Stellenzulage für fliegendes Personal bei der Bundespolizei

Sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige im Sinne der Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B sind Soldaten oder Beamte, die wie der Luftfahrzeugführer zur Standardbesatzung eines Luftfahrzeugs gehören.

Stellenzulage für fliegendes Personal bei der Bundespolizei

Gegenstand des hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Revisionsverfahrens war die Frage, ob dem Kläger, der in Hubschraubern der Bundespolizei als Wärmebild- und Systemoperator eingesetzt wird, die Zulage für fliegendes Personal zusteht. Das erstinstanzlich mit der Klage befasste Verwaltungsgericht München1 hat der Klage des Beamten stattgegeben. Demgegenüber ist in der Berufungsinstanz der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Zulage hat2. Zur Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof u.a. darauf abgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers im Hinblick auf die Verantwortung für den Betrieb des Luftfahrzeugs und seine Besatzung nicht mit der des Piloten oder des Bordwarts vergleichbar sei. Damit stelle die Tätigkeit des Klägers keine herausgehobene Funktion im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG dar. Dies wollte das Bundesverwaltungsgericht in dieser Allgemeinheit jedoch nicht bestätigen:

Nach Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz)3 erhalten Soldaten und Beamte der Besoldungsgruppen A 5 bis A 16 als sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige eine Stellenzulage nach Anlage IX, wenn sie entsprechend verwendet werden. Mit Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Vorbemerkungen unvereinbar ist die Auffassung, sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige seien nur solche Personen, die eine ähnliche oder zumindest vergleichbar aufwändige Ausbildung wie ein Luftfahrzeugführer oder Waffensystemoffizier durchlaufen hätten. Durch die Stellenzulage nach Nr. 6 der Vorbemerkungen sollen vielmehr die hohen Anforderungen, die besonderen physischen und psychischen Belastungen sowie die erhöhten Gefahren abgegolten werden, denen Soldaten oder Beamte als fliegendes Personal bei der Verrichtung ihres Dienstes ausgesetzt sind4. Nach der Systematik des Besoldungsrechts können solche Dauererschwernisse gleichbleibender Art durch eine Stellenzulage abgegolten werden5.

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Dieser Zweck der Stellenzulage Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen ergibt sich auch aus ihrer Entstehungsgeschichte. Vorläufer der jetzigen Nr. 6 war die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 26. August 19666 eingefügte Nr. 4 der Vorbemerkungen. Danach erhielten Soldaten und Beamte als Flugzeugführer mit der Erlaubnis zum Führen von Strahlflugzeugen und bei entsprechender Verwendung eine Stellenzulage. Beweggrund für die Einführung dieser Zulage war die Einschätzung, dass die von den Führern von Strahlflugzeugen auch im Vergleich zu Führern von Propellerflugzeugen geforderten besonderen physischen und psychischen Leistungen die aller übrigen Soldaten gleicher Dienstgrade und die entsprechenden Beamten wesentlich überstiegen und durch die Besoldung nicht ausreichend berücksichtigt seien7.

Durch das Erste Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz vom 18. März 19718 wurde die Stellenzulage auf Führer von sonstigen Luftfahrzeugen sowie auf ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige erstreckt. Hintergrund war der Vorschlag Nr. 116 im „Weißbuch 1970 zur Lage der Bundeswehr“, im Hinblick auf die mit der Verwendung verbundenen physischen und psychischen Belastungen den Kreis der Bezugsberechtigten der Fliegerzulage zu erweitern und eine ruhegehaltfähige Stellenzulage für Hubschrauberpiloten, entsprechend belastete sonstige Flugzeugführer und Besatzungsangehörige zu schaffen9. Durch das Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 22. Dezember 197710 wurde die Stellenzulage für Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter von ein- und zweisitzigen strahlgetriebenen Kampf- und Schulflugzeugen erhöht. Dies wurde ebenfalls damit begründet, dass die technische Entwicklung und das Fliegen solcher Flugzeuge sowie der Kampfauftrag im Laufe der letzten Jahre zu höheren Leistungsanforderungen und damit zu Funktionssteigerungen bei den Kampfbesatzungen geführt hätten11.

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Bundesrecht verletzt das Berufungsurteil ferner durch die Annahme, dem Kläger stehe die Zulage Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Vorbemerkungen selbst dann nicht zu, wenn er dem Grunde nach als sonstiger ständiger Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger anzusehen sein sollte. Die Tätigkeit des Klägers als Wärmebild- und Peilsystemoperator präge nicht seinen Dienstposten, weil mehr als 20 % seiner Jahresarbeitszeit auf nichtzulageberechtigende Tätigkeiten entfielen.

Diese Vorgehensweise ist mit der Bestimmung der zulageberechtigenden Funktionen durch den Gesetzgeber in der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz unvereinbar. Die Zulage für Soldaten und Beamte als fliegendes Personal ist eine Stellenzulage, deren Zahlung gemäß § 42 BBesG auf herausgehobene Funktionen (Absatz 1) und auf die Dauer ihrer Wahrnehmung beschränkt ist (Absatz 3 Satz 1). Herausgehoben im Sinne dieser Vorschrift sind diese Funktionen wegen der für ihre Wahrnehmung zusätzlich zu erfüllenden Anforderungen, die von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfasst werden12. Welche Funktionen im Sinne des § 42 Abs. 1 BBesG herausgehoben sind, hat der Gesetzgeber in den einzelnen Zulagevorschriften normativ entschieden13.

