Eine Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben in einem sonstigen Sondergebiet (§ 11 Abs. 1 BauNVO) ist mangels Rechtsgrundlage unwirksam.

Dies entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht, nachdem es diese Frage zuletzt noch im Jahr 20121 noch offen gelassen hatte. Sollte dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.11.20112 Gegenteiliges entnommen werden können, hält das Bundesverwaltungsgericht daran nicht fest.
§ 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO scheidet als Rechtsgrundlage aus.
§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO greift mit der Vorgabe, dass die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen sind, das Regelungsmuster der §§ 2 bis 10 BauNVO auf. Darstellung und Festsetzung der Zweckbestimmung haben für die sonstigen Sondergebiete die gleiche Aufgabe, die für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 10 BauNVO dem jeweiligen ersten Absatz dieser Vorschriften zukommt3. Sie dienen dazu, die Funktion des Sondergebiets festzulegen. Welche Vorhaben im Sondergebiet konkret zulässig sein sollen, ist nach dem Vorbild der Absätze 2 ff. der §§ 2 bis 10 BauNVO als Art der Nutzung festzusetzen4. Das Schema, das die §§ 2 bis 10 BauNVO prägt, darf die Gemeinde beim Zugriff auf § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO nicht verlassen.
Eine Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben lässt sich nicht als Festsetzung der Zweckbestimmung verstehen. Die Zweckbestimmung setzt den Rahmen für die Zulässigkeit von Nutzungen. Sie umschreibt den Zweck, dem ein bestimmtes Baugebiet dient. In welcher Anzahl der Art nach zulässige Vorhaben in einem solchen Gebiet verwirklicht werden, spielt für diesen Zweck keine Rolle und kann daher auch nicht im Wege der Zweckbestimmung festgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn die Zweckbestimmung, wie dies bei Gebieten für Einkaufszentren nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO der Fall ist, einen Anlagen- und Betriebsbezug unmittelbar herstellt.
Als Bestimmung der Art der Nutzung eines sonstigen Sondergebiets ist die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben ebenfalls nicht möglich.
Im Rahmen des § 11 BauNVO unterliegt die Gemeinde zwar geringeren Beschränkungen als bei der Festsetzung von Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO. Sie ist weder an bestimmte Nutzungsarten noch gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO an die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO gebunden. Vielmehr liegt die Definitionsmacht darüber, welche Anlagen zulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind, bei ihr5. Sie muss aber die vorhabenbezogene Typisierung beachten, die den §§ 2 bis 10 BauNVO zugrunde liegt. Die Absätze 2 und 3 der §§ 2 bis 9 BauNVO differenzieren danach, welche Vorhaben (Anlagen, Betriebe und sonstige Einrichtungen) auf den überplanten Flächen allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind. Ähnliches gilt für die in § 10 BauNVO geregelten Sondergebiete, die der Erholung dienen6.
Die nummerische Beschränkung zulässiger Anlagen trägt zur Kennzeichnung der Art der zulässigen Nutzung nichts bei. Sie qualifiziert nicht einen Anlagentyp (hier: den Typ des Einkaufszentrums), sondern quantifiziert Nutzungsoptionen. Solche Kontingentierungen von Nutzungsmöglichkeiten lässt die Baunutzungsverordnung nur in wenigen, ausdrücklich geregelten und hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen zu7.
Andere Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Zahl der zulässigen Vorhaben ist nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. §§ 16 ff. BauNVO als Bestimmung des Maßes der zulässigen Nutzung zulässig; denn sie ist nicht mit Hilfe einer der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter, etwa der Grundfläche oder der Geschossfläche, vorgenommen worden.
Im hier entschiedenen Fall konnte das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht beurteilen, ob die Unwirksamkeit der Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren zur Gesamtunwirksamkeit oder zur Teilunwirksamkeit der Festsetzungen für die Sondergebiete SO 1 und SO 2 führt. Er kann sich auch nicht darauf festlegen, ob die Gesamt- oder Teilunwirksamkeit der Ausweisung der Sondergebiete SO 1 und SO 2 zur Unwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans insgesamt führt oder auf die Sondergebiete SO 1 und SO 2 beschränkt bleibt. Diesen Fragen wird das Oberverwaltungsgericht nachgehen müssen.
