Bund-Länder-Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, sind nur Streitigkeiten, die sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es der Sache nach um eine Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse für einen bestimmten Bereich geht oder die Finanzverantwortung für Ausgaben im Streit steht, die Bund und Ländern aus der Wahrnehmung ihrer Befugnisse erwachsen.

In dem hier entschiedenen Fall streiten die Bundesrepublik und ein Land um die Kosten für Streckenkontrollen an Bundesfernstraßen. Das Bundesverwaltungsgericht sah die Klage als allgemeine Leistungsklage als zulässig an; insbesondere seien der Verwaltungsrechtsweg und die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet:
Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Die öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art.
Verfassungsrechtlicher Art ist ein Rechtsstreit, wenn der geltend gemachte Anspruch in einem Rechtsverhältnis wurzelt, das maßgeblich durch Verfassungsrecht geprägt ist. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn um föderale Ansprüche, Verbindlichkeiten oder Zuständigkeiten gestritten wird, die auf Normen des Grundgesetzes gestützt werden, die gerade das verfassungsrechtlich geordnete Verhältnis zwischen Bund und Ländern betreffen. Da Bund und Länder im Bundesstaat stets in einem verfassungsrechtlichen Verhältnis zueinander stehen, ist für den Rechtsweg maßgeblich, ob der Klageanspruch seine Grundlage im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis oder in einem engeren Rechtsverhältnis hat, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt wird. Ist das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Land einfachgesetzlich näher ausgestaltet, behält es diesen Charakter auch dann, wenn der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich von der Anwendung und Auslegung von Verfassungsnormen abhängig ist1.
Dies zugrunde gelegt, ist die Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Zwar geht der Klageanspruch auf Art. 104a Abs. 2 GG zurück, der die föderale Lastenverteilung im Bereich der Bundesauftragsverwaltung regelt und nach dem der Bund die Ausgaben trägt, die sich aus dem Handeln der Länder im Auftrag des Bundes ergeben. Unmittelbar gestützt ist er aber auf § 10a Abs. 2 FStrVermG, der die verfassungsrechtliche Lastenverteilung einfachgesetzlich näher ausgestaltet. Denn der Bund hat danach den Ländern Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung für Bundesautobahnen bis zum 31.12.2020 entstanden sind, in den Jahren 2021 bis 2023 durch die Zahlung von Pauschalen abzugelten.
Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Rechtsstreit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuständig.
Nach dieser Regelung entscheidet es über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern im ersten und letzten Rechtszug. Im Hinblick auf den Regelungszweck, von den sonst geltenden Zuständigkeitsregeln nur bestimmte, in ihrer Eigenart gerade durch die Beziehungen zwischen dem Bund und einem Land geprägte Streitigkeiten auszunehmen und dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung zuzuweisen, gilt dies allerdings nur für Bund-Länder-Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, die sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es der Sache nach um eine Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse für einen bestimmten Bereich geht2.
Eine Bund-Länder-Streitigkeit entzieht sich einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten aber auch dann, wenn nicht die Abgrenzung von Hoheitsbefugnissen, sondern die Finanzverantwortung für die Ausgaben im Streit steht, die Bund und Ländern aus der Wahrnehmung ihrer Befugnisse erwachsen3. Auch in solchen Fällen ist die Streitigkeit gerade durch die Beziehung zwischen dem Bund und einem Land geprägt.
Danach ist das Bundesverwaltungsgericht für den Rechtsstreit in erster und letzter Instanz zuständig. Denn der Streit über den Anspruch auf Zahlung der Zweckausgabenpauschale für 2021 betrifft die Frage der Finanzverantwortung des Bundes für die Ausgaben, die dem klagenden Land bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben entstanden sind.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Juni 2022 – 9 A 13.21
- BVerwG, Urteil vom 15.07.2016 – 9 A 16.15, Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 28 Rn. 18 und 20 m. w. N.[↩]
- stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 30.07.1976 – 4 A 1.75, Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 6; und vom 24.01.2007 – 3 A 2.05, BVerwGE 128, 99 Rn. 18[↩]
- vgl. zu einem nur der Höhe nach streitigen Anspruch auf Erstattung von Zweckausgaben BVerwG, Urteil vom 24.07.2008 – 7 A 2.07, Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 10[↩]
Bildnachweis:
- Bundesverwaltungsgericht: Robert Windisch