Durch die Stellenzulage Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen werden die hohen Anforderungen, die besonderen physischen und psychischen Belastungen sowie die erhöhten Gefahren abgegolten, denen Soldaten oder Beamte als fliegendes Personal bei der Verrichtung ihres Dienstes ausgesetzt sind. Dieser Zweck ist auch für die Bestimmung des Begriffs „sonstige ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige“ maßgeblich. Es muss sich um ein sonstiges Mitglied der Besatzung eines Luftfahrzeugs handeln, das infolge seiner Verwendung den mit einem Einsatz in einem Luftfahrzeug verbundenen Dauererschwernissen gleichbleibender Art grundsätzlich in demselben Maß ausgesetzt ist wie es für die in Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b genannten Funktionen typisch ist. Der Betreffende muss wie der Pilot des Luftfahrzeugs, der Waffensystemoffizier eines zweisitzigen stahlgetriebenen Kampf- oder Schulflugzeugs oder der in einem Hubschrauber eingesetzte Luftfahrzeugoperationsoffizier zur Standardbesatzung eines Luftfahrzeugtyps gehören und deshalb regelmäßig im Luftfahrzeug zum Einsatz kommen. Es reicht nicht aus, wenn der Soldat oder Beamte lediglich von Fall zu Fall bei bestimmten Einsatzkonstellationen herangezogen wird. Erfüllt der Beamte die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Regelung, so steht ihm die Zulage zu.

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, der das aufgrund seiner Rechtsansicht dieser Frage nicht nachgehen musste, wird nunmehr aufklären müssen, ob der Kläger auf seinem Dienstposten zur Standardbesatzung eines Hubschraubers gehört. Insoweit trifft die Beklagte zumindest eine Darlegungslast, weil es sich bei der generellen Festlegung der Besatzung der Hubschrauber um Umstände handelt, die ausschließlich in ihrem Verantwortungs- und Verfügungsbereich liegen14.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat danach zu klären, welche Besatzungen die Beklagte für die verschiedenen bei den Fliegerstaffeln der Bundespolizei eingesetzten Hubschraubertypen vorgesehen hat. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Regel- oder Standardbesatzung der Hubschrauber je nach Einsatzbereich (Fahndungs- und Überwachungseinsätze, Notfall- oder Katastropheneinsätze oder Schulungsflüge) in Anweisungen oder Erlassen generell geregelt hat. Aufzuklären ist ferner, ob die Beklagte die Vorgaben für die Besatzung der Hubschrauber infolge der Neufassung der „Stellen-/ Funktionsausschreibung 14/2008“ durch das Bundespolizeipräsidium im Juli 2008, die nach der Darstellung des Klägers zur Ausweitung seiner Funktionen während des Hubschraubereinsatzes geführt hat, geändert hat. Sollte es keine generellen Vorgaben durch behördliche Erlasse geben, so ist zu klären, wie oft der auf einem der Fliegerstaffel zugeordneten Dienstposten verwendete Kläger tatsächlich an Hubschraubereinsätzen teilgenommen hat. Das Berufungsgericht wird im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch aufzuklären haben, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte die Zulage Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Vorbemerkungen im Bereich der Bundeswehr z.B. sonstigen Besatzungsangehörigen von Rettungshubschraubern der Luftwaffe und der Marineflieger gewährt.

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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Oktober 2010 -2 C 29.09

  1. VG München, Urteil vom 27.02.2007 – M 5 K 05.3132[]
  2. BayVGH, Urteil vom 06.04.2009 – 14 BV 07.1263[]
  3. in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.08.2002, BGBl I S. 3020[]
  4. BVerwG, Urteil vom 12.06.1984 – 6 C 94.83, Buchholz 235 § 42 BBesG Nr. 6 S. 17[]
  5. BVerwG, Urteile vom 03.01.1990 – 6 C 11.87, Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 6 S. 8 f.; vom 23.04.1998 – 2 C 1.97, Buchholz 240.1 Nr. 20 S. 32; und vom 08.06.2000 – 2 C 24.99, Buchholz 240.1 Nr. 25 S. 7[]
  6. BGBl I S. 526[]
  7. Entwurf für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes, BT-Drs. V/688, S. 3; sowie Schriftlicher Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. V/765, S. 1 f.[]
  8. BGBl I S. 208[]
  9. Schriftlicher Bericht des Innenausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern, zu BT-Drs. VI/1885, S. 9[]
  10. BGBl I S. 3103[]
  11. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes, BT-Drs. 8/1027, S. 4[]
  12. BVerwG, Urteil 27.11.2003 – 2 C 55.02, Buchholz 240.1 BBesO Nr. 28[]
  13. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 2 C 1.08, Buchholz 240.1 BBesO Nr. 32 Rn. 11[]
  14. vgl. BVerwG, Urteile vom 29.06.1999 – 9 C 36.98, Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 12 S. 20; und vom 20.01.2000 – 2 C 13.99, Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 4 S. 3 m.w.N.[]
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