Die Bundespolizeiinspektionen sind keine Behörden, stellte jetzt der Bundesgerichtshof fest.

Der Begriff der Behörde ist in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinn aufzufassen, und zwar im Sinn des Staats- und Verwaltungsrechts1. Danach ist eine Behörde eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit aus-gestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein2. Es muss sich um eine Stelle handeln, deren Bestand unabhängig ist von der Existenz, dem Wegfall, dem Wechsel der Beamten oder der physischen Person, der die Besorgung der in den Kreis des Amtes fallenden Geschäfte anvertraut ist3. Dass das Bundespolizeigesetz und die Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden die Bundespolizeiinspektionen nicht nennen, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn selbst fehlerhaft errichtete Behörden und deren Träger sind im Interesse der Rechtssicherheit bis zur endgültigen Feststellung der Unwirksamkeit nicht als inexistent zu behandeln4.
Für den Begriff der Behörde ist eine organisatorische Selbständigkeit notwendig5. Indiz für eine Verselbständigung der Einrichtung zu einer Behörde ist insbesondere die Fähigkeit der Einrichtung, in eigenem Namen zu handeln, die ihrerseits durch eine gesetzliche Regelung zuerkannt oder durch Rechtsvorschriften zugewiesen wird6.
Eine solche Befugnis findet sich für die Bundespolizeiinspektionen weder im Bundespolizeigesetz noch in der Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden. Die Bundespolizeiinspektionen sind unselbständige Untergliederungen der Bundespolizeidirektionen7. Sie stehen den Arbeitseinheiten einer Behörde wie Ämtern und Dienststellen gleich8. Solchen Ämtern kommt eine Behördeneigenschaft nur dann zu, wenn sie kraft gesetzlicher Regelung gebildet werden müssen9. So verhält es sich mit den Bundespolizeiinspektionen anders als mit den früheren Bundespolizeiämtern10 gerade nicht. Sie nehmen öffentliche Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG wahr, ohne dass ihnen eigener Behördencharakter zukommt11.
Als Untergliederung der Bundespolizeidirektion wird das Handeln der Bundespolizeiinspektion mangels Selbständigkeit der jeweils zuständigen Bundespolizeidirektion zugerechnet11. Anträge, die eine Bundespolizeiinspektion stellt, sind Anträge der übergeordneten Bundespolizei-direktion. Antragstellende Behörde ist die jeweilige Bundespolizeidirektion, auch wenn diese nicht ausdrücklich als Antragstellerin ausgewiesen wird, sondern die Bundespolizeiinspektion als Antragstellerin erscheint.
Deshalb ist es unschädlich, wenn der Antrag in Freiheitsentziehungssachen nicht (auch) die übergeordnete Bundespolizeidirektion nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 FamFG aufführt, da eine Bundespolizeiinspektion mangels eigener originärer gesetzlicher Zuständigkeiten nur als Vertreterin für die Bundespolizeidirektion auftreten kann. Dementsprechend ist die übergeordnete Bundespolizeidirektion und nicht (auch) die Bundespolizeiinspektion Beteiligte des Verfahrens im Sinne des § 418 Abs. 1 FamFG.
Die Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim konnte und wollte allein für die Bundespolizeidirektion Hannover tätig werden. Dies ergibt sich auch aus den weiteren mit dem Aussetzungsantrag nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen und der Aufgriffsbericht durch die Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim für die Bundespolizeidirektion Hannover erfolgt sind. Hierdurch wird zugleich deutlich, dass die Bundespolizeiinspektion ein dieser zugehöriger Teil ist und allein die Bundespolizeidirektion Hannover zuständige Verwaltungsbehörde nach §§ 417 Abs. 1 FamFG, § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, § 57 Abs. 1 Bundespolizeigesetz i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden für den vorliegenden Haftantrag ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2010 – V ZB 79/10
- ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschlüsse vom 12.07.1951 – IV ZB 5/51, NJW 1951, 799; und vom 16.10.1963 – IV ZB 171/63, NJW 1964, 299[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.10.1963, a.a.O.; BVerfGE 10, 20, 48; BVerwG NJW 1991, 2980[↩]
- BGH, Beschluss vom 12.07.1951, a.a.O.[↩]
- BVerfGE 1, 14, 38; BVerwG NvWZ 2003, 995, 996[↩]
- Schliesky in Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl., § 1 Rdn 71; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 1 Rdn. 248[↩]
- Schliesky in Knack/Hennecke, a.a.O., § 1 Rdn. 72, 73[↩]
- Wagner, JURA 2009, 96, 97[↩]
- vgl. hierzu Schliesky in Knack/Hennecke, aaO, § 1 Rdn. 71; Schmitz in Stelkens/Bonk/ Sachs, aaO, § 1 Rdn. 248[↩]
- Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO, § 1 Rdn. 251[↩]
- vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 Bundespolizeigesetz in der bis zum 29. Februar 2008 geltenden Fassung[↩]
- Wagner JURA 2009, 96, 97[↩][↩]