Referenzgruppenbildung für freigestellte Personalratsmitglieder

Einwände gegen die Referenzgruppenbildung für vom militärischen Dienst freigestellte Personalratsmitglieder müssen zeitnah geltend gemacht werden. Die Beförderung eines vom militärischen Dienst freigestellten Personalratsmitglieds setzt die vorangegangene fiktive Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten voraus.

Referenzgruppenbildung für freigestellte Personalratsmitglieder

Die fiktive Versetzung eines vom militärischen Dienst freigestellten Personalratsmitglieds kann eigenständig geltend gemacht und eingeklagt werden; eine inzidente Nachprüfung im Rahmen eines Beförderungs- oder Schadensersatzbegehrens findet nicht statt.

Nach Nr. 101 der Bestimmungen für die Beförderung und für die Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten – ZDv 20/7 – ist die Beförderung von Soldaten grundsätzlich nur zulässig, wenn ihre Verwendung auf einem im Frieden zu besetzenden Dienstposten, dessen Bewertung mindestens dem Beförderungsdienstgrad entspricht, verfügt und als Personalmaßnahme wirksam geworden ist. Die Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten schafft daher die Voraussetzung für eine spätere Beförderung. Andere Interessenten, die bislang nicht auf einem höherwertigen Dienstposten verwendet worden sind, kommen für eine Beförderung nicht in Betracht1.

Dieses gestufte Modell mit seiner Abfolge Versetzung vor Beförderung gilt auch für freigestellte Personalratsmitglieder (Nr. 1 der Richtlinie für die Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten2, im Folgenden: Richtlinie). Um Personalratsmitgliedern auch bei Beibehaltung ihrer Freistellung eine Beförderung zu ermöglichen, hat die Bundeswehr das Institut der fiktiven Versetzung auf einen höher bewerteten Dienstposten geschaffen. Auch insoweit handelt es sich aber um eine förmliche Versetzungsentscheidung, die dem Soldaten schriftlich mitgeteilt wird. Erst vom Zeitpunkt der fiktiven Versetzung an werden die freigestellten Personalratsmitglieder in die Bewerberauswahl für Beförderungsentscheidungen einbezogen (Nr. 3 der Richtlinie).

Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Verwaltungspraxis sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Die Bundeswehr hat in ihrer Stellungnahme vielmehr darauf hingewiesen, dass die Anordnung zwingend angewendet wird und eine Beförderung nur nach vorheriger fiktiver Versetzung auf einen entsprechend höher bewerteten Dienstposten ausgesprochen wird.

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Es besteht – auch unter dem Blickwinkel des effektiven Rechtsschutzes aus Art.19 Abs. 4 GG – kein Anlass, die unterbliebene Versetzung auf einen höher bewerteten Dienstposten nachträglich und inzident im Rahmen eines Beförderungsbegehrens auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren. Vielmehr hat das freigestellte Personalratsmitglied die Möglichkeit, eine fiktive Versetzung unmittelbar und eigenständig geltend zu machen und nötigenfalls auch einzuklagen3.

Die Ablehnung seines Antrags, ihn fiktiv auf einen nach der Besoldungsgruppe A 13g bewerteten Dienstposten zu versetzen, hätte der Kläger daher einer eigenständigen gerichtlichen Kontrolle zuführen können. Diesen Rechtsweg hat der Kläger nicht beschritten; mit seinen Klageanträgen hat er ausschließlich die Beförderung und die Gewährung von Schadensersatz verfolgt. Die auf Beförderung zum Stabshauptmann gerichtete Klage ist daher bereits mangels einer vorherigen fiktiven Versetzung auf einen nach der Besoldungsgruppe A 13 bewerteten Dienstposten unbegründet.

Entsprechendes gilt für den Antrag auf Gewährung von Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung. Auch insoweit hätte es dem Kläger oblegen, die ihm zur Verfügung stehende Rechtsschutzmöglichkeit gegen eine etwaig rechtswidrig unterbliebene fiktive Versetzung in Anspruch zu nehmen4.

