Mit der Berechnung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis auf Grundlage des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen (NJAG) – in der bis zum 31.12 2013 geltenden Fassung – hatte sich jetzt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu befassen:

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a. F. besteht die Unterhaltsbeihilfe aus einem Grundbetrag in Höhe von 85 vom Hundert des höchsten nach dem Bundesbesoldungsgesetz geltenden Anwärtergrundbetrags.
Nach diesem eindeutigen Wortlaut ist Bezugsgröße für den Grundbetrag der höchste nach dem Bundesbesoldungsgesetz geltende Anwärterbetrag.
Für eine analoge Anwendung der für Landesbeamte geltenden Vorschriften des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes ist kein Raum. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke [1]. Denn die Bezugnahme in § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a. F. auf das Bundesbesoldungsgesetz als solches ist klar und unmissverständlich. Die Regelung ist auch anwendbar. Denn die jeweilige Unterhaltsbeihilfe lässt sich anhand des nach dem Bundesbesoldungsgesetz geltenden Anwärterbetrags konkret berechnen.
Anlass für eine analoge Rechtsanwendung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes bietet auch nicht die Föderalismusreform, mit der zum 1.09.2006 die Kompetenz für besoldungsrechtliche Regelungen vom Bund auf die Länder übergegangen ist [2].
Zwar kann die tatsächliche oder rechtliche Entwicklung eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Lückensuche und ‑schließung findet ihre Rechtfertigung unter anderem darin, dass Gesetze einem Alterungsprozess unterworfen sind. Sie stehen in einem Umfeld sozialer Verhältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauungen, mit deren Wandel sich auch der Norminhalt ändern kann. In dem Maße, in dem sich aufgrund solcher Wandlungen Regelungslücken bilden, verliert das Gesetz seine Fähigkeit, für alle Fälle, auf die seine Regelung abzielt, eine gerechte Lösung bereit zu halten. Die Gerichte sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter den veränderten Umständen „Recht“ im Sinne des Art.20 Abs. 3 GG ist [3]. Eine Rechtsfortbildung „praeter legem“ ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen [4].
Eine grundlegende Änderung der rechtlichen Verhältnisse, die zwingend mit einer Anwendung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes statt des Bundesbesoldungsgesetzes einhergehen müsste, war aber mit der Föderalismusreform nicht verbunden. Die Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare war von vornherein landesrechtlich geregelt. Seitdem die Rechtsreferendare nicht mehr in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen werden, hatte das Land Niedersachsen – und nicht erst seit der Föderalismusreform – die Kompetenz, die monatliche Unterhaltsbeihilfe für die Referendare zu regeln. Dass der Landesgesetzgeber auch nach der Föderalismusreform die Höhe der Unterhaltsbeihilfe an die Besoldung der Bundesbeamten gekoppelt hat, ist nicht völlig sinnwidrig. Die Koppelung ist zudem zulässig [5].
Der Umstand, dass eine Bezugnahme auf das Niedersächsische Besoldungsgesetz statt auf das Bundesbesoldungsgesetz sinnvoll und naheliegend gewesen wäre, reicht nicht aus, den eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a. F. abweichend auszulegen. Dies widerspräche der in Besoldungsfragen zu fordernden Eindeutigkeit der normativen Grundlagen auch im Hinblick auf Rechtsklarheit und Rechtseinheitlichkeit [6]. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Versorgungsrecht wie das Besoldungsrecht ein Rechtsgebiet, in dem dem Wortlaut des Gesetzes wegen der strikten Gesetzesbindung (§ 2 BBesG, § 3 BeamtVG) besondere Bedeutung zukommt. Vorschriften, die die gesetzlich vorgesehene Versorgung des Beamten begrenzen oder erhöhen, sind deshalb grundsätzlich einer ausdehnenden Anwendung nicht zugänglich [7]. Zwar stellt die Unterhaltsbeihilfe keine Besoldung im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 BBesG dar, die gemäß § 2 Abs. 1 BBesG durch Gesetz geregelt werden muss. Vielmehr steht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Anwärterbezüge ein weiter Gestaltungsraum zu [8]. Die hier streitige Regelung ist aber eine Regelung zur Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses, das dem Beamtenverhältnis auf Widerruf angenähert ist. Denn nach § 5 Abs. 2 NJAG a. F. finden für Rechte und Pflichten der Referendare einschließlich des Disziplinar- und des Personalvertretungsrechts und für die Beendigung des Vorbereitungsdienstes die für Beamte auf Widerruf geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 7 Abs. 1 Nr. 2, des § 33 Abs. 1 Satz 3 und des § 38 des Beamtenstatusgesetzes sowie des § 47 NBG entsprechende Anwendung, soweit nicht durch dieses Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Deshalb ist es auch hinsichtlich der hier streitigen Vorschrift des § 5 Abs. 3 NJAG a. F. gerechtfertigt, wegen der gebotenen Rechtsklarheit an dem Wortlaut der Vorschrift festzuhalten.
