Zur Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen ist solange § 11 BUrlG analog anzuwenden, wie keine gesetzliche Regelung besteht.

Der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte ist nach den gleichen Bedingungen wie unionsrechtlich gewährleisteter Mindesturlaub abzugelten.
So die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt in dem hier vorliegenden Fall einer wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzten behinderten Konrektorin, die eine Urlaubsabgeltung für das Jahr 2010 und die ersten beiden Monate des Jahres 2011 begehrt hat. Die Klägerin stand als Realschulkonrektorin bis zum 28. Februar 2011 im Dienst des Beklagten. Mit Ablauf dieses Tages wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Seit dem 18. Januar 2010 war die Klägerin dienstunfähig erkrankt. Sie war in den Jahren 2010 und 2011 mit einem Grad von 50 als Schwerbehinderte anerkannt. Während der letzten drei Monate des aktiven Beamtenverhältnisses erhielt die Klägerin eine Bruttobesoldung von insgesamt 14.821,92 €. Die Klägerin forderte vom beklagten Land unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Mai 20121 die Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 7.540,83 €. Da eine Zahlung nicht erfolgte, hat die Klägerin Klage erhoben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt kann für die Beurteilung des Klageanspruchs hinsichtlich der Abgeltung des Mindesturlaubs von jährlich vier Wochen nicht auf nationales Recht abgestellt werden. Die Bestimmungen der HUrlVO sehen keine Urlaubsabgeltung in denjenigen Fällen vor, in denen eine Beamtin wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird mit der Folge, dass damit ihr Beamtenverhältnis nach § 21 Nr. 4 BeamtStG endet, und den Erholungsurlaub im Umfang des § 5 HUrlVO nicht durch eine bezahlte Freistellung vom Dienst in Anspruch genommen hat oder nehmen konnte. Eine diesbezügliche Regelung enthält auch das HBG nicht, dessen § 106 HBG diese Frage der von der Landesregierung zu erlassenen Rechtsverordnung überlässt und dessen Abs. 2 in den dort aufgeführten Maßgaben für den Inhalt dieser Rechtsverordnung keine Verpflichtung zum Erlass einer Regelung zur Abgeltung von Erholungsurlaub enthält. Die in § 8 UrlVO vom 26.2.19492 i. d. F. der Änderungsverordnung v. 21.5.19523 getroffene und § 7 Abs. 4 BUrlG entsprechende Regelung, nach der ein bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses noch nicht genommener Urlaub abzugelten ist, wurde für die Gruppe der Beamten nicht fortgeführt.
Insoweit kann sich allerdings die Frage stellen, ob gleichwohl auf diese Regelung zurückzugreifen wäre, weil Art. 34 S. 2 HV für die Ausgestaltung des Anspruchs auf einen bezahlten Jahresurlaub einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt enthält, dem aufgrund des in Art. 34 S. 1 HV gewährleisteten Grundrechts auf einen jährlichen Urlaub von mindestens 12 Arbeitstagen gemäß Art. 63 HV nur durch ein vom Landtag verabschiedetes Gesetz genügt werden könnte4. Dem braucht das Verwaltungsgericht Frankfurt jedoch nicht nachzugehen, weil der Klägerin ein unionsrechtlicher Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht, die Ansprüche aufgrund des § 8 UrlVO von 1949 insgesamt ungünstiger ausgestaltet sind als der sich aus dem Unionsrecht ergebende Anspruch und sich auch hinsichtlich der UrlVO von 1949 die Frage nach der Beachtung des Gesetzesvorbehalts in Art. 34 S. 2 HV i. V. m. Art. 63 HV stellen würde, die UrlVO also ihrerseits mangels Beachtung dieser landesverfassungsrechtlichen Anforderung ungültig gewesen sein könnte.
§ 7 Abs. 4 BUrlG kann als Anspruchsgrundlage nicht herangezogen werden, da die Vorschriften des BUrlG für Beamte nicht gelten. § 2 S. 1 BUrlG beschränkt den Geltungsbereich des BUrlG auf Arbeiter und Angestellte, d. h. auf Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin war auch kein arbeitnehmerähnliche Person, noch war sie Heimarbeiterin i. S. d. § 2 S. 2 BUrlG.
