Zu Weisungen im Bereich richterlicher Tätigkeit ist der Dienstherr nicht befugt1.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wehrten sich Richter gegen die Weisung des Präsidenten des Amtsgerichts, Anhörungen im Zuge ihrer Tätigkeit als Ermittlungsrichter in einer „Nebenstelle des Amtsgerichts“ im Polizeipräsidium durchzuführen.
Diese Weisung stellt eine Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG dar, die die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt2. Dass der Anordnung des Präsidenten des Amtsgerichts eine Organisationsentscheidung zugrunde liegt, von der auch andere Richter betroffen sind, ist für die Einordnung als einer Maßnahme der Dienstaufsicht ohne Bedeutung3.
Der Begriff der Maßnahme der Dienstaufsicht ist entsprechend dem auf einen umfassenden Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG weit auszulegen. Erforderlich, zugleich aber ausreichend ist, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten Richter oder eine bestimmte Gruppe von Richtern wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem Richter oder bestimmten Richtern gekommen ist bzw. ein konkreter Bezug zur Tätigkeit eines Richters besteht. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer Richter befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser Richter in bestimmter Richtung auszuwirken4.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend ohne weiteres erfüllt. Im Übrigen besteht das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller im Prüfungsverfahren auch nach der Anpassung mit Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts vom 16.01.2013 an die im Polizeipräsidium durchgeführten Umbaumaßnahmen fort5.
Die Prüfungskompetenz der Richterdienstgerichte in Verfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG beschränkt sich darauf zu untersuchen, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt. Die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem verfassungsrechtlichen Gebot organisatorischer Selbständigkeit der Gerichte (Art.20 Abs. 2 Satz 2, Art. 92, 97 GG)6 ist entgegen der Auffassung der Revision nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens7. Das gilt auch dann, wenn sich der Richter darauf beruft, er habe gesetzliche Bestimmungen anzuwenden, die eine dem verfassungsrechtlichen Gebot entsprechende Trennung der Gewalten voraussetzen8. Ebenso nicht Prüfungsgegenstand im Verfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG ist, ob Anordnungen des Dienstherrn in Einklang mit seinen Schutzpflichten nach § 71 DRiG i.V.m. § 45 Satz 2 BeamtStG stehen. Dies zu entscheiden obliegt allein den Verwaltungsgerichten.
Die schlichte Bereitstellung eines im Polizeipräsidium gelegenen Raumes greift im Sinne einer bloßen Organisationsentscheidung nicht als Maßnahme der Dienstaufsicht in die richterliche Unabhängigkeit der Antragsteller ein.
Allerdings beschränkt sich die Anordnung des Präsidenten des Amtsgerichts nicht auf die Bereitstellung eines Raumes, sondern enthält die ausdrückliche Weisung, diesen Raum für Vorführungen zu nutzen. Damit ist sie, was im Prüfungsverfahren zu berücksichtigen ist, unzulässig, weil § 26 Abs. 2 DRiG eine Weisung als Mittel der Dienstaufsicht ausschließt.
Nach § 26 Abs. 2 DRiG bilden im Bereich der richterlichen Tätigkeit Vorhalt und Ermahnung die obere Grenze zulässiger Dienstaufsichtsmaßnahmen, jenseits derer dem Dienstherrn nur die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bleibt. Zu Weisungen im Bereich richterlicher Tätigkeit ist der Dienstherr unter keinen Umständen befugt9. Das gilt auch, soweit bei der Ausübung richterlicher Tätigkeit lediglich der Bereich der äußeren Ordnung tangiert ist.
Der in der Erteilung einer unzulässigen Weisung liegende Verstoß gegen § 26 Abs. 2 DRiG ist im Prüfungsverfahren beachtlich. Zwar obliegt nach der neueren Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes die Beurteilung der Frage, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht unter den im Einzelfall gegebenen Umständen die angemessene und rechtmäßige Reaktion auf das beanstandete Verhalten des Richters darstellt oder es sich um eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzende überzogene Maßnahme handelt, nicht den Dienstgerichten, sondern den Verwaltungsgerichten10. Davon unberührt bleibt aber der Grundsatz, dass Maßnahmen, die der Dienstaufsichtsbehörde nach § 26 Abs. 2 DRiG überhaupt verschlossen sind, aufgrund ihrer Qualität als solcher im Prüfungsverfahren durch die Dienstgerichte beanstandet werden können11. Darin liegt, da sich die Prüfung der Dienstgerichte auf die Übereinstimmung der Form der Maßnahme mit § 26 Abs. 2 DRiG beschränkt, keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahme, mit der die Dienstgerichte nach § 26 Abs. 3 DRiG nicht betraut sind12.