Zu keiner anderen Einschätzung führt die zu der seit dem 1.01.2014 geltenden Neufassung des § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG in den Gesetzesmaterialien zu Artikel 14 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 niedergelegte Begründung [9]. Nach der jetzigen Fassung des § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG besteht die Unterhaltsbeihilfe nunmehr aus einem Grundbetrag in Höhe von 85 vom Hundert des höchsten nach dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz geltenden Anwärtergrundbetrags. Nach den Gesetzesmaterialien [10] hat die Neufassung zum Ziel, „die erforderliche Rechtsklarheit dahingehend herbeizuführen, dass auch die Referendarinnen und Referendare des juristischen Vorbereitungsdienstes – entsprechend der Handhabe seit 2008 und entsprechend dem Willen des niedersächsischen Gesetzgebers, die Besoldung und Versorgung abweichend vom Bund zu regeln – Unterhaltsleistungen in Höhe von 85 Prozent des höchsten nach dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz (NBesG) geltenden Anwärtergrundbetrages erhalten“. Zwar ist grundsätzlich für die Auslegung von Gesetzen der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich. Sollte der niedersächsische Gesetzgeber nach Inkrafttreten der Föderalismusreform am 1.09.2006 einen anderen Regelungswillen gehabt haben, hat ein solcher in der hier streitigen Regelung aber keinen Ausdruck gefunden. Eine Änderung der Vorschrift ist bis zum 1.01.2014 unterblieben, obwohl der Landesgesetzgeber im Jahr 2009 die Vorschrift des § 5 NJAG – soweit es zwischenzeitlich in Kraft getretene Vorschriften des BeamtStG und des NBG anbelangt – redaktionell angepasst hat und dies zum Anlass hätte nehmen können, die streitige Regelung zu ändern. Dass die Neufassung des Wortlauts des § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG keine inhaltliche Änderung darstellt, sondern nur dem Ziel dient, die erforderliche Rechtsklarheit herbeizuführen, lässt sich deshalb nicht feststellen.
Ein dahin gehender objektivierbarer Wille des Gesetzgebers geht auch nicht aus § 5 Abs. 2 NJAG a. F. hervor. Danach finden – wie ausgeführt – für Rechte und Pflichten der Referendare einschließlich des Disziplinar- und des Personalvertretungsrechts und für die Beendigung des Vorbereitungsdienstes die für Beamte auf Widerruf geltenden Vorschriften mit Ausnahme der darin genannten Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit nicht durch dieses Gesetz etwas anderes bestimmt ist. In dem hier streitigen Absatz 3 Satz 2 derselben Vorschrift wird aber gerade etwas anderes geregelt und ausdrücklich auf das Bundesbesoldungsgesetz Bezug genommen.
Bei der Verweisung in § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a. F. handelt es sich aber – anders als es das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in dem von ihm mit Urteil vom 27.10.2014 [11] entschiedenen Fall angenommen hat – nicht um eine dynamische Verweisung auf den im Bundesbesoldungsgesetz geregelten Anwärtergrundbetrag als Bezugsgröße, sondern um eine statische Verweisung auf das Bundesbesoldungsgesetz in der bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung.
Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a. F. „in Höhe von 85 vom Hundert des höchsten nach dem Bundesbesoldungsgesetz geltenden Anwärtergrundbetrags“ enthält allerdings keinen Hinweis auf eine statische Verweisung. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folgt vielmehr, dass Bezugsgröße der jeweils geltende höchste Anwärtergrundbetrag nach dem Bundesbesoldungsgesetz gewesen ist. Denn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des NJAG lag die Gesetzeskompetenz für die Besoldungsangelegenheiten aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes noch beim Bund.
Die ursprünglich dynamische Verweisung in § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a. F. auf das Bundesbesoldungsgesetz ist aber nach Inkrafttreten der Föderalismusreform aufgrund der Änderung des § 1 NBesG zu einer statischen Verweisung geworden. Nach § 1 Abs. 2 NBesG in den für den hier maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassungen gelten für die Besoldung der in Absatz 1 dieser Vorschrift genannten Personen das Bundesbesoldungsgesetz in der bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung vom 06.08.2002 [12], zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 4 des Gesetzes vom 12.07.2006 [13] – Bundesbesoldungsgesetz 2006, und die sonstigen bis zum 31.08.2006 gültigen bundesrechtlichen Vorschriften fort, soweit sich aus diesem Gesetz oder anderen Landesgesetzen nichts anderes ergibt (siehe auch § 86 BBesG a. F., jetzt § 85 BBesG).