Als Anspruchsgrundlage kommt daher für die Klägerin nur Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG in Betracht, der eine finanzielle Abgeltung des bezahlten Jahresurlaubs für den Fall der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorsieht. Nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht Arbeitnehmern ein Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen gegen ihren Arbeitgeber zu. Nach Art. 2 Abs. 3 RL 2003/88/EG gelten die Bestimmungen dieser RL für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche i. S. d. Art. 2 der RL 89/371/EWG. Nach Art. 2 Abs. 1 RL 89/391/EWG gehören dazu unter anderem gewerbliche, landwirtschaftliche, kaufmännische, verwaltungsmäßige sowie dienstleistungs- oder ausbildungsbezogene, kulturelle und Freizeitaktivitäten. Nach Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG findet diese RL keine Anwendung, soweit dem Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen. Beamtenverhältnisse als solche sind jedoch vom personellen Geltungsbereich der RL 2003/88/EG wie der RL 79/371/EWG nicht ausgenommen, wie der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Mai 20125 entschieden hat. Dort hat er die personelle Geltung der RL auch auf Feuerwehrbeamte bezogen. Folglich kann für die Klägerin nichts anderes gelten. Die entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Frankfurt6 wie der des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs7.
Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau gefasst, um individuelle Ansprüche auf einen jährlichen bezahlten Mindesturlaub zu begründen. Daran ändern die in Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG angesprochenen Befugnisse der Mitgliedstaaten zur Gestaltung von Bedingungen für die Inanspruchnahme des Rechts auf einen bezahlten Jahresurlaub nichts8. Die Klägerin kann daher unmittelbar gestützt auf Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Gewährung eines bezahlten Jahresurlaubs von mindestens vier Wochen beanspruchen. Das beklagte Land ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und muss sich deshalb für den Fall der mangelnden Umsetzung der RL die Anwendung ihrer eines unmittelbaren Vollzugs zugänglichen Bestimmungen gefallen lassen9.
Die Klägerin konnte aufgrund ihrer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit seit dem 18. Januar 2010 ihren unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub weder für das Jahr 2010 im Umfang von vier Wochen noch im anteiligen Umfang von 1/6 der vier Wochen für die ersten beiden Monate des Jahres 2011 in Anspruch nehmen.
Durch die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand mit Ablauf des 28. Februar 2011 hat ihr Beamtenverhältnis geendet (§ 21 Nr. 4 BeamtStG). Das stattdessen entstandene Ruhestandsbeamtenverhältnis ist kein Beamtenverhältnis mehr, sondern dient nur noch der Erfüllung des Anspruchs auf Ruhegehalt (§ 56 Abs. 3 HBG). Seitdem kann der Urlaubsanspruch durch eine Freistellung vom Dienst mangels einer fortbestehenden Dienstleistungspflicht der Klägerin nicht mehr erfüllt werden, ist dadurch aber nicht untergegangen. Vielmehr ist an die Stelle des Freistellungsanspruchs der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG getreten.
Im Umfang des nicht durch Freistellung erfüllten Mindesturlaubsanspruchs von 4,66 Wochen kann die Klägerin unmittelbar gestützt auf Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG eine finanzielle Abgeltung verlangen, da ihr der Urlaub wegen der Beendigung seines Beamtenverhältnisses nicht mehr durch eine Freistellung vom Dienst gewährt werden kann. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 3. Mai 2012 entschieden, dass Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unmittelbar das Recht auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub begründet, den die Beamtin nicht genommen hat, weil sie aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat10. Diese Bestimmung kann unmittelbar gegenüber dem Beklagten zur Anwendung gebracht werden, da sich das Land als öffentlich-rechtliche Körperschaft – wie andere Teile der staatlichen Verwaltung Deutschlands – nicht darauf berufen kann, dass im nationalen Recht keine Vorschrift enthalten ist, die zur Umsetzung dieser RL-Bestimmung einen Abgeltungsanspruch unter den genannten Voraussetzungen begründet. Insoweit gilt das Gleiche wie zur Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG durch den Kläger im Verhältnis zum Beklagten (s. o.). Das Verwaltungsgericht Frankfurt setzt damit einerseits ihre bisherige Rechtsprechung fort und befindet sich andererseits in Übereinstimmung der seit ihrem Urteil vom 20. August 2012 ergangenen Rechtsprechung des HessVGH und des OVG NW11.
Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG enthält allerdings keine genauen Vorgaben zur Berechnung der Urlaubsabgeltung. Diese Lücke im nationalen Recht ist durch die allgemein gebräuchlichen Methoden der Auslegung und Analogie zu schließen, weil nur so die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sichergestellt werden kann. Dafür ist das gesamte nationale Recht zu berücksichtigen12. Da das Urlaubsrecht für die Beamten und Beamtinnen im Landesbereich im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG eine planwidrige Lücke enthält, muss auf Regelungen zurückgegriffen werden, in denen eine vergleichbare Leistung näher ausgestaltet ist. Für die Berechnung der Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG werden im Arbeitsrecht die gleichen Regelungen angewandt, wie sie für die Berechnung des Urlaubsentgelts in § 11 BUrlG getroffen sind13. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Eine vergleichbare Regelung trifft § 2 HMuSchEltZVO, der wie seine Vorgängerregelungen ebenfalls Mehrarbeitsvergütungen unberücksichtigt lassen will und im Übrigen für die Einbeziehung von Zulagen auf die Bezüge der letzten drei Monate vor dem Beginn des Beschäftigungsverbots abstellt. Eine gleichartige Regelung enthält § 2 MuSchEltZVO des Bundes.
Art. 7 Abs. 1 IAO-Übereinkommen Nr. 132 sieht vor, dass während des Urlaubs das durchschnittliche Entgelt weiterzuzahlen ist, wobei lediglich als Dauerleistung gewährte Sachleistungen von der Berechnung auszunehmen sind. Einen Bezugszeitraum benennt Art. 7 Abs. 1 IAO-Übereinkommen Nr. 132 nicht. Der Europäische Gerichtshof geht in Auslegung von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG davon aus, der Arbeitnehmer müsse für den Urlaubszeitraum das gewöhnliche Entgelt erhalten14. Dieser Grundsatz lässt sich auf die Berechnung der Urlaubsabgeltung übertragen, da sie hinsichtlich der Finanzierungsfunktion dem gleichen Zweck dient wie das Urlaubsentgelt. Die Urlaubsabgeltung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich der Anspruch auf Jahresurlaub nicht nur auf eine Freistellung von der Arbeits- bzw. Dienstpflicht richtet, sondern zusätzlich auf ein für diesen Zeitraum zu zahlendes Entgelt, sodass von einem bezahlten Urlaub gesprochen werden kann. Damit ist dem unionsrechtlichen Anspruch auf Jahresurlaub der Vermögenswert unmittelbar inhärent.
§ 8 S. 1 UrlVO von 1949 sah vor, dass der bei der Beendigung des Urlaubs noch nicht genommene Urlaub durch die Weiterzahlung der im letzten Beschäftigungsmonat bezogenen Bezüge abzugelten ist. Dieser zeitliche Anknüpfungspunkt hat sich in den Folgejahren nicht durchgesetzt, wie insbesondere § 7 Abs. 4 BUrlG i. V. m. § 11 BUrlG und § 2 S. 2 HMuSchEltZVO einschließlich seiner Vorgängerregelungen sowie § 2 MuSchEltZVO des Bundes zeigen.
Daher ist in Übereinstimmung mit § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG und § 2 S. 2 HMuSchEltZVO bzw. § 2 S. 2 MuSchEltZVO die Urlaubsabgeltung mangels anderweitiger Bestimmungen im derzeitigen Arbeits- und Beamtenrecht auf der Grundlage der Besoldungsleistungen während der letzten drei Monate vor der Beendigung des Beamtenverhältnisses mit Ausnahme eventueller Mehrarbeitsvergütungen zu berechnen15. Dies ist der derzeit gängige Bezugszeitraum für Leistungen, die für einen Zeitraum gewährt werden, in dem keine Verpflichtung zur Dienstleistung besteht. Ein anderweitiger Bezugszeitraum bietet sich jedenfalls im Wege der Lückenschließung durch eine Analogie zu anderen Rechtsvorschriften nicht an. Jede sonstige Bestimmung eines Bezugszeitraums im Wege der Analogie wäre daher willkürlich und fände im derzeitigen Recht keine Grundlage.