Auswahlentscheidungen sind grundsätzlich anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen5. Ist eine lückenlose Leistungsnachzeichnung nicht möglich, weil der Soldat während des Beurteilungszeitraumes wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt war und damit keine dienstlichen Leistungen erbracht hat, muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, dass hierdurch keine Nachteile entstehen (vgl. § 14 Abs. 1 Soldatenbeteiligungsgesetz – SBG -). Bei Auswahlentscheidungen hat er zugunsten des freigestellten Personalratsmitglieds eine berufliche Entwicklung zu unterstellen, wie sie ohne die Freistellung voraussichtlich verlaufen wäre6.

Dabei ist einer zu erwartenden Leistungssteigerung angemessen Rechnung zu tragen. Mit dem Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung vergangener Beurteilungen (vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 4 BLV) wird nicht nur eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Dienstleistung fingiert, sondern auch eine Fortentwicklung der Leistungen entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Beamter unterstellt7. Die Fortschreibung prognostiziert damit, wie der Beamte voraussichtlich zu beurteilen wäre, wenn er im Beurteilungszeitraum nicht freigestellt gewesen wäre und seine Leistungen wie vergleichbare Kollegen fortentwickelt hätte.

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Um das berufliche Fortkommen eines Personalratsmitglieds nicht davon abhängig machen zu müssen, dass es seine Freistellung aufgibt, kann ausnahmsweise auch auf das Erfordernis einer vorherigen Erprobung auf einem höherwertigen Dienstposten verzichtet werden. Dies setzt aber voraus, dass aufgrund des bisherigen beruflichen Werdegangs des Personalratsmitglieds und vergleichbarer Bediensteter prognostisch festgestellt werden kann, dass der freigestellte Bewerber den Anforderungen der Erprobung aller Voraussicht nach gerecht geworden wäre. Lässt sich eine belastbare Prognose hierzu nicht treffen, etwa weil das freigestellte Personalratsmitglied einer entsprechenden Tätigkeit seit längerer Zeit nicht mehr nachgegangen ist oder wenn es sich um einen Dienstposten bewirbt, der erhebliche Unterschiede zu seiner bisherigen dienstlichen Tätigkeit aufweist, kann von einer tatsächlichen Erprobung nicht abgesehen werden8.

Das Benachteiligungsverbot verschafft keinen Anspruch, von Qualifikationsmerkmalen dispensiert zu werden. Dem in Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Prinzip der Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung sind auch Personalratsmitglieder unterworfen. Fehlen dem Personalratsmitglied die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, kann dies durch eine fiktive Fortschreibung nicht überspielt werden. Es wäre ansonsten im Falle der Beendigung seiner Freistellung für die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben nicht geeignet. Aus den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich zugleich, dass verbleibende Zweifel an der Eignung des Personalratsmitglieds für ein höherwertiges Statusamt oder einen höherwertigen Dienstgrad zu dessen Lasten gehen9.

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Ausgehend hiervon kann der Kläger einen Vergleich mit Soldaten, die eine Beförderung erst nach einem Laufbahnwechsel erreicht haben, nicht beanspruchen. Die Eingrenzung der maßgeblichen Vergleichs- oder Referenzgruppe auf Soldaten mit gleicher Laufbahnvoraussetzung (Nr. 1 der Richtlinie) ist nicht zu beanstanden.

Nach dem Laufbahnprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind (vgl. § 16 Abs. 1, § 22 Abs. 3 BBG). Es kann grundsätzlich erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten10. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen von einer Erprobung abzusehen, geht daher von einer bestehenden Eignung des freigestellten Personalratsmitglieds aus. Die zunächst nur probeweise Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens soll dem Beamten die Befähigung für die Wahrnehmung seiner Dienstaufgaben nicht verschaffen, sondern unter den Bedingungen praktischer Tätigkeit die Prognose bestätigen, dass er den Anforderungen des Beförderungsamts genügen wird.

