Das Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region 8Lissabon-Konvention) gewährt Ansprüche auf Anerkennung einer in einem Vertragsstaat erworbenen Hochschulzugangsberechtigung. Sie verschafft den Inhabern von Qualifikationen in den Anerkennungsstaaten aber keine wesentlich weitere Zugangsberechtigung als im Heimatstaat. Wegen des Fehlens eines der deutschen fachgebundenen Hochschulreife ähnlichen Hochschulprogramms in Großbritannien reicht die Möglichkeit zur Zulassung an bestimmten Hochschulen im Vereinigten Königreich zur Anerkennung nicht aus.

Der Umstand, dass es im Vereinigten Königreich weder eine Allgemeine noch eine Fachgebundene Hochschulreife gibt und die Zulassung zur Hochschule dort durch die Hochschulen selbst nach den jeweils von ihnen selbst gestellten Anforderungen erfolgt, führt zu dem nach dem Wortlaut des Art. IV.3 der Lissabon-Konvention möglichen Nachweis, dass wesentliche Unterschiede zwischen den Zugangssystemen bestehen, die einer Anerkennung entgegenstehen. Auch wenn damit diese Vorschrift der Lissabon-Konvention im Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der Bundesrepublik Deutschland weitgehend leerlaufen sollte, entspricht das der Intention der Konvention, die Anerkennung der Zugangsberechtigungen zu fördern, ohne vorhandene wesentliche Unterschiede zwischen den Zugangsvoraussetzungen zu nivellieren. Die Notwendigkeit eines ausdrücklichen Ausschlusses des Vereinigten Königreiches von der gegenseitigen Anerkennungspraxis ergibt sich daraus nicht. Denn der Ausschluss der Anerkennung von Zugangsqualifikationen auf Grund wesentlicher Unterschiede zwischen den Zugangsvoraussetzungen in den Vertragsstaaten betrifft nur den Ausnahmefall im Verhältnis zwischen zwei Vertragsstaaten, nicht aber die generelle Anwendung der Regelung auf einen der Vertragsstaaten.
Schließlich ist der Lissabon-Konvention nicht zu entnehmen, dass den Inhabern von Qualifikationen damit in den Anerkennungsstaaten eine wesentlich weitere Zugangsberechtigung verschafft wird als im Heimatstaat. Vielmehr dient die Anerkennung dazu, den Inhabern einer Zugangsberechtigung den Zugang zur Ausbildung im selben Maße wie im Heimatstaat einzuräumen. Eine anerkennungsfreundliche Auslegung der Vorschriften der Lissabon-Konvention hat hierin ihre Grenze.
Auch aus der Unionsbürgerschaft und der Freizügigkeit nach den Art. 20, 21 AEUV folgt angesichts der Kompetenzbeschränkungen im Art. 165 Abs. 1 AEUV keine Pflicht, in andern Mitgliedstaaten erworbene schulische Qualifikationen anzuerkennen.
Das in Art. 20 Abs. 2 Buchstabe a) und 21 Abs. 1 AEUV statuierte Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger umfasst nicht das Recht, in allen Staaten der europäischen Union dieselben tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen vorzufinden. Die Freizügigkeitsrechte sind auf die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten sowie durch die in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen begrenzt. Eine solche Begrenzung zeigt sich unmissverständlich in Art. 165 Abs. 1 AEUV. Darin ist zwar die Förderung der Zusammenarbeit und Unterstützung der Tätigkeit der Mitgliedsstaaten durch die Union vorgesehen, die aber unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie die Vielfalt der Kulturen und der Sprachen erfolgt. Ein unbegrenzter Anspruch auf Zugang zu den Hochschulen aller Mitgliedstaaten, wenn der Zugang zu einigen Hochschulen in einem Mitgliedstaat eröffnet ist, ergibt sich daraus nicht. Auch Art. 164 Abs. 2 AEUV gibt nach seinem deutlich Wortlaut der EU nur die Kompetenz, die Mobilität der Lernenden und Lehrenden auch durch Förderung der Anerkennung der Diplome und Studienzeiten zu fördern. Eine Pflicht, schulische Qualifikationen, die in einem Mitgliedsstaat den Zugang zu Hochschulausbildungen ermöglichen, für den Zugang zur Hochschulausbildung in einem anderen Mitgliedsstaat ohne weiteres anzuerkennen, ist daraus nicht zu entnehmen. Angesichts der Vielfalt der Bildungs- und Ausbildungssysteme der Mitgliedsstaaten und der Pflicht der Europäischen Union, die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Gestaltung des Bildungssystems zu beachten, umfasst das Recht auf Freizügigkeit damit nur den diskriminierungsfreien Zugang zu den Hochschulen der Mitgliedstaaten bei feststehender Qualifikation, ersetzt diese aber nicht.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 Bf 94/10.Z