Dabei ist für das hessische Beamtenrecht ergänzend zu berücksichtigen, dass Art. 29 Abs. 1 HV den Gesetzgeber verpflichtet, ein einheitliches Arbeitsrecht für alle Statusgruppen zu schaffen. Auch wenn dieser Verfassungsauftrag unter Beachtung der nach Art. 135 HV möglichen Modifikationen im Interesse der öffentlichen Verwaltung wegen der für das Land vorrangigen Verpflichtungen aus Art. 33 Abs. 4, 5 GG nicht vollständig umsetzbar ist, bleibt das Land jedoch grundsätzlich verpflichtet, wesentliche Fragen des Arbeits- und Dienstrechts, soweit seiner Kompetenz unterworfen, nach einheitlichen Grundsätzen zu regeln. Auch deshalb liegt eine Ausrichtung auf § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG nahe, zumal sich der Landesgesetzgeber in § 2 S. 2 HMuSchEltZVO den gleichen Bezugszeitraum zu eigen gemacht und damit als geeigneten Maßstab definiert hat.
Ausgehend vom dreimonatigen Betrag der letzten Bruttobesoldung der Klägerin vor dem Beginn ihres Ruhestandes in Höhe von 14.821,92 € ist der auf die für die Klägerin abzugeltenden Urlaubswochen entfallende Anteil als Urlaubsabgeltung zu errechnen. Die Berechnung ist nicht nach Urlaubstagen vorzunehmen, da Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ohne Rücksicht auf die Zahl der Arbeits- oder Urlaubstage einen Mindesturlaub von vier Wochen gewährleistet. Der Betrag von 14.821,92 € ist durch 13 (Wochen) zu teilen, um das Wochenmaß zu erhalten, das 1.140,15 beträgt. Dieses ist mit dem Umfang des jährlichen Mindesturlaubs von vier Wochen für das Jahr 2010 zu multiplizieren, sodass der Mindesturlaub dieses Jahres mit einem Betrag von 4.560,60 € abzugelten ist. Für die ersten beiden Monate des Jahres 2011 beträgt der Abgeltungsbetrag 2/12 und damit 760,10 €. Der unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaub ist daher mit einem Gesamtbetrag von 5.320,70 € abzugelten.
In entsprechender Weise ist hinsichtlich des durch § 125 SGB IX gewährleisteten Zusatzurlaubs von fünf Tagen pro Kalenderjahr zu verfahren. Insoweit ergibt sich der Abgeltungsanspruch allerdings nicht in unmittelbarer Anwendung von Art. 7 RL 2003/88/EG, da der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Mai 201216 ausdrücklich ausgeführt hat, dass der den vierwöchigen Mindesturlaub i. S. d. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG übersteigende zusätzliche Urlaub nicht kraft Unionsrechts unter die Gewährleistungen dieser RL fällt17. Die Einbeziehung des bundesrechtlich gewährleisteten Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte in die Regelungen zur Abgeltung des Mindesturlaubs ergibt sich jedoch aus § 125 SGB IX selbst. Die Kammer folgt insoweit der Auslegung dieser Regelung durch das BAG. Es hat mit Urteil vom 23. März 201018 entschieden, dass der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach den gleichen Regeln abzugelten ist, wie sie für den sonstigen Mindesturlaub bestehen. Dies bezog sich zwar im Ergebnis auf die entsprechende Auslegung und Anwendung von § 7 Abs. 4 BUrlG, die für Beamtenverhältnisse nicht gilt. Die Auslegung des § 7 Abs. 4 BUrlG hatte das Bundesarbeitsgericht zuvor jedoch bereits der Auslegung von Art. 7 RL 2003/88/EG angepasst, um ein richtlinienkonformes Ergebnis auch dort zu erzielen, wo eine unmittelbare Anwendung der RL 2003/88/EG nicht in Betracht kommt. Davon unberührt bleibt jedoch die Aussage des Bundesarbeitsgerichts, wonach der durch § 125 SGB IX aufgrund dieser Regelung – nicht aufgrund des Art. 7 RL 2003/88/EG – mit den Ansprüchen auf einen Mindesturlaub gleichzubehandeln und deshalb ggf. auch abzugelten ist. Da sich für Beamte der Anspruch auf Mindesturlaub und dessen Abgeltung derzeit unmittelbar aus Art. 7 RL 2003/88/EG ergibt, ist aufgrund des § 125 SGB IX für diesen Personenkreis hinsichtlich des Schwerbehindertenzusatzurlaubs die bundesrechtlich gebotene Gleichbehandlung dadurch zu gewährleisten, dass dieser Urlaub ebenso behandelt wird wie der unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaub. Die gegenteilige Rechtsprechung des OVG NW16 setzt mit dieser Auslegung des BAG zu § 125 SGB IX nicht auseinander, sondern verwirft die Abgeltungsmöglichkeit allein deshalb, weil sie unionsrechtlich nicht – unmittelbar – geboten sei. Letzteres ist zwar richtig, lässt aber für sich gesehen keinen Rückschluss darauf zu, wie § 125 SGB IX auszulegen ist19.
