Der Beklagte ist durch ein klageabweisendes Prozessurteil beschwert, wenn das Prozessurteil nicht in demselben Umfang in Rechtskraft erwächst wie ein Sachurteil und deshalb die streitige Frage in einem Folgeprozess erneut aufgeworfen werden könnte1.

Für das zivilgerichtliche Verfahren ist anerkannt, dass der Beklagte beschwert sein kann, wenn die Klage durch Prozessurteil statt durch Sachurteil abgewiesen wird. Denn die Rechtskraft des Sachurteils geht weiter als die des Prozessurteils2. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren angeschlossen3.
An dieser Rechtsprechung hält das Bundesverwaltungsgericht fest. § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO bringt zum Ausdruck, dass auch der Beklagte ab dem dort genannten Zeitpunkt einen Anspruch auf gerichtliche Entscheidung hat4. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Beklagte zu seiner Verteidigung bereits Anstalten gemacht und finanziellen Aufwand gehabt hat5. Dieselbe Wertung liegt der Rechtsprechung zugrunde, wonach der Beklagte bei berechtigtem Interesse trotz Erledigterklärung durch den Kläger einen Anspruch auf Nachprüfung hat, ob die Klage gegen ihn zu Recht erhoben worden ist6.
Eine Beschwer ist danach zu bejahen, wenn das Prozessurteil nicht in demselben Umfang in Rechtskraft erwächst wie ein Sachurteil. Dies ist hier der Fall. Der Beklagte hat zu gewärtigen, dass die Frage, die Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist, in einem Folgeprozess – etwa in dem angekündigten Amtshaftungsprozess sowie in dem Rechtsstreit um die Rückgängigmachung der Folgen der Veräußerung – erneut aufgeworfen wird, ohne dass er die materielle Rechtskraft einwenden kann.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Januar 2012 – 7 C 5.11
- im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 10.02.1960 – 5 C 14.58, BVerwGE 10, 148, 149 = Buchholz 436.4 § 4 MuSchG Nr. 2; und vom 10.04.1968 – 4 C 160.65, Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 29 = NJW 1968, 1795; sowie Beschluss vom 14.02.2011 – 7 B 49.10, NVwZ 2011, 509[↩]
- BGH, Urteil vom 18.11.1958 – VIII ZR 131/57, BGHZ 28, 349; BAG, Beschluss vom 19.11.1985 – 1 ABR 37/83,, NJW 1987, 514[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.1960 – 5 C 14.58, BVerwGE 10, 148, 149 = Buchholz 436.4 § 9 MuSchG Nr. 2; Beschluss vom 15.03.1968 – 7 C 183.65, BVerwGE 29, 210, 211 = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 28; Urteil vom 10.04.1968 – 4 C 160.65, Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 29 = NJW 1968, 1795[↩]
- vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 92 Rn. 25[↩]
- vgl. Becker-Eberhard, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Aufl.2007, § 269 Rn. 1[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 14.01.1965 – 1 C 68.61, BVerwGE 20, 146, 154 = Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 12[↩]