Diese Annahme trifft für einen Laufbahnwechsel nicht zu. Auch im Soldatenrecht ist ein Laufbahnwechsel vielmehr nur zulässig, wenn der Soldat die Befähigung für die neue Laufbahn besitzt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 SLV; vgl. zur Feststellung dieser Befähigung Nr. 1017 Satz 2 ZDv 20/7). Die vom Kläger benannten Beförderungsfälle in den Dienstgrad eines Majors setzen überdies die erfolgreiche Teilnahme an einem Stabsoffizierlehrgang voraus (§ 25 Abs. 2 SLV). Von diesen Anforderungen kann der Kläger nicht allein deshalb befreit werden, weil er als Personalratsmitglied von der Erfüllung seiner Dienstpflichten freigestellt ist11. Vergleichsmaßstab des Benachteiligungsverbotes ist diejenige Lage, in der das Personalratsmitglied voraussichtlich stünde, wenn es nicht freigestellt worden und in seinem bisherigen Aufgabenbereich verblieben wäre12.

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Der vom Kläger angestrebte Wechsel aus der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes in die der Offiziere des Truppendienstes ist im Übrigen auch schon vor seiner Freistellung wiederholt abgelehnt worden. Die in Nr. 2.2.4 der Erläuterungen zur Erlasslage vom 09.08.201013 – im Folgenden: Erläuterungen – vorgesehene Möglichkeit eines Laufbahnwechsels trotz Freistellung hat der Kläger nicht beschritten.

Die Bundeswehr war auch nicht verpflichtet, bei der Bildung der Referenzgruppe Soldaten aus anderen Ausbildungs- und Verwendungsreihen zu berücksichtigen.

Auf welche Weise der Dienstherr sicherstellt, dass die Freistellung nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führt (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SBG i.V.m. § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG), obliegt grundsätzlich seiner Entscheidung14. Das von der Bundeswehr hierfür gewählte Referenzgruppenmodell ist grundsätzlich geeignet, der Zielstellung des Behinderungsverbots Rechnung zu tragen, weil es eine Fortentwicklung der Leistung entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Soldaten unterstellt. Es ist nicht sachfremd, die Vergleichbarkeit der Werdegänge durch eine Einschränkung der Referenzgruppe auf die Angehörigen derselben Ausbildungs- und Verwendungsreihe sicherzustellen15.

Eine weitere Öffnung würde hingegen den Vergleichsmaßstab verschieben und damit die Aussagekraft der Vergleichsgruppenbetrachtung beeinträchtigen. Ohne die Freistellung hätte der Kläger nur die Chance gehabt, auf einem höher bewerteten Dienstposten seines Werdegangs eingesetzt zu werden. Die (fiktive) Berücksichtigung weiterer Werdegänge anderer Soldaten dagegen führt zu einer Besserstellung freigestellter Personalratsmitglieder, weil zusätzliche Stellen in die Betrachtung einbezogen werden. Die real für nicht freigestellte Konkurrenten des Klägers bestehende Beschränkung auf freie Dienstposten innerhalb seines Werdegangs würde damit umgangen. Eine derartige Besserstellung freigestellter Personalratsmitglieder ist sachlich nicht geboten.

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Das von der Bundeswehr praktizierte Referenzgruppenmodell schreibt nicht die letzte, aufgrund tatsächlicher dienstlicher Tätigkeit erstellte Beurteilung fort, sondern bildet ausgehend hiervon eine Vergleichsgruppe für das freigestellte Personalratsmitglied. Damit wird eine dynamische Fortentwicklung der beruflichen Leistungen unterstellt, die sich aus dem Werdegang der Vergleichsgruppe ergibt. Dieses Fördersystem vermeidet gerade die Schwierigkeiten, die sich bei einer lang andauernden Freistellung daraus ergeben, dass die letzte dienstliche Beurteilung immer mehr an tatsächlicher Aussagekraft verliert.