Für das Jahr 2010 steht der Klägerin deshalb für den fünftägigen Schwerbehindertenzusatzurlaub der Gegenwert für eine Woche Mindesturlaubs zu, d. h. ein Betrag von 1.140,15 €. Für das Jahr 2011 sind nur der auf die ersten beiden Monate dieses Jahres entfallende Anteil des Zusatzurlaubs abzugelten, d. h. 2/12 des Jahresbetrages, d. h. 190,03 €. Die Gleichstellung des Zusatzurlaubs mit dem Mindesturlaub führt dazu, dass auch der Zusatzurlaub bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses vor Ablauf des Kalender- und Urlaubsjahres nur zum entsprechenden Anteil und nicht wie begehrt in vollem Umfang abgegolten werden kann.
Die Zinsforderung findet ihre Grundlage in der entsprechenden Anwendung des § 291 BGB i. V. m. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Zustellung der Klage ist am 14. Oktober 2012 erfolgt. Dieses Datum liegt nach der am 28. September 2009 eingetretenen Rechtshängigkeit (‚§ 81 VwGO), sodass die Klageforderung insoweit hinter den Möglichkeiten des § 291 S. 1 BGB zurückbleibt und uneingeschränkt zuerkannt werden kann.
Hinsichtlich der weitergehenden Forderung der Klägerin anstelle des auf zwei Monate entfallenden anteiligen Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte die Abgeltung dieses Zusatzurlaubs im Umfang seines Gesamtumfangs von jährlich fünf Tagen zu verlangen, bleibt die Klage erfolglos und ist deshalb abzuweisen.
Verwaltungsgericht Frankfurt, Urteil vom 9. Januar 2013 – 9 K 3340/12.F
- EuGH, Urteil vom 03.05.2012 – Rs. C-337/10[↩]
- GVBl. S. 23[↩]
- GVBl. S. 117[↩]
- zur Auslegung von Art. 56 Abs. 7 HessStGH U. v. 15.07.1970 – P.St. 548/563 – ESVGH 21, 1, 12, 14 f.: Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber; ebenso zu Art. 127 Abs. 6 HV HessStGH U. v. 19.05.1977, – P.St. 757 – ESVGH 27, 15, 17[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.05.2012 – Rs. C- 337/10, NVwZ 2012, 688 = ZTR 2012, 365, Rn. 21 ff.[↩]
- VG Frankfurt, U. v. 20.08.2012 – 9 K 1691/12.F[↩]
- HessVGH, U. v. 26.09.2012 – 1 A 161/12; ebenso auch OVG NW U. v. 13.09.2012 – 6 A 489/11; 16.10.2012 – 6 A 1581/11[↩]
- EuGH, U. v. 24.01.2012 – Rs. C-282/10, NZA 2012, 139, 141 f. Rn. 34 ff., „Dominguez“[↩]
- EuGH U. v. 24.01.2012, a.a.O. Rn. 39[↩]
- EuGH a.a.O. Rn. 32[↩]
- s. o.[↩]
- EuGH, U. v. 05.10.2004 – Rs. C-387/01 bis C-403/01, NZA 2004, 1146, 1151 f. Rn. 115 ff. – „Pfeiffer u. a.“[↩]
- BAG U. v. 22.02.2000 – 9 AZR 107/99, NZA 2001, 268, 270 f.; Gallner in Erfurter Kommentar, 12. Aufl., § 7 BUrlG Rn. 73[↩]
- EuGH, U. v. 16.03.2006 – Rs. C-131/04 u. C-257/04, NZA 2006, 481, 483 Rn. 50 – „Robinson-Steele“; 20.01.2009 – Rs. C-350/09 u. 520/06, NZA 2009, 135, 139 Rn. 58 – „Schultz-Hoff u. a.“[↩]
- für die analoge Anwendung des § 11 BUrlG auch HessVGH a.a.O.[↩]
- a.a.O.[↩][↩]
- EuGH a.a.O. Rn. 36 f.[↩]
- BAG, Urteil vom 23.03.2010 – 9 AZR 128/09, ZTR 2010, 376 Rn. 71[↩]
- v. Roetteken jurisPR-ArbR 43/2012 Anm. 3[↩]