Primärrechtsschutz gegen Abbruch eines Auswahlverfahrens erfolgt nur im Verfahren der einstweiligen Anordnung.

Effektiver Rechtsschutz für das auf Fortführung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens gerichtete Begehren ist allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit ihm kann das Fehlen eines sachlichen Grundes geltend gemacht werden. Der Antrag ist innerhalb eines Monats zu stellen. Die Frist wird mit Zugang der Mitteilung über den Abbruchgrund in Lauf gesetzt.
Der Antrag nach § 123 VwGO steht auch zur Verfügung, wenn geltend gemacht wird, das Auswahlverfahren habe sich nicht erledigt, weil der Dienstposten nicht neu zugeschnitten worden sei, sondern derselbe Dienstposten vergeben werden solle.
Ein auf Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens und Verbescheidung ihrer Bewerbung gerichteter Hauptantrag kann grundsätzlich auf eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs gestützt werden. Effektiver Rechtsschutz für dieses Begehren, das auf eine zeitnahe Fortführung des begonnen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis zielt, ist indes allein mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen. Macht ein Bewerber hiervon keinen Gebrauch, ist die Erhebung nachträglichen Hauptsacherechtsschutzes im Interesse einer zeitnahen Klärung und zur Verhinderung paralleler Auswahlverfahren um dasselbe Statusamt oder denselben höherwertigen Dienstposten nach den Grundsätzen der Verwirkung ausgeschlossen.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruch ist § 9 Satz 1 BBG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG. Danach dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte oder Richter den Anforderungen seines Statusamtes genügt und sich in einem höheren Statusamt voraussichtlich bewähren wird. Der Grundsatz der Bestenauswahl gilt für Beförderungen unbeschränkt und vorbehaltlos. Jeder Bewerber hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG stehen1. Entsprechendes gilt für vorgelagerte Auswahlentscheidungen – etwa zur Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens, durch die eine zwingende Voraussetzung für die nachfolgende Beförderung vermittelt und die Auswahl für diese Ämtervergabe damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird2.
Der Bewerbungsverfahrensanspruch geht unter, wenn ein Mitbewerber rechtsbeständig ernannt worden und das Auswahlverfahren damit abgeschlossen worden ist3. Er erlischt auch, wenn sich das Auswahlverfahren erledigt, weil die Ämtervergabe nicht mehr stattfinden soll. Die in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Auswahlgrundsätze sind auf eine Auswahlentscheidung bezogen. Dementsprechend ist der Bewerbungsverfahrensanspruch auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren gerichtet und besteht grundsätzlich nur, wenn eine Ernennung oder eine diese vorherbestimmende Dienstpostenvergabe vorgenommen werden soll4. Entfällt der Bezugspunkt der Auswahlentscheidung, weil die Planstelle nicht mehr zur Verfügung steht oder weil sich der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt entschieden hat, das ausgeschriebene Amt so nicht zu vergeben, wird das hierauf bezogene Auswahlverfahren gegenstandslos.
Das Bewerbungsverfahren kann schließlich durch einen wirksamen Abbruch beendet werden, wenn der Dienstherr die Stelle zwar weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Wirksam ist diese Entscheidung indes nur, wenn sie rechtmäßig ist5. Prüfungsmaßstab hierfür ist Art. 33 Abs. 2 GG. Der Abbruch betrifft nicht die der Organisationsgewalt des Dienstherrn vorbehaltene Entscheidung darüber, ob und welche Ämter er schaffen und wie er seine Dienstposten zuschneiden will6. Die Stelle soll vielmehr unverändert bestehen bleiben und auch vergeben werden. Die Entscheidung, das in Gang gesetzte Auswahlverfahren abzubrechen und die Stelle erneut auszuschreiben, bezieht sich nicht auf Zuschnitt und Gestaltung des Amtes, sondern auf dessen Vergabe. Mit der Maßnahme werden organisatorische Fragen des Auswahlverfahrens bestimmt.
