Einem niedersächsischen Lehrer fehlt es an einem subjektiven Recht darauf, dass die Landesschuldbehörde Unterrichtsbesuche, einschließlich unangekündigter Unterrichtsbesuche, ihres Schulleiters unterbindet, wie jetzt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Bestätigung eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stade entschied.

Zwar bestimmt § 50 Abs. 1 Satz 1 NSchG, dass die Lehrkräfte in eigener pädagogischer Verantwortung erziehen und unterrichten. Diese Garantie einer eigenen pädagogischen Verantwortung dient jedoch ausschließlich öffentlichen Interessen (Brockmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, Stand: März 2009, § 50 Erl. 3.3). Aus ihr ergibt sich daher grundsätzlich kein subjektives Abwehrrecht beamteter Lehrkräfte gegenüber Eingriffen des Dienstherrn in ihre Unterrichtstätigkeit, und zwar selbst dann nicht, wenn diese Eingriffe gegen § 50 Abs. 1 Satz 1 NSchG verstoßen (Nds. OVG, Beschl. v. 3. 8. 1999 – 5 ME 2250/99 -, NVwZ-RR 2000, 161). Vielmehr ist der Lehrer insoweit auf den Beschwerdeweg des § 104 Abs. 1 NBG verwiesen.
Auch ist ein Lehrer gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 NSchG – ungeachtet seiner eigenen pädagogischen Verantwortung für den Unterricht – an die geltenden Rechtsvorschriften gebunden und hat daher die in § 43 Abs. 2 Satz 1 NSchG ausdrücklich vorgesehenen Unterrichtsbesuche seines Schulleiters hinzunehmen. Für solche Unterrichtsbesuche bedarf es keiner zusätzlichen „Ermächtigung“ oder Regelung in Gestalt eines Runderlasses. Sie haben auch nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes (vgl. §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 NVwVfG i. V. m. § 35 VwVfG); denn es fehlt ihnen an einer Rechtswirkung nach außen, weil grundsätzlich subjektive Rechte der unterrichtenden Lehrkraft an der An- oder Abwesenheit ihrer Vorgesetzten im Unterrichtsraum nicht bestehen.
Dem zuständigen Ministerium steht es zwar frei, die gesetzliche Befugnis der Schulleiter, Unterrichtsbesuche vorzunehmen, im Erlasswege an weitere Voraussetzungen zu binden, namentlich den Schulleitern aufzugeben, ihre Besuche vorher anzukündigen. Entgegen der Annahme der Antragstellerin war Letzteres aber durch den mit Ablauf des 31. Dezember 2006 außer Kraft getretenen Gemeinsamen Runderlass des MK und des MS vom 05.05.19821 nicht geschehen. Wie die systematische Auslegung dieses Runderlasses ergibt, bezog sich das dort aufgestellte Erfordernis der Ankündigung von Unterrichtsbesuchen vielmehr nur auf die Unterrichtsbesuche durch Beamtinnen und Beamte der Schulbehörde; denn unter II. Nr. 2 des Runderlasses ist eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu II. Nr. 1 Satz 1 des Runderlasses nicht angeordnet worden. Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass das Ankündigungsgebot des II. Nr. 1 Satz 1 des Runderlasses seinem Sinn und Zweck nach auch auf solche Unterrichtsbesuche zu beziehen ist, die nicht vorrangig der pädagogischen, didaktischen und methodischen Beratung (vgl. II. Nr. 1 Satz 2 des Runderlasses), sondern – wie hier (der Vorwurf der Trunkenheit während des Unterrichts stand im Raum) – neben der Fach- auch der Dienstaufsicht2 dienen. Da sich nach alledem weder aus dem Außerkrafttreten noch dem Inhalt des genannten Runderlasses etwas zur Begründung eines Anordnungsanspruchs der Antragstellerin herleiten lässt, kann offen bleiben, ob durch den Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 4. Dezember 20063 übergangsweise eine weitere Anwendung der Regelungen des Runderlasses auch mit Blick auf Unterrichtsbesuche – und nicht nur Unterrichtsbesichtigungen – angeordnet worden ist.
Die Antragstellerin verkennt, dass sie sich als Beamtin aus begründetem Anlass sehr wohl in ihrer Dienstausübung durch den Schulleiter als Vorgesetzten „kontrollieren“ lassen muss und diese Kontrollen keine „Sanktion“ darstellen. Ist der Unterricht einer Lehrkraft – wie hier – mehrfach Gegenstand nicht ohne weiteres unglaubhafter Beschwerden, so darf sich der Schulleiter durch Unterrichtsbesuche, die die Funktion von Stichproben haben, ein eigenes Bild von der Lehrtätigkeit der Betroffenen machen. Solche Unterrichtsbesuche könnten ihre Stichprobenfunktion nicht erfüllen, würde ihr genauer Termin angekündigt und damit der Lehrkraft die Möglichkeit gegeben, etwa nur aus Anlass der Überprüfung eine mustergültige Stunde zu halten. Es gehört daher zu den Dienstpflichten einer Lehrerin, sich durch Beschwerden hinreichend veranlassten, unangekündigten Unterrichtsbesuchen ihres Schulleiters – und den damit notwendigerweise verbundenen, kleineren Störungen ihres Unterrichts – gewachsen zu zeigen. Bei richtiger rechtlicher Einordnung des Vorganges besteht für eine erfahrene Lehrkraft, die sich nichts vorzuwerfen hat, kein Anlass, mit einer Aufregung zu reagieren, die in „Kreislaufprobleme“ mündet. Ebenso liegt es auf der Hand, dass eine etwaige Neigung zu Depressionen nicht dazu führen kann, dass gegenüber einer Beamtin die Fach- und Dienstaufsicht nicht mehr wirksam ausgeübt werden darf.
Im Übrigen überschätzt die Antragstellerin erkennbar die rechtliche Bedeutung des ihr in § 50 Abs. 1 Satz 1 NSchG eingeräumten pädagogischen Freiraums im Verhältnis zu ihrem durch die §§ 50 Abs. 1 Satz 2 NSchG, 35 Satz 2 und 36 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 BeamtStG bestimmten Pflichtenkreis sowie den Aufsichtsbefugnissen ihres Schulleiters, die sich aus dessen Aufgaben (§§ 43 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 NSchG) und Stellung als Vorgesetzter (§§ 43 Abs. 2 Satz 1 und 3 Abs. 3 NBG) ergeben. Dieser Rechtsirrtum spricht dafür, dass die Antragstellerin gesundheitliche Beeinträchtigungen bereits dadurch vermeiden kann, dass sie künftig davon Abstand nimmt, sich über das nur vermeintliche Unrecht unangekündigter Unterrichtsbesuche zu empören, und etwa zu Unrecht erhobene Beschwerden über ihre Lehrtätigkeit stattdessen durch die beständige Qualität eines gelassen erteilten Unterrichts entkräftet.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. Mai 2009 – 5 ME 39/09
- 104-03 002 – Nds. MBl. 1982, 499, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 17.05.2005 -Nds. MBl. 2005, 404[↩]
- vgl. insoweit: Brockmann, a. a. O., § 120 Erl. 4.3.1 und 4.3.2[↩]
- vgl. dazu: Nds. OVG, Beschluss vom 26. 8. 2008 – 5 ME 122/08 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit und in juris[↩]