zu ergänzen. Ist aus der Sicht der Vorschlagenden eine Ergänzung nicht möglich, so haben sie die dafür maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen (§ 12 Abs. 5 Satz 2 WO-PersV). Hinsichtlich der Liste 1 „F.“ ist weder eine Ergänzung des Wahlvorschlags durch den Wahlvorstand gefordert noch von den Vorschlagenden eine schriftliche Begründung für die fehlende Ergänzung abgegeben worden. Vielmehr hat der Wahlvorstand ausweislich der Wahlbekanntmachung im Hinblick auf die mehrwöchige Urlaubsabwesenheit des Kandidaten F. und die für die Durchführung der Wahl erforderlichen Vorbereitungen ausdrücklich auf eine Begründung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 (richtig: Satz 3) NPersVG verzichtet und den Wahlvorschlag für gültig erklärt, ohne die zunächst von den Vorschlagenden, nicht dem Kandidaten, zu fordernde Ergänzung um weibliche Bewerber [1] überhaupt in den Blick zu nehmen. Weder das NPersVG noch die Wahlordnung ermächtigen den Wahlvorstand zu diesem Handeln. Wird innerhalb der gesetzten Frist weder der Aufforderung zur Ergänzung der Liste des Wahlvorschlags entsprochen noch eine schriftliche Begründung für das Abweichen von § 17 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgelegt, so ist der betreffende Wahlvorschlag nach § 12 Abs. 5 Satz 3 WO-PersV insgesamt ungültig. Es liegt angesichts dieser eindeutigen Regelung nicht in der Hand des Wahlvorstands, den Wahlvorschlag ohne Erfüllung der genannten Voraussetzungen für gültig zu erklären.
Darüber hinaus hätte der Wahlvorstand selbst bei Annahme einer Abweichungsbegründung diese nach § 17 Abs. 2 Satz 4 NPersVG zusammen mit dem Wahlvorschlag veröffentlichen müssen. Die Annahme, es reiche aus – wie geschehen – die Begründung des Wahlvorstandes für die Zulassung des Wahlvorschlags zu berücksichtigen, findet im Gesetz keine Stütze. Dem Wahlvorstand ist keinerlei Ermessen darüber eingeräumt, welche Wahlvorschläge mit einer nicht ausreichenden Anzahl an weiblichen oder männlichen Kandidaten er als gültig zulässt. Vielmehr ist es Aufgabe der Vorschlagenden, über die Gründe der Abweichung öffentlich Rechenschaft abzulegen [2] und den Wählern auf diese Weise die Berücksichtigung dieser Begründung bei ihrer Wahlentscheidung zu ermöglichen. Die Begründung des Wahlvorstands für die rechtlich determinierte Zulassung eines Wahlvorschlags ist demgegenüber unerheblich.
Es handelt sich bei diesen offensichtlichen Fehlern auch um Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren. Wesentliche Vorschriften in diesem Sinne sind grundsätzlich alle zwingenden Vorschriften über das Wahlverfahren [3]. Dazu gehören auch die Verstöße gegen § 17 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 NPersVG und § 12 Abs. 5 WO-PersV [4], die letztlich die Gültigkeit eines Wahlvorschlags und damit den Kernbereich des Wahlverfahrens betreffen. Der Umstand, dass vergleichbare Bestimmungen dem Personalvertretungsrecht auf Bundesebene fremd sind, hindert den niedersächsischen Landesgesetz- und Verordnungsgeber nicht daran, der Einhaltung des Geschlechterproporzes eine erhöhte Bedeutung für die Gültigkeit von Wahlvorschlägen beizumessen, wie er dies in der Regelung des § 12 Abs. 5 Satz 3 WO-PersV zum Ausdruck gebracht hat.
Die Verstöße gegen § 17 Abs. 2 NPersVG können das Wählerverhalten und damit das Wahlergebnis beeinflusst haben. Dabei ist davon auszugehen, dass bei Vorliegen eines Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften für den Erfolg der Wahlanfechtung schon die Möglichkeit einer Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses genügt, ohne dass es der Feststellung einer tatsächlich erfolgten Änderung oder Beeinflussung bedarf. Ob diese Möglichkeit bestand, d. h. ob der Verstoß geeignet war, eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeizuführen, beantwortet sich in der Regel aus der Art des Verstoßes und der Berücksichtigung des konkreten Sachverhaltes. Dabei genügt allerdings eine nur denkbare Möglichkeit dann nicht für eine begründete Wahlanfechtung, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist. Abstrakt nicht auszuschließende, nach der Lebenserfahrung aber unwahrscheinliche Kausalverläufe bleiben unberücksichtigt, wenn für ihren Eintritt keine tatsächlichen Anhaltspunkte bestehen [5].
Der Frage der Geschlechterparität kommt im Arbeitsleben eine zunehmende Bedeutung zu. Die Aufforderung zur Ergänzung der Liste des Wahlvorschlags und insbesondere zur Begründung einer Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben soll insbesondere der Selbstkontrolle der Vorschlagenden dienen und diese dazu bringen, sich ihr Verhalten genau zu überlegen und sich über ihre Rechtfertigung nicht nur gegenüber dem Wahlvorstand, sondern gegenüber der gesamten Wählerschaft schlüssig zu werden [6]. Wie bereits ausgeführt, ist es Aufgabe der Vorschlagenden, über die Gründe der Abweichung öffentlich Rechenschaft abzulegen [7] und den Wählern auf diese Weise die Berücksichtigung dieser Begründung bei ihrer Wahlentscheidung zu ermöglichen. Dementsprechend kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Auswahl der Bewerber entsprechend dem oder abweichend vom Geschlechterproporz und die Begründung der Vorschlagenden für eine Abweichung von der gesetzlichen Vorgabe auch Einfluss auf das Wählerverhalten haben. Dies gilt auch und insbesondere für die Vorschlagsliste 1 „F.“. Hätte der Wahlvorstand den Vorschlagenden dieser Liste die Möglichkeit zur Ergänzung der Liste bzw. zur Abgabe einer Begründung für die Abweichung gegeben, so hätte dies zu einer Änderung des Wahlverhaltens zugunsten oder auch zulasten dieses Wahlvorschlags und damit zu einem abweichenden Wahlergebnis führen können. Dies gilt um so mehr, als die Frage des Geschlechterproporzes für die Wahlberechtigten deutlich sichtbar thematisiert worden wäre, und diese bei ihrer Wahlentscheidung der Befolgung bzw. bewussten Nichtbefolgung der gesetzlichen Proporzvorgaben einen höheren Stellenwert hätten zumessen können. Die Argumentation des Beteiligten zu 1)) im Beschwerdeverfahren geht von einem festgelegten Wählerverhalten aus, das weder durch eine Ergänzung der Liste noch durch eine Abweichungsbegründung zu beeinflussen ist. Dies widerspricht nicht nur der Lebenserfahrung, sondern ersichtlich auch den Vorstellungen des Normgebers. Denn ohne die Möglichkeit der Beeinflussung des Wählerverhaltens liefe die Pflicht zur Abgabe einer Abweichungsbegründung ins Leere.
Angesichts dieser nicht heilbaren Fehler kommt eine schlichte Berichtigung des Wahlergebnisses durch das Gericht nicht in Betracht.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. August 2014 – 18 LP 5/14
- vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 05.06.2002 – 18 L 4453/00 2[↩]
- vgl. LT-Drs. 12, 4370, S. 12; Fricke/Dierßen/Otte/Sommer/Thomas, Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz, 3. Aufl.2010, § 17, Rdnr. 3[↩]
- vgl. Bieler/Müller-Fritzsche, Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz, 16. Aufl.2013; Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, Loseblatt, Stand Mai 2014, § 21 Rdnr. 14, m.w.N.[↩]
- vgl. bereits Nds. OVG, Beschluss vom 05.06.2002, a.a.O; Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., § 17, Rdnr. 31[↩]
- vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 26.11.2008 – 6 P 7.0820, m. w. N.[↩]
- vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 05.06.2002, a.a.O; Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., § 17, Rdnr. 14[↩]
- vgl. LT-Drs. 12, 4370, S. 12; Fricke/Dierßen/Otte/Sommer/Thomas, a.a.O., § 17, Rdnr. 3[↩]