Die Anordnung des Amtsgerichtspräsideten beinhaltet eine Weisung, die als solche unzulässig ist. Die Anordnung ist eindeutig als dienstliche Anweisung gekennzeichnet und von den Dienstaufsichtsbehörden selbst so verstanden worden. Dass sie „mit Bedauern“ ausgesprochen ist und als Folge ihrer Nichtbeachtung „dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen“ ankündigt, erlaubt nicht die Interpretation, sie enthalte lediglich die Ermahnung, sich an die Organisationsentscheidung des Präsidenten des Amtsgerichts zu halten.
Der Verstoß gegen § 26 Abs. 2 DRiG führt zu der Feststellung, dass die Anordnung insgesamt unzulässig ist. Eine Beschränkung des Feststellungsausspruchs dahin, sie sei insoweit unzulässig, als sie über eine bloße Organisationsentscheidung hinausgehe, kommt nicht in Betracht. „Kern“ der Anordnung ist die „Weisung […], die Gs-Richtertätigkeit im Polizeipräsidium auszuüben“. Der eigentlichen Organisationsentscheidung im Sinne der „Zuweisung des konkreten, bis dahin schon genutzten Raumes“ hat der Antragsgegner selbst „lediglich untergeordnete[…] Bedeutung“ beigemessen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Dezember 2014 – RiZ(R) 2/14
- vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1967 – RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 285; Urteil vom 06.11.1986 – RiZ(R) 4/86, NJW 1987, 1197, 1198; Urteil vom 30.03.1987 – RiZ(R) 7/86, BGHZ 100, 271, 276; Urteil vom 04.06.2009 – RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268 Rn. 26[↩]
- BGH, Urteil vom 14.02.2013 RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 16; Urteil vom 13.02.2014 – RiZ(R) 5/13, NJW-RR 2014, 702 Rn.19 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.11.1990 – RiZ 2/90, BGHZ 113, 36, 39[↩]
- st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 14.02.2013 – RiZ 3/12, NJW-RR 2013, 1215 Rn. 17; Urteil vom 13.02.2014 – RiZ(R) 5/13, NJW-RR 2014, 702 Rn.20 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 27.09.1976 RiZ(R) 3/7519, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 67, 184 ff.; Urteil vom 12.05.2011 – RiZ(R) 4/09 22; Urteil vom 06.10.2011 RiZ(R) 3/10, NJW 2012, 939 Rn. 12[↩]
- dazu etwa BVerfGE 54, 159, 166; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art.20 Rn. 27[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2011 – RiZ(R) 7/10, JR 2012, 378 Rn. 25; zustimmend Kamphausen JR 2012, 381, 383[↩]
- zur Vorführung im „Machtbereich des Richters“ vgl. LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 115 Rn. 5 f.; KK-StPO/Graf, 7. Aufl., § 115 Rn. 2; HK-StPO/Posthoff, 5. Aufl., § 115 Rn. 7; Graf/Krauß, StPO, 2. Aufl., § 115 Rn. 3[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1967 RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275, 285 unter Verweis auf BT-Drs. 3/2785, S. 13; außerdem BGH, Urteil vom 06.11.1986 – RiZ(R) 4/86, NJW 1987, 1197, 1198; Urteil vom 30.03.1987 – RiZ(R) 7/86, BGHZ 100, 271, 276; Urteil vom 04.06.2009 – RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268 Rn. 26; Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl., § 26 Rn. 35[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2006 – RiZ(R) 3/05, NJW 2006, 1674 Rn. 29; Urteil vom 08.11.2006 – RiZ(R) 2/05, DRiZ 2007, 143, 144[↩]
- vgl. zuletzt etwa BGH, Urteil vom 04.06.2009 – RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268 Rn. 26[↩]
- vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 31.01.1984 – RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 48 ff.[↩]