Besondere Bedeutung kommt damit der Vergleichsgruppenbildung zu. Nur wenn die Referenzgruppe den Leistungsstand und das Entwicklungspotential des freigestellten Personalratsmitglieds zutreffend erfasst, kann sie Hinweise für die Prognose geben, wie die berufliche Entwicklung des Personalratsmitglieds ohne die Freistellung voraussichtlich verlaufen wäre. Die Bildung der Referenzgruppe und die Zuteilung eines Rangplatzes hierin bestimmt die künftige berufliche Entwicklung des freigestellten Personalratsmitglieds und nimmt die sich erst später realisierende Auswahlentscheidung vorweg. Es spricht daher viel dafür, Einwände hiergegen zeitnah zu verlangen (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO), zumal etwaige Fehler bei einer erst lange im Nachhinein erfolgenden Kontrolle nicht mehr angemessen behoben werden können16. Eine entsprechende Obliegenheit setzt allerdings voraus, dass den freigestellten Personalratsmitgliedern die Referenzgruppenbildung auch mitgeteilt wird.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 2 B .2013 –

  1. vgl. zur entsprechenden Lage im Beamtenrecht Beschluss vom 07.08.2001 – 2 VR 1.01, Buchholz 232.1 § 11 BLV Nr. 2 S. 7 f.[]
  2. vom 11.07.2002 – PSZ I 1 – 16-32-00/28[]
  3. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 07.11.1991 – 1 WB 160.90, BVerwGE 93, 188, 189; vom 29.07.1997 – 1 WB 23.97, Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 23 S. 36; vom 23.06.2004 – 1 WB 25.03, Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 34 S. 37; und vom 18.10.2007 – 1 WB 20.07, Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 5 Rn. 30 ff.[]
  4. vgl. zur Anwendbarkeit des Rechtsgedankens aus § 839 Abs. 3 BGB im öffentlichen Dienstrecht etwa BVerwG, Urteil 28.05.1998 – 2 C 29.97, BVerwGE 107, 29, 31 = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40 S. 2 sowie zuletzt Beschluss vom 06.06.2014 – 2 B 75.13, Rn. 12 f. m.w.N.[]
  5. stRspr; vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13, BVerwGE 147, 20 Rn. 18[]
  6. BVerwG, Beschluss vom 07.11.1991 – 1 WB 160.90, BVerwGE 93, 188, 192; Urteil vom 21.09.2006 – 2 C 13.05, BVerwGE 126, 333 = Buchholz 237.8 § 12 RhLBG Nr. 1 jeweils Rn. 17[]
  7. BVerwG, Urteil vom 16.12 2010 – 2 C 11.09, Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 9[]
  8. BVerwG, Urteil vom 21.09.2006 a.a.O Rn. 18 ff.; ebenso Beschluss vom 03.07.2001 – 1 WB 24.01, Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 26 S. 14 für eine notwendige Vorverwendung[]
  9. BVerwG, Urteil vom 21.09.2006 a.a.O Rn.20[]
  10. BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13, BVerwGE 147, 20 Rn. 28[]
  11. BVerwG, Beschluss vom 03.07.2001 – 1 WB 24.01, Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 26 S. 14[]
  12. vgl. BVerwG, Urteil vom 13.09.2001 – 2 C 34.00, Buchholz 251.6 § 39 NdPersVG Nr. 1 S. 2; zur Bezugnahme auf die eigene Verwendungsreihe auch bereits Beschluss vom 29.07.1997 – 1 WB 23.97, Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 23 S. 37[]
  13. PSZ I 1 – 16-32-00/28[]
  14. BVerwG, Urteil vom 16.12 2010 – 2 C 11.09, Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 15[]
  15. vgl. hierzu auch bereits BVerwG, Beschluss vom 29.07.1997 – 1 WB 23.97 – a.a.O. S. 37[]
  16. vgl. zur Verwirkung auch BVerwG, Beschluss vom 06.06.2014 – 2 B 75.13, Rn. 15 f.[]
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