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass das Bundesverwaltungsgericht die Gesamtunwirksamkeit der auf die Sondergebiete SO 1 und SO 2 bezogenen Festsetzungen selbst feststellen könne. Die vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkungen hätten sich wegen der Unwirksamkeit der Beschränkungen der Zahl zulässiger Einkaufszentren in baugebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkungen umgewandelt. Baugebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkungen seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts8 mangels Rechtsgrundlage grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme habe das Bundesverwaltungsgericht zwar für den Fall anerkannt, dass im Sondergebiet lediglich ein einziger Handelsbetrieb zulässig sei; denn dann sei die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbegrenzung identisch9. Der Ausnahmefall liege hier jedoch nicht vor. In einem Sondergebiet, in dem ein Einkaufszentrum mit einer maximalen Verkaufsfläche von 16 500 m² zulässig sei, seien auch drei kleinere Einkaufszentren mit je 5 000 m² Verkaufsfläche denkbar.
Die Berechnung der Antragsteller ist schlüssig, vor allem, wenn, wovon die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend ausgegangen sind, es rechtlich zulässig ist, mehrere Einkaufszentren in einem Gebäudekomplex, d.h. „unter einem Dach“ unterzubringen. Dennoch hält es das Bundesverwaltungsgericht für möglich, dass die Unwirksamkeit der Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben nicht zur Unwirksamkeit der Verkaufsflächenbeschränkungen führt.
§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO eröffnet der Gemeinde die Möglichkeit, die höchstzulässige Verkaufsfläche für das jeweilige Grundstück im Bebauungsplan als Art der Nutzung in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) festgelegt wird, soweit dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll10. Für die Art der Nutzung macht es freilich keinen Unterschied, ob die Gemeinde für einzelne Baugrundstücke im Plangebiet eine Verhältniszahl oder eine absolute Zahl festsetzt, die sich ihrerseits durch den Bezug auf die Grundstücksgröße auch als Verhältniszahl ausdrücken ließe. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es deshalb auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll.
Der Antragsgegnerin geht es darum, dass in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 nicht mehr als 16 500/16 600 m² Verkaufsflächen für Einkaufszentren zur Verfügung stehen. Da die Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren auf ein Zentrum je Sondergebiet unwirksam ist, hat die Antragsgegnerin ihr Ziel im Gewand einer grundstücksbezogenen Festsetzung erreicht, wenn es in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 jeweils nur ein für die Art der Nutzung „Einkaufszentrum“ geeignetes Baugrundstück gibt. Die unzulässige gebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkung lässt sich dann planerhaltend als zulässige grundstücksbezogene Verkaufsflächenbeschränkung auslegen. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht dem nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat es für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer gebietsbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung in der Vergangenheit nicht ausreichen lassen, wenn „das Grundeigentum“ oder „alle“ Grundstücke im Plangebiet im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan in einer Hand liegen11. Hintergrund ist die Überlegung, dass beim Vorhandensein mehrerer vorhabengeeigneter Baugrundstücke im Plangebiet eine Kontingentierung der Verkaufsflächen das Tor für sogenannte Windhundrennen potentieller Investoren und Bauantragsteller mit der Möglichkeit öffnen kann, dass Grundeigentümer im Falle der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind, und dieses Ergebnis dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrunde liegenden Regelungsgrundsatz widerspricht, demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung soll in Betracht kommen können7. Besteht das Plangebiet nur aus einem vorhabengeeigneten Baugrundstück, können sich die Eigentumsverhältnisse zwar auch ändern. Das Eigentum bleibt aber stets in der Hand eines Eigentümers. Er kann das Grundstück in den Grenzen der Verkaufsflächenbeschränkungen nutzen und muss nicht befürchten, durch andere Eigentümer Abstriche an seinen Nutzungsmöglichkeiten hinnehmen zu müssen. Der Möglichkeit einer Grundstücksteilung kommt rechtlich insoweit keine Bedeutung zu12.
Das Bundesverwaltungsgericht versteht die tatrichterlichen Feststellungen, die beiden Sondergebiete SO 1 und SO 2 bestünden im Wesentlichen aus einem Grundstück, dahin, dass es keine anderen Grundstücke in den jeweiligen Plangebieten gibt, die für die Errichtung eines Einkaufszentrums in Betracht kommen. Ist die Festsetzung der Verkaufsflächenobergrenzen und der Verkaufsflächenuntergrenze wegen ihres Grundstücksbezugs wirksam, so können auf jedem Baugrundstück allerdings mehrere Einkaufszentren betrieben werden. Ob das dem Willen der Antragsgegnerin entspricht, wird das Oberverwaltungsgericht zu klären haben. Die Vorinstanz hat zwar festgestellt, dass die Antragsgegnerin in beiden Sondergebieten die Fixierung auf eine Grundversorgung in einem zusammenhängenden Einkaufszentrum erreichen will. Diese Feststellung zwingt aber nicht zu dem Schluss, dass die Antragsgegnerin an der bisherigen Gestaltung des Sondergebiets festgehalten hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die nummerische Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren unwirksam ist.
