Vor dem Bundesverfassungsgericht blieb aktuell der Eilantrag eines Gastwirts gegen die Erweiterung der Sperrstunde zwecks COVID-19-Eindämmung im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mangels Rechtswegerschöpfung ohne Erfolg.

Der Antragsteller ist Gastwirt einer Gaststätte in Freiburg im Breisgau, die sich an studentisches Publikum richtet und bis 3 Uhr nachts geöffnet hat. Durch Nr. 1. Buchstabe a der Allgemeinverfügung des Gesundheitsamtes des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald vom 21.10.2020 wurde im Stadtgebiet von Freiburg im Breisgau die Sperrzeit für Gaststätten auf den Zeitraum von 23 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages erweitert. Der Gastwirt beziffert seine anordnungsbedingten Umsatzeinbußen auf 600 € bis 800 € kalendertäglich.
Am 22.10.2020 legte der Gastwirt Widerspruch ein und beantragte am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen. Das Verwaltungsgericht setzte dem Gesundheitsamt eine Frist zur Stellungnahme auf Montag, den 26.10.2020, bis 16 Uhr, und kündigte an, dann zeitnah zu entscheiden. Die Vorsitzende der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts lehnte es trotz ausdrücklicher Bitte des Gastwirt ausdrücklich ab, über seinen Antrag auf eine Zwischenverfügung zu entscheiden.
Der Gastwirt rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG, je in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG, sowie von Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er macht geltend, die Allgemeinverfügung könne aufgrund der Dauer der Corona-Pandemie nicht mehr auf die Generalklausel des Infektionsschutzgesetzes gestützt werden, die Sperrzeitenverlängerung sei nicht erforderlich, weil nicht bekannt sei, dass vom nächtlichen Betrieb einer Gaststätte erhöhte Infektionsgefahren ausgingen, und sie sei jedenfalls nicht zumutbar. Im Übrigen liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, weil private Veranstaltungen bis zu 100 Teilnehmenden zeitlich unbeschränkt zulässig seien, obgleich die vorgegebenen Hygienestandards in Gaststätten höher seien und auch eine bessere Kontaktnachverfolgung ermöglichten. Die zögerliche Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts verletze sein Recht auf effektiven Rechtsschutz.
Die Voraussetzungen zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung lagen für das Bundesverfassungsgericht nicht vor:
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Auch im verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren gilt der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kommt daher nur in Betracht, wenn der Gastwirt bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat [1]. Er muss regelmäßig auch dazu vortragen, dass der Grundsatz der Subsidiarität dem verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nicht entgegensteht [2]. Hat er vorab einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, hat er auch darzutun, dass nachfolgend ein korrespondierender Hauptsacheantrag gestellt werden könnte, der nicht von vorneherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre [3].
Diesen Anforderungen genügt der Antrag im Ergebnis nicht.
Der Gastwirt hat den fachgerichtlichen Rechtsweg zwar beschritten, indem er schon am Tag nach der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung Widerspruch bei der Behörde eingelegt und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung desselben beim Verwaltungsgericht gestellt hat. Auch hat er, sobald es sich abzeichnete, dass die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts keine umgehende Entscheidung treffen würde, eine Zwischenverfügung beantragt und erfolglos um förmliche Entscheidung über diesen Antrag gebeten. Das Verwaltungsgericht hat aber über seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bislang nicht entschieden