Auch die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens hat aber den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen7. Verfahrensrechtliche Anforderungen oder Maßnahmen können wesentliche Weichen stellen, die den materiellen Gehalt der nachfolgenden Auswahlentscheidung beeinflussen oder vorherbestimmen8. Durch die mit einem Abbruch verbundene Veränderung des zeitlichen Bezugspunkts der Auswahlentscheidung etwa kann der Bewerberkreis verändert und ggf. auch gesteuert werden.
Der Abbruch eines Auswahlverfahrens bedarf daher eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt9. Der Dienstherr kann demnach das Auswahlverfahren abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten10. Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen11.
Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt darüber hinaus voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird12.
Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können daher bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen.
Effektiver Rechtsschutz (Art.19 Abs. 4 GG) gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens kann nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden. Der Bewerber begehrt die zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis. Dies kann selbst im Erfolgsfall durch eine Hauptsacheklage nicht erreicht werden13. Der Anordnungsgrund für einen Antrag nach § 123 VwGO ergibt sich daher aus dem Inhalt des Rechtsschutzbegehrens, das auf eine sofortige Verpflichtung des Dienstherrn gerichtet ist und daher bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtsschutzes verwirklicht werden kann.
Das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folgt auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Sowohl der Dienstherr als auch die Bewerber brauchen Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird. Der zeitliche Parallellauf mehrerer auf dieselbe Planstelle bezogener Verfahren mit unterschiedlichen Bewerbern würde zu schwierigen Vergabe- und Rückabwicklungsproblemen führen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs muss daher geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen und das Amt vergeben wird. Bereits im Urteil vom 29.11.2012 – 2 C 6.11 –14 hat das Bundesverwaltungsgericht deshalb darauf hingewiesen, dass Primärrechtsschutz alleine im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geltend gemacht werden kann.
Stellt ein Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag nach § 123 VwGO, darf der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolgt15. Die Monatsfrist ist an dem für Beamte generell geltenden Rechtsmittelsystem orientiert (vgl. § 126 Abs. 2 BBG, § 54 Abs. 2 BeamtStG, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ausreichend, um eine zeitnahe Klärung darüber herbeiführen zu können, ob der Bewerber eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens beantragen will. Sie folgt daher anderen Grundsätzen als die dem Dienstherr vor Aushändigung einer Ernennungsurkunde auferlegte Wartefrist, mit der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes für die unterlegenen Bewerber erst ermöglicht werden soll16. Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, verwirkt17.
Diese Grundsätze können der Bewerberin indes nicht entgegen gehalten werden, wenn der von ihr angegriffene Abbruch des sie betreffenden Auswahlverfahrens zeitlich vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.2012 erfolgte, da es bis zu diesem Zeitpunkt an einer hinreichend einheitlichen Maßstabsbildung in der obergerichtlichen Rechtsprechung fehlte. Der Grundsatz fairen Verfahrens verbietet es daher, die vorstehenden Grundsätze bereits auf diese Streitfälle anzuwenden18.
Das durch Ausschreibung in Gang gesetzte Auswahlverfahren hat sich erledigt, wenn der Dienstherr den zugrunde liegenden Dienstposten neu zugeschnitten hätte, weil damit die Grundlage für das Auswahlverfahren nachträglich entfällt19. Subjektive Rechte des Beamten gegen den neuen Zuschnitt eines Dienstpostens bestehen nicht. Die Schaffung und Bewirtschaftung von Planstellen und der Zuschnitt von Dienstposten dienen allein dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben20. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Dienstherr eine entsprechende Entscheidung erst nachträglich, also nach Eröffnung eines Auswahlverfahrens trifft und diesem damit die Grundlage entzieht. Ein Vertrauensschutz, der eine unwiderrufliche Bindung der ausgeübten Organisationsgewalt zur Folge hätte, ist mit der Ausschreibung nicht verbunden21. Eine Rechtsschutzlücke entsteht hierdurch nicht, weil eine Stellenvergabe nicht erfolgt. Soll der neu zugeschnittene Dienstposten vergeben werden, wird ein hierauf bezogenes, neues Auswahlverfahren mit den dann bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet.
