Das Verwaltungsgericht Hannover hat Stellung genommen zur Billigkeitsentscheidung, wenn die Überzahlung aus der Anrechnung einer fiktiven Rente folgt und der Versorgungsträger die rentenwirksamen Beschäftigungszeiten kannte.

Die Beklagte hat an Herrn G. H. in dem Zeitraum von Oktober 1998 bis August 2010 in Höhe von 3.634,25 € an Versorgungsbezügen zuviel gezahlt. Für diese Zahlung gab es keinen Rechtsgrund. Aufgrund der Anrechnung der Rente auf die Versorgungsbezüge, wie es die Beklagte in dem insoweit nicht angegriffenen Bescheid auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG verfügt hat, war in der genannten Höhe der Rechtsgrund für die Zahlung der Versorgungsbezüge entfallen.
Für das Entfallen des Rechtsgrundes der Zahlung bedürfte es einer Korrektur des die Versorgungsbezüge an Herrn H. bewilligenden Bescheides nicht. Der Festsetzung und Zahlung der Versorgungsbezüge ist – ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung – immanent vorbehalten, dass die spätere Erzielung von Renteneinkommen zu einem Ruhen der Versorgungsbezüge führt. Im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Gründe des Vertrauensschutzes stehen dem nicht entgegen1. Deshalb finden die §§ 48 und 49 VwVfG auf die spätere Änderung der Sachlage keine Anwendung. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich der Versorgungsempfänger beim Empfang und Verbrauch der Bezüge des Ruhens bewusst war. Der Versorgungsfestsetzungsbescheid trifft nämlich überhaupt keine Regelung hinsichtlich des Ruhens der Versorgungsbezüge, sondern bestimmt lediglich, ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Versorgung zusteht. Dagegen regelt er erkennbar nicht, ob Teile des Versorgungsbezuges ruhen. Die Ruhensvorschriften berühren im Übrigen auch nicht den Anspruch auf Versorgung als solchen, sondern stellen der Auszahlung des Versorgungsbezuges lediglich ein rechtliches Hindernis entgegen2.
Die Kläger können sich hinsichtlich der von der Beklagten berechneten Überzahlung nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei ihrem Ehemann bzw. Vater die Bereicherung weggefallen ist (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB). Allerdings ist ohne Weiteres glaubhaft, dass Herr H. während des Überzahlungszeitraumes den überzahlten Betrag im Rahmen seiner normalen Lebensführung verbraucht hat. Angesichts der geringfügigen monatlichen Überzahlung, die zwischen 43,35 und 45,13 € liegt, ist ein substantiierter Vortrag über die Entreicherung entbehrlich3.
Auf diese Entreicherung können sich die Kläger jedoch nicht mit Erfolg berufen, weil Herr H. gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i.V.m. §§ 820 Abs. 1 Satz 2, 819 Abs. 4 BGB der verschärften Haftung unterlag. Danach ist der Empfänger zur Herausgabe so verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zur Zeit des Empfanges rechtshängig geworden wäre, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrunde, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Die Kläger weisen zwar zu Recht darauf hin, dass der Festsetzungsbescheid vom 28.07.1998 zwar mit einem Vorbehalt versehen ist, der allerdings in der vorliegenden Fallgestaltung nicht eingreift. Nach seinem Wortlaut bezieht er sich nur auf den Fall, dass der Versorgungsempfänger eine Rente bezieht. Dieser Fall ist hier indessen nicht gegeben, weil der Kläger die Rente erst im März 2010 beantragt und sie ihm mit Bescheid vom 28.04.2010 rückwirkend für die Zeit ab 01.03.2010 bewilligt worden ist. Die Beklagte hat also nicht einen Rentenbezug im Sinne ihres Vorbehaltes auf den Versorgungsbezug angerechnet sondern – in rechtmäßiger Weise – eine fiktive Rente nach Maßgabe des § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG. Auch wenn eine Rente nicht beantragt oder auf sie verzichtet wird, kann nach dieser Rechtsvorschrift der Betrag der Rente angerechnet werden, der vom Leistungsträger ansonsten zu zahlen wäre.
Jedoch ist den Ruhegehaltfestsetzungsbescheiden und der Zahlung der Versorgungsbezüge bezüglich der Anwendung der Ruhensvorschriften ein gesetzlicher Vorbehalt mit der Folge des grundsätzlichen Ausschlusses der Einrede der Bereicherung immanent4. Dieser gesetzliche Vorbehalt erstreckt sich auch auf die Anrechnung einer zustehenden aber nicht beantragten Rente, weil § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG diesen Fall der Rentenzahlung gleichstellt. Der gesetzliche Vorbehalt besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts5 lediglich dann nicht, wenn anders als im vorliegenden Fall nicht ein anderweitiger Rentenbezug unberücksichtigt geblieben ist, sondern die Behörde die für die Berechnung der Versorgungsbezüge maßgebende Vorschrift unrichtig angewandt oder übersehen hat.
Ein solcher gesetzes-immanenter Vorbehalt besteht nicht nur bei rückwirkender Änderung des Einkommens, sondern auch dann, wenn der Versorgungsfestsetzungsbehörde erst nach der Festsetzung der Versorgung bekannt wird, dass der Berechtigte ein anderweitiges Einkommen, einen anderweitigen Rentenbezug oder einen Anspruch auf Rentenbezug hatte. Solche nachträglichen Änderungen sind für den Versorgungsempfänger erkennbar unvermeidlich und auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht ausgeschlossen. Aus dieser Rechtslage folgt zugleich, dass die verschärfte Haftung nicht davon abhängt, ob dem Empfänger die Anwendung der Kürzungsvorschrift bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Anders als die an die Kenntnisse des Empfängers vom Mangel des rechtlichen Grundes anknüpfende Regelung des § 819 Abs. 1 BGB ist die verschärfte Bereicherungshaftung nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschließlich die gesetzliche Folge eines wirksamen gesetzliches Vorbehaltes.
