Rechtsschutz im beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren

Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 20101 ist weiterhin davon auszugehen, dass die Auswahlentscheidung in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren für den unterlegenen Bewerber einen belastenden Verwaltungsakt darstellt2.

Rechtsschutz im beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren

Gegen die Auswahlentscheidung kann der unterlegene Bewerber mit einer Klage auf Neubescheidung Rechtsschutz in Anspruch nehmen, wobei dann im Verwaltungsstreitverfahren die einheitliche Auswahlentscheidung überprüfbar ist2.

Diese Klage auf Neubescheidung unter Aufhebung der Auswahlentscheidung hat keine aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO, so dass sich der vorläufige Rechtsschutz hinsichtlich der Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs weiterhin nach § 123 VwGO richtet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Urteil entschieden, dass die Ernennung des in einem Stellenbesetzungsverfahren erfolgreichen Bewerbers ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung ist, der in die Rechte der unterlegenen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift. Deshalb kann – so das Bundesverwaltungsgericht – ein unterlegener Bewerber nunmehr Anfechtungsklage gerichtet auf Aufhebung der Ernennung eines Konkurrenten erheben, wenn er daran gehindert worden ist, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs vor der Ernennung auszuschöpfen.

Aus diesen Feststellungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2010 kann allerdings nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass nunmehr auch gegen die der Ernennung vorausgehende Auswahlentscheidung Rechtsschutz durch Erhebung einer Anfechtungsklage des unterlegenen Bewerbers geboten wäre mit der Folge, dass eine gegen die Auswahlentscheidung erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hätte.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass die gesonderten Mitteilungen der Auswahlentscheidung an jeden Bewerber, einmal positiven, ansonsten negativen Inhalts, keine inhaltlich eigenständigen Entscheidungen darstellen, sondern die einheitliche, rechtlich untrennbare Auswahlentscheidung bekannt geben. Welche Rechtsnatur die Auswahlentscheidung hat, lässt sich diesen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht ohne Weiteres eindeutig entnehmen3.

Die Auswahlentscheidung stellt auch bei Zugrundelegung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2010 nach wie vor einen den unterlegenen Bewerber belastenden Verwaltungsakt dar, gegen den der Unterlegene Widerspruch bzw. – wie in Niedersachsen – Klage erheben kann4. Die von dem unterlegenen Bewerber erstrebte Begünstigung, seinen eigenen Bewerbungsverfahrensanspruch durchzusetzen, kann er aber nicht mit einer Anfechtungsklage gegen die Auswahlentscheidung erreichen. Zu diesem Begehren verhilft ihm vielmehr nach wie vor die auf Neubescheidung gerichtete Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, wobei dann im Verwaltungsstreitverfahren die einheitliche Auswahlentscheidung überprüfbar ist5. Die auf Neubescheidung gerichtete Verpflichtungsklage, die mit dem klarstellenden Antrag auf Aufhebung der Auswahlentscheidung verbunden ist, hat keine aufschiebende Wirkung.

Der gegenteilige Auffassung, dass nunmehr eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu erheben wäre6 vermag das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nicht zu folgen, weil sie dem vorrangigen Rechtsbegehren des unterlegenen Bewerbers, seinen eigenen Bewerbungsverfahrensanspruch durchzusetzen, nicht hinreichend Rechnung trägt7.

Aus alledem folgt, dass der unterlegene Bewerber nur durch Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu verhindern versuchen kann, dass durch die Ernennung eines anderen Bewerbers vollendete Tatsachen geschaffen werden8. Der vorläufige Rechtsschutz hinsichtlich des Bewerbungsverfahrensanspruchs richtet sich deshalb weiterhin nach § 123 VwGO. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2010 lässt sich nicht entnehmen, dass das Bundesverwaltungsgericht von dem bisherigen „allgemein praktizierten Modell des vor die Ernennung gezogenen Rechtsschutzes im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO“9 abweichen den Rechtsschutz gegen eine Auswahlentscheidung durch Anwendung der Vorschriften der §§ 80, 80 a VwGO ändern wollte mit der Folge, dass jede Auswahlentscheidung mit einer Anordnung des Sofortvollzugs versehen werden müsste. Vielmehr beschreibt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 4. November 2010 ausführlich das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO zur Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs, ohne eine Veränderung der Gestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Auswahlentscheidung in den Blick zu nehmen. Es hat ferner entschieden, dass der Dienstherr den ausgewählten Bewerber erst ernennen darf, wenn feststeht, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. Auch diesen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass das Bundesverwaltungsgericht an seiner Rechtsprechung festhält, dass sich der Bewerbungsverfahrensanspruch grundsätzlich vor Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO sichern lässt10.

Weiterlesen:
Beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit - und die Verwirkung des Anfechtungsrechts

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 8. Juni 2011 -5 ME 91/11

  1. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09[]
  2. im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 25.08.1988 – 2 C 62.85[][]
  3. vgl. dazu einerseits Wieland/Seulen, „Durchbrechung der Ämterstabilität bei Rechtsschutzvereitelung“, DÖD 2011, 69 ff., 72, 73, die die Frage aufwerfen, ob diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts bedeuten sollen, dass aufgrund Fehlens einer Regelungsfunktion und damit einer Verwaltungsaktqualität Widerspruch und Klage gegen die Auswahlentscheidung nicht mehr möglich sein sollen; andererseits Dr. von Roetteken, „Konkurrenzschutz im Beamtenrecht nach dem Urteil des BVerwG vom 04.11.2010 – 2 C 16.09“, ZBR 2011, 73 ff., 76, 77, der aufgrund der vom Bundesverwaltungsgericht hervorgehobenen einheitlichen Natur der Auswahlentscheidung einen Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung mittels einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bejaht, wobei die Anfechtungsklage gegen die Auswahlentscheidung aufschiebende Wirkung habe[]
  4. vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.1988 – 2 C 62.85[]
  5. vgl. BVerwG, Urteil vom 25.08.1988, a. a. O.[]
  6. von Roetteken, a. a. O.[]
  7. vgl. auch VG Bremen, Beschluss vom 11.05.2011 – 6 V 2019/10[]
  8. vgl. wiederum BVerwG, Urteil vom 25.08.1988, a. a. O.[]
  9. vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010, a. a. O.[]
  10. vgl. BVerwG, Urteil vom 25.08.1988, a. a. O.; vgl. auch BVerfG, NichtannahmeBeschluss vom 24.09.2007 – 2 BvR 1586/07[]
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Der Zuständigkeitsmangel in der Unterzeichnung einer Disziplinarklageschrift