Befristung der Wirkungen einer Abschiebung

In die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen einer Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG können bei der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls strafrechtliche Verurteilungen einbezogen werden, auch wenn keine Ausweisungsverfügung wegen dieser Verurteilungen ergangen ist. Dies steht mit Art. 11 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG in Einklang.

Befristung der Wirkungen einer Abschiebung

Die Ausländerbehörde darf die erheblichen Straftaten des Ausländers im Rahmen ihrer Entscheidung über den Vollzug und die Befristung der Wirkungen der Abschiebung durch Bescheid vom 28.08.2014 berücksichtigen. Einer zusätzlichen Ausweisung bedurfte es hierfür nicht. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG statuiert unterschiedslos als Rechtsfolge einer Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, dass der Ausländer nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf.

Die Frist für diese Wirkungen ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen. Als Kriterien sind u.a. Aspekte der Gefahrenabwehr aber auch der Generalprävention von Bedeutung1.

Die Frist darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Eine Unterscheidung der zulässigen Gründe für die Befristung danach, ob es sich um die Wirkungen einer Ausweisung, einer Rückschiebung oder einer Abschiebung handelt, ist dem nur insoweit zu entnehmen, als dass die Überschreitung einer Frist von fünf Jahren nur zulässig ist, wenn entweder eine Ausweisung aufgrund strafrechtlicher Verurteilung erfolgt ist oder von dem Ausländer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.

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Im letzteren Fall ist, da im Gegensatz zur ersten Alternative ein Bezug zur Ausweisung fehlt, die Befristung über fünf Jahre hinaus unabhängig davon möglich, ob es sich um die Wirkungen einer Ausweisung, einer Rückschiebung oder einer Abschiebung handelt. Ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut für die Befristung über fünf Jahre hinaus nichts für eine Beschränkung der Entscheidungskriterien für die Befristungsentscheidung auf den Zweck der die Wirkung auslösenden Maßnahme (Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung), kann eine solche Beschränkung auch nicht für die Festsetzung einer kürzeren Frist angenommen werden.

Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG gibt hierfür auch bei kürzeren Befristungen keinen Anhalt, wenn er unterschiedslos für Fristen jeglicher Dauer und ohne zwischen den zugrundeliegenden Maßnahmen zu differenzieren die Umstände des Einzelfalls als Maßstab für die Befristungsentscheidung statuiert.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei einer Berücksichtigung der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG. Nach Art. 11 Abs. 1 RL 2008/115/EG gehen Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einher, wenn der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde, wie es hier der Fall ist. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Auch hier wird die Frist für den Fall des mit Abschiebung verbundenen Einreiseverbots nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls festgesetzt, ohne dass einzelne Umstände wie strafrechtliche Verurteilungen von der Berücksichtigung ausgeschlossen wären.

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Angesichts der Vorstrafen – hier: wegen Bandendiebstahls und gefährlicher Körperverletzung – geht es bei der Befristung der Abschiebung nicht um einwanderungspolitische Belange, sondern um den Schutz der öffentlichen Sicherheit im Hinblick auf die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, dem die Fernhaltung des Antragstellers aus spezialpräventiven Gründen dienen soll.

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. September 2014 – 3 Bs 185/14

  1. vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Komm. 10. A.2013, § 11 Rn. 48[]