Das Oberverwaltungsgericht wird auch die Auswirkungen der Teil- oder Gesamtunwirksamkeit der Festsetzungen für die Sondergebiete SO 1 und SO 2 auf die Festsetzungen für das Sondergebiet SO 3, das Industriegebiet und das Gewerbegebiet zu ermitteln haben.
Die Unwirksamkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung hat nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers)13.
Das Bundesverwaltungsgericht ist davon überzeugt, dass der Änderungsbebauungsplan mit der Folge teilbar ist, dass die Fehlerhaftigkeit der Ausweisungen der Sondergebiete SO 1 und SO 2 nicht die Fehlerhaftigkeit der Festsetzungen für das Sondergebiet SO 3, das Industriegebiet und das Gewerbegebiet nach sich zieht. Obwohl für das gesamte Plangebiet die Zielsetzung gilt, dass künftig eine weitere Ausdehnung des zentrenrelevanten Einzelhandels und großflächiger Betriebe mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten vermieden werden soll, tragen die Festsetzungen des Plans für das Sondergebiet SO 3, das Industriegebiet und das Gewerbegebiet jeweils für sich genommen zu einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung bei. Das Bundesverwaltungsgericht kann aber nicht sicher prognostizieren, dass die Antragsgegnerin den Einzelhandel im Industriegebiet und im Gewerbegebiet auch dann ausgeschlossen hätte, wenn sie die Fehlerhaftigkeit der Festsetzungen für die Sondergebiete SO 1 und SO 2 gekannt hätte. Das wird das Oberverwaltungsgericht zu klären haben und dabei vermutlich das Einzelhandelskonzept 2009 der Antragsgegnerin auswerten müssen, dessen Umsetzung der Änderungsbebauungsplan dient. Dem Konzept mögen sich Gesichtspunkte dafür entnehmen lassen, ob und inwieweit die Festsetzungen für die einzelnen Gebiete aufeinander bezogen und voneinander abhängig sind.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18
- BVerwG, Beschluss vom 13.11.2012 – 4 BN 30.12[↩]
- BVerwG, Urteil vom 10.11.2011 – 4 CN 9.10, BVerwGE 141, 144 Rn. 18[↩]
- BVerwG, Urteile vom 18.02.1983 – 4 C 18.81, BVerwGE 67, 23, 24; und vom 28.05.2009 – 4 CN 2.08, BVerwGE 134, 117 Rn. 14[↩]
- vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2019, § 11 BauNVO Rn. 29[↩]
- BVerwG, Urteil vom 03.04.2008 – 4 CN 3.07, BVerwGE 131, 86 Rn. 16[↩]
- BVerwG, Urteil vom 03.04.2008 a.a.O. Rn. 15[↩]
- BVerwG, Urteil vom 03.04.2008 – 4 CN 3.07, BVerwGE 131, 86 Rn. 17[↩][↩]
- BVerwG, Urteil vom 03.04.2008 – 4 CN 3.07, BVerwGE 131, 86 Rn. 14 ff., Beschluss vom 11.11.2009 – 4 BN 63.09 – DVBl 2010, 124 und Urteil vom 24.03.2010 – 4 CN 3.09, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 23[↩]
- BVerwG, Urteil vom 24.03.2010 a.a.O. Rn. 24[↩]
- BVerwG, Urteil vom 03.04.2008 – 4 CN 3.07, BVerwGE 131, 86 Rn. 16 unter Berufung auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.07.2002 – 1 C 10098/02, NVwZ-RR 2003, 93, 96[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 11.11.2009 – 4 BN 63.09 – DVBl 2010, 124 Rn. 3 und Urteil vom 24.03.2010 – 4 CN 3.09, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 24[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 11.11.2009 – 4 BN 63.09 – DVBl 2010, 124 Rn. 3[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 08.08.1989 – 4 NB 2.89, Buchholz 406.11 § 10 BBauGB/BauGB Nr. 17 S. 12; Urteil vom 03.04.2008 – 4 CN 3.07, BVerwGE 131, 86 Rn. 30[↩]
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