Bei Klagerücknahme durch den Kläger kann dem Beklagten auferlegt werden, die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn er den Kläger in das Klageverfahren gedrängt hat. Das kann der Fall sein, wenn auf die Anfrage eines Beamten zur Höhe seiner Besoldung vom beklagten Land sofort ein Widerspruchsbescheid erlassen wird, obwohl absehbar ist, dass die insoweit maßgeblichen rechtlichen Fragen in einer Reihe bereits anhängiger und weit gediehener gerichtlicher Verfahren geklärt werden.

In diesem Fall hat das Verwaltungsgericht Freiburg entschieden, dass nachdem die Klägerin die Klage zurückgenommen hat und das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt worden ist, das beklagte Land die Kosten des Verfahrens zu tragen – entgegen der regelmäßigen Kostenfolge bei der Rücknahme einer Klage (§ 155 Abs. 2 VwGO).
Dies folgt aus § 155 Abs. 4 VwGO. Danach können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Von dieser Vorschrift werden nicht nur sogenannte ausscheidbare Mehrkosten erfasst, die ursächlich auf ein Verschulden eines Verfahrensbeteiligten zurückzuführen sind. Sie gilt vielmehr auch für die gesamten Rechtsbehelfskosten, wenn das Fehlverhalten eines anderen Verfahrensbeteiligten Anlass für das Verfahren war. Zu Lasten einer Behörde kommt dies etwa in Betracht, wenn ein Kläger unnötig in das Klageverfahren gedrängt worden ist1. Dies war hier der Fall.
Mit Schreiben vom 14.02.2005 hatte sich die Klägerin an das Landesamt für Besoldung und Versorgung gewandt und vorgetragen, dass Besoldungsempfänger nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts2 für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind ab dem 01.01.2000 Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 v. H. des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes hätten. Daran anschließend hatte sie um Überprüfung und Mitteilung gebeten, ob die ihr für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis 31.07.2004 aufgrund des dritten Kindes zugeflossenen Gehaltsbestandteile diesen Anspruch erfüllten. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung legte dieses Schreiben als Widerspruch aus und erließ nur wenige Tage später, am 22.02.2005, einen Widerspruchsbescheid, mit dem es den Widerspruch gegen die Nichtzahlung von erhöhten familienbezogenen Gehaltsbestandteilen für dritte und weitere Kinder für die Zeit ab dem 01.01.2000 als unbegründet zurückwies. In der Begründung verwies es auf die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch den Gesetzgeber und auf eine sich hierauf beziehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts3.
Die Klägerin erhob rechtzeitig Klage. Das beklagte Land trat der Klage entgegen und trug u. a. vor, die Klägerin habe ihren Anspruch auf höhere Besoldung nicht zeitnah, d. h. während des jeweils laufenden Haushaltsjahres geltend gemacht. Mit Blick auf seit längerer Zeit anhängige vergleichbare gerichtliche Verfahren stimmten die Beteiligten einem Ruhen des Verfahrens zu. Das Landesamt rief das Verfahren wieder an, nachdem das Bundesverwaltungsgericht4 die Auffassung des beklagten Landes zur zeitnahen Geltendmachung der Bezüge bestätigt hatte. Wegen anhängiger Verfassungsbeschwerden insoweit setzte das Gericht das Verfahren aus. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Verfassungsbeschwerden abschlägig beschieden und überdies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen an seiner gegenteiligen Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten hatte5 empfahl das verwaltungsgericht Freiburg der Klägerin die Rücknahme der Klage.
Dieser Verfahrensablauf zeigt, dass das beklagte Land die Klägerin unnötig in das Klageverfahren gedrängt hat. Anstatt ohne Ankündigung einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, hätte das Landesamt das Schreiben der Klägerin vom 14.02.2005 eher als Bitte um Auskunft verstehen müssen, dem sachdienlich mit einem formlosen Informationsschreiben zu entsprechen gewesen wäre. Wollte man jedoch eine Befugnis des Landesamts annehmen, solche Anfragen ohne Weiteres als Widerspruch auszulegen und eine der Bestandskraft fähige regelnde Wirkung, hier sogleich in Form eines Widerspruchsbescheids, zu erlassen6, hätte es im vorliegenden Fall jedenfalls pflichtgemäßem Ermessen entsprochen, das Widerspruchsverfahren auszusetzen. Denn zu den durch das Begehren der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen waren im damaligen Zeitpunkt bereits eine Reihe weit gediehener Klageverfahren anhängig, von denen eine hinreichende Klärung der Rechtslage zur erwarten war. Ein überwiegendes schutzwürdiges öffentliches Interesse daran, in allen gleichartigen Verwaltungsverfahren möglichst rasch zu bestandskräftigen Entscheidungen zu kommen bzw. eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten, vermag das Gericht jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art, in welchen der Beklagte gegen seine verfassungsmäßige Pflicht zur ausreichenden Alimentation von Beamten mit drei und mehr Kindern über viele Jahre hinweg und selbst in Kenntnis der maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen hat, nicht zu sehen. Ein solches Interesse hat das beklagte Land auch nicht etwa benannt. Es läge jedenfalls nicht darin, alle einen solchen Anspruch geltend machende Beamte, welche ein Klageverfahren scheuen, mit ihren Ansprüchen auszuschließen und so die Haushaltsbelastung durch an und für sich gerechtfertigte Nachzahlungsansprüche möglichst gering zu halten.
Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluss vom 3. November 2011 – 5 K 155/10
- vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.03.2011 – 7 KS 25/11; vgl. auch, allerdings zu § 138 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 137 FGO, Hess. FG, Beschl. v. 14.06.2011 – 11 K 2515/10[↩]
- Beschl. v. 24.11.1998[↩]
- Urt. v. 17.06.2004 – 2 C 34.02[↩]
- BVerwG, Urteile vom 13.11.2008 ‑2 C 16.07 und 2 C 21.07[↩]
- Urt. v. 07.02.2011 – 1 A 2736/08[↩]
- dazu, dass ein dem vorgeschaltetes Antragsverfahren bei allgemeinen Leistungsklagen eines Beamten bei Geltendmachung höherer Bezüge entbehrlich ist, vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.06.2004 – 2 B 62.03[↩]
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