Allerdings ist auch im Falle der verschärften Haftung die Berufung auf einen Wegfall der Bereicherung nicht schlechterdings ausgeschlossen6. Dann müssen aber Umstände vorgebracht werden, die den Verbrauch der zu Unrecht gezahlten Versorgungsbezüge ausnahmsweise unter Berücksichtigung des auch im öffentlichen Rechts anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben als gerechtfertigt erscheinen lassen. Daran fehlt es hier.
Die von der Beklagten nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG getroffene Billigkeitsentscheidung ist nicht zu beanstanden. Danach kann von einer Forderung aus Billigkeit ganz oder zum Teil abgesehen werden. Diese Ermessensentscheidung ist mit der Gewährung von Ratenzahlungen in zutreffender Weise erfolgt. Dass der Versorgungsempfänger die Ratenzahlung in der festgesetzten Höhe angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu leisten vermag, ist nicht dargetan. Diese Verhältnisse sind von der Beklagten zuvor nach Anhörung ermittelt worden. Besondere Umstände, die einen Teilverzicht auf die Forderung nötig machen, sieht das Gericht nicht. Richtig ist zwar, dass der Beklagten Vordienstzeiten des Klägers bekannt waren, die vor seiner Berufung in das Beamtenverhältnis lagen und grundsätzlich geeignet waren, einen Rentenanspruch zu begründen. Ob sich aus diesen Vordienstzeiten indessen ein Anspruch auf Gewährung einer Altersrente ergibt und – bejahendenfalls, ab wann diese Rente beansprucht werden kann, ist die Beklagte nicht verpflichtet zu prüfen. Sie kann den Versorgungsempfänger insoweit darauf verweisen, Auskünfte beim zuständigen Rentenversicherungsträger einzuholen und ggf. dort einen Antrag zu stellen.
Auch eine generelle Hinweispflicht auf die Möglichkeit eines Rentenantrages in den Fällen, in denen Vordienstzeiten bekannt sind, bejaht das Verwaltungsgericht nicht. Eine solche allgemeine Hinweis- und Beratungspflicht des Dienstherrn kennt das Beamtenrecht nicht. Aus der allgemeinen Fürsorgepflicht kann keine Pflicht zur Belehrung über alle für den Beamten oder Versorgungsempfänger einschlägigen Vorschriften nicht hergeleitet werden. Der Dienstherr ist grundsätzlich auch nicht verpflichtet, seine Beamten von sich aus auf für sie etwa in Betracht kommende Möglichkeiten einer Antragstellung aufmerksam zu machen7. Eine entsprechende Hinweispflicht besteht nur bei besonderen Fallgestaltungen, etwa wenn die Belehrung allgemeiner Verwaltungspraxis entspricht8 oder wenn der Beamte sich für den Dienstherrn erkennbar in einem Irrtum befindet oder diesen um eine Auskunft bittet9.
Selbst wenn das Gericht vorliegend von einem Verschulden des Dienstherrn bei entstehen der Überzahlung von Versorgungsbezügen ausgehen würde, folgt daraus lediglich, dass ein solches Verschulden im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen ist. Die Bewertung dieses Umstandes orientiert sich aber nicht an den Maßstäben des Mitverschuldens, es handelt sich vielmehr um einen Umstand, der neben den übrigen Umständen des Einzelfalles zu berücksichtigen ist und nicht zu einem Verzicht auf einen Teil der Rückforderung im Rahmen der Billigkeit zwingt10. Diese weiteren Umstände des Einzelfalles sind dadurch gekennzeichnet, dass der Rentenversicherungsträger dem Kläger aufgrund der verspäteten Antragstellung einen erhöhten Zugangsfaktor nach Maßgabe des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b SGB VI bewilligt hat. Der Bescheid hat den regelmäßigen Faktor von 1,0 für die Altersrente für 77 Kalendermonate um 0,385 erhöht. Auf diese Weise wird jedenfalls tendenziell der verspätete Rentenbeginn ausgeglichen, indem die finanziellen Folgen für den Rentenempfänger abgemildert werden. Die Billigkeitsentscheidung, deren Rechtmäßigkeit sich nach der Erkenntnislage der Behörde zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides beurteilt11 ist daher ermessensfehlerfrei ergangen und kann vom Verwaltungsgericht nicht bestandet werden.
Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 15. September 2011 – 2 A 5520/10
- vgl. BVerfG, E 46, 97 = NJW 1976, 533[↩]
- BVerwG, E 25, 291; ZBR 1969, 243[↩]
- vgl. dazu die auch hier sinngemäß heranzuziehende allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 12 BBesG – GmBl. 1997, 314, unter Ziffer 12.2.12[↩]
- ständige Rechtsprechung des BVerwG, E 21, 119; zuletzt Buchholz 239.1, § 53 BeamtVG Nr. 17[↩]
- NVwZ 1986, 745[↩]
- BVerwG, E 95, 94[↩]
- BVerwG, ZBR 1981, 254; 1993, 182[↩]
- BVerwG, E 104, 55[↩]
- BVerwG, E 65, 197, 203[↩]
- BVerwG, E 66, 251, 265; ZBR 1990, 80; NVwZ-RR 2001, 452[↩]
- BVerwG, ZBR 1999, 173[↩]