Diese Regelung gilt entsprechend auch für die Rechtsreferendare. Denn – wie bereits oben ausgeführt – finden nach § 5 Abs. 2 NJAG a. F. für Rechte und Pflichten der Referendare einschließlich des Disziplinar- und des Personalvertretungsrechts und für die Beendigung des Vorbereitungsdienstes die für Beamte auf Widerruf geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 7 Abs. 1 Nr. 2, des § 33 Abs. 1 Satz 3 und des § 38 BeamtStG sowie des § 47 NBG entsprechende Anwendung, soweit nicht durch dieses Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 NJAG a. F. ist zum 1.04.2009 an die für die Beamten auf Widerruf geltenden Vorschriften angepasst worden. Umfasst sind nach dieser Vorschrift auch die für die Beamten auf Widerruf geltenden besoldungsrechtlichen Regelungen. Denn anderenfalls hätte der niedersächsische Gesetzgeber die besoldungsrechtlichen Vorschriften ausdrücklich ausnehmen müssen wie etwa in den vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen herangezogenen Vorschriften, nach denen die entsprechende Anwendung der für Beamte im Vorbereitungsdienst geltenden Besoldungsregelungen auf Laufbahnbewerber in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis ausgeschlossen ist [14]. Darüber hinaus ist in § 5 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 NJAG a. F. geregelt, dass auf die Unterhaltsbeihilfe die besoldungsrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden sind.
Die entsprechende Anwendung des NBesG ist nicht durch den Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 letzter Satzteil NJAG a. F. („soweit nicht durch dieses Gesetz etwas anderes bestimmt ist“) ausgeschlossen. Zwar wird in dem anschließenden, hier streitigen Absatz 3 des § 5 NLAG a. F. das Bundesbesoldungsgesetz als Bezugsgröße genannt. Diese Bezugnahme auf das Bundesbesoldungsgesetz ist jedoch im Lichte der nach der Föderalismusreform eingetretenen und in § 1 Abs. 2 NBesG ausdrücklich geregelten statischen Verweisung auf das Bundesbesoldungsgesetz 2006 zu sehen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt bereits, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Unterhaltsbeihilfe hat. Denn das Bundesbesoldungsgesetz 2006 sah als höchsten Anwärtergrundbetrag 1.052, 06 EUR vor, während der Kläger während des Referendariats Unterhaltsbeihilfe entsprechend dem Niedersächsischen Besoldungsgesetz bemessen nach den jeweils höchsten Anwärtergrundbeträgen erhalten hat (ab 1.01.2012: 1.195,81 €; ab 1.01.2013: 1.245, 81 €).
Nach § 1 Abs. 2 NBesG gilt die statische Verweisung auf das Bundesbesoldungsgesetz 2006, „soweit sich aus diesem Gesetz oder anderen Landesgesetzen nichts anderes ergibt“. Etwas „anderes“ ist nicht in § 12 Abs. 1 NBesG geregelt, wonach sich die Höhe der Besoldung der niedersächsischen Beamten aus den Anlagen 2 bis 10 (hier wäre die Anlage 4 maßgeblich) ergibt. Eine solche Rechtsauffassung hätte zur Folge, dass „Bundesbesoldungsgesetz“ im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 NJAG a. F. das „Niedersächsische Besoldungsgesetz in der jeweilig geltenden Fassung“ wäre. Eine solche Anwendung widerspräche dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, dem – wie schon dargelegt – wegen der strikten Gesetzesbindung besondere Bedeutung zukommt.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 5 LA 114/14
- so auch OVG NRW, Urteil vom 27.10.2014 – 3 A 1217/14 161[↩]
- vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 27.10.2014, a. a. O., Rn. 166[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89 21[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.03.1993 – 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90 67[↩]
- vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17.03.2014 – BVerwG 2 B 45.13 28[↩]
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.10.2014, a. a. O., Rnrn. 178ff. m. w. N.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 02.04.1971 – BVerwG 6 C 82.67 25; Urteil vom 27.03.2008 – BVerwG 2 C 30.06 25; Urteil vom 12.11.2009 – BVerwG 2 C 29.08 12; siehe auch Nds. OVG, Urteil vom 25.11.2014 – 5 LB 69.14 46[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.03.2014 – BVerwG 2 B 45.13 n. 16ff.[↩]
- LT-Drs. 17/576, S. 40[↩]
- LT-Drs. 17/576, a. a. O.[↩]
- OVG NRW, a. a. O.[↩]
- BGBl. I S. 3020[↩]
- BGBl. I S. 1466[↩]
- OVG NRW, Urteil vom 27.10.2014, a. a. O., Rn. 188; vgl. hier § 4 Abs. 2 NBG[↩]