Ver­set­zung in den vor­zei­ti­gen Ru­he­stand – we­gen dau­ern­der Dienst­un­fä­hig­keit

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes ist ein Beamter auf Lebenszeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist.

Ver­set­zung in den vor­zei­ti­gen Ru­he­stand – we­gen dau­ern­der Dienst­un­fä­hig­keit

Dienstunfähigkeit in diesem Sinne ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (§ 44 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 bis 4 BBG).

Kann der Beamte den Anforderungen seines Amtes und denjenigen einer anderweitigen Verwendung nicht mehr voll entsprechen, aber unter Beibehaltung des übertragenen Amtes seine Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen, soll er für begrenzt dienstfähig erklärt werden (§ 45 BBG).

Der Begriff der Dienstunfähigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eines Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu1.

Zur Annahme einer Dienstunfähigkeit reicht es nicht aus, dass der Beamte die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist2.

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Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen die gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen festgestellt und deren prognostische Entwicklung bewertet werden. Dies setzt in der Regel medizinische Sachkunde voraus, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 47 Abs. 1 Satz 1 BBG vor, dass der Dienstherr seine Einschätzung auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens zu treffen hat.

Ein ärztliches Gutachten muss, um Grundlage für eine vorzeitige Zurruhesetzung zu sein, die medizinischen Befunde und Schlussfolgerungen so plausibel und nachvollziehbar darlegen, dass die zuständige Behörde auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob der Beamte zur Erfüllung der Dienstpflichten seines (abstrakt-funktionellen) Amtes dauernd unfähig ist. Es muss nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die zu treffende Entscheidung erforderlich ist3. Es muss darüber hinaus auch in medizinischer Hinsicht die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen dafür liefern, dass der Dienstherr darüber entscheiden kann, ob der Beamte anderweitig auf einem anderen (und ggf. wie beschaffenen) Dienstposten verwendbar ist (§ 44 Abs. 2 bis 4 BBG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2017 – 2 A 6.15 – LS 3 und 4 sowie Rn. 63 ff.).

In diesem Zusammenhang kommt einer amtsärztlichen Stellungnahme als neutrale, unabhängige, in Distanz zu beiden Beteiligten stehende Einschätzung im Verhältnis zu privatärztlichen Attesten eine vorrangige Bedeutung zu4.

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Die Einschaltung eines Arztes bedeutet nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für die Beurteilung der Dienstfähigkeit übertragen werden darf. Aufgabe des Arztes ist es (lediglich), den Gesundheitszustand des Beamten festzustellen und medizinisch zu bewerten; hieraus die Schlussfolgerungen für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen, ist dagegen Aufgabe der Behörde und ggf. des Gerichts. Der Arzt wird lediglich als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen diejenige Fachkenntnis zu vermitteln, die für deren Entscheidung erforderlich ist5. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden6.

Bei psychischen oder Verhaltensstörungen erfolgt eine fachmedizinische Plausibilisierung der behaupteten Beeinträchtigung jedoch regelmäßig unter Rückgriff auf die Kategorien des Kapitels V der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme (ICD). Die Annahme einer Dienstunfähigkeit wegen einer bloßen tätigkeits- oder behördenbezogenen psychischen Beeinträchtigung („Schülerphobie“, „BND-Phobie“) – jenseits anerkannter ICD-Klassifikationen – ist rechtlich ausgeschlossen7.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. November 2017 – 2 A 5.16

  1. BVerwG, Urteil vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, BVerwGE 150, 1 Rn. 17[]
  2. stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 2 C 73.08, BVerwGE 133, 297 Rn. 14[]
  3. stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 30.10.2013 – 2 C 16.12, BVerwGE 148, 204 Rn. 31; und vom 19.03.2015 – 2 C 37.13, Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 11 f.; Beschluss vom 13.03.2014 – 2 B 49.12, Buchholz 232.0 § 48 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 8 f.[]
  4. stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 09.10.2002 – 1 D 3.02 22; vom 12.10.2006 – 1 D 2.05 35; und vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, BVerwGE 150, 1 Rn.20[]
  5. stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, BVerwGE 150, 1 Rn. 18[]
  6. BVerwG, Urteile vom 25.07.2013 – 2 C 12.11, BVerwGE 147, 53 Rn. 11; und vom 30.10.2013 – 2 C 16.12, BVerwGE 148, 204 Rn. 31 ff.[]
  7. vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2017 – 2 A 6.15 – LS 4 und Rn. 65[]
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