Die Möglichkeit Rechtsschutz zu gewähren (in der Form einer einstweiligen Anordnung auf Fortführung des bisherigen Auswahlverfahrens), besteht aber dann, wenn tatsächlich kein neuer Dienstposten geschaffen wird, sondern in Wahrheit – etwa unter einer nur vorgeschobenen Umbezeichnung – weiterhin der bisherige Dienstposten vergeben werden soll. Dann ist eine Erledigung des Auswahlverfahrens nicht eingetreten. In dieser Fallkonstellation beginnt der Lauf der Monatsfrist, wenn Abbruchmitteilung und Eröffnung des neuen Auswahlverfahrens zeitlich auseinanderfallen, erst mit Kenntnis der neuen Ausschreibung oder Funktionsbeschreibung des – nach Darstellung des Dienstherrn – neu geschaffenen Dienstpostens, der nach Ansicht des rechtsschutzsuchenden Beamten mit dem des abgebrochenen Auswahlverfahrens identisch sei.
Ob ein solcher Fall vorliegt, ist anhand eines Vergleichs der Funktionsbeschreibungen des ursprünglich ausgeschriebenen Dienstpostens und der des neuen Dienstpostens zu ermitteln. Abzustellen ist auf den objektiven Erklärungsinhalt der Funktionsbeschreibung22. Subjektive Vorstellungen der mit der Organisationsmaßnahme befassten (z.B. diese vorbereitenden) Bediensteten sind hiernach unmaßgeblich.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.2013 –
- stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 – 2 C 6.11, BVerwGE 145, 185 Rn. 10[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13, BVerwGE 147, 20 Rn. 14[↩]
- BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, BVerwGE 138, 102 Rn. 27[↩]
- BVerwG, Urteile vom 25.04.1996 – 2 C 21.95, BVerwGE 101, 112, 115; vom 22.07.1999 – 2 C 14.98, Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG Nr. 3 S. 5 f.; und vom 31.03.2011 – 2 A 2.09, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 48 Rn. 16[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.04.2005 – 1 BvR 2231/02 u.a. – BVerfGK 5, 205, 214 f.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 13.12 2012 – 2 C 11.11, BVerwGE 145, 237 Rn.20[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 – 2 BvR 1181/11, NVwZ 2012, 366 Rn. 22[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.2007 – 2 BvR 2457/07 – BVerfGK 12, 265, 270 f.[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.02.2007 – 2 BvR 2494/06 – BVerfGK 10, 355, 358[↩]
- BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 – 2 C 6.11, BVerwGE 145, 185 Rn. 17[↩]
- BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 28.04.2005 – 1 BvR 2231/02 u.a. – BVerfGK 5, 205, 216; und vom 28.11.2011 – 2 BvR 1181/11, NVwZ 2012, 366 Rn. 22[↩]
- BVerwG, Urteile vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, BVerwGE 141, 361 Rn. 27 f.; und vom 29.11.2012 – 2 C 6.11, BVerwGE 145, 185 Rn.19 f.[↩]
- vgl. BayVGH, Beschluss vom 08.07.2011 – 3 CE 11.859 22[↩]
- BVerwGE 145, 185 Rn. 12[↩]
- vgl. zur Obliegenheit zeitnaher Rechtsverfolgung im besonderen Dienst- und Treueverhältnis auch BVerwG, Beschluss vom 25.06.2014 – 2 B 1.13 – IÖD 2014, 220 Rn. 27[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 – BVerfGK 11, 398, 402[↩]
- vgl. zur Verwirkung im Dienstrecht zuletzt BVerwG, Beschluss vom 06.06.2014 – 2 B 75.13 – DokBer 2014, 314 Rn. 15 ff.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26.04.1988 – 1 BvR 669/87 u.a., BVerfGE 78, 123, 126 f.; und vom 28.02.1989 – 1 BvR 649/88, BVerfGE 79, 372, 376 f.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 – 2 C 6.11, BVerwGE 145, 185 Rn. 16[↩]
- stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 05.11.2012 – 2 VR 1.12 19 m.w.N.[↩]
- vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 15.07.1977 – 2 B 36.76, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 66 S. 11[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13, BVerwGE 147, 20 Rn. 32; und vom 08.07.2014 – 2 B 7.14, NVwZ-RR 2014, 885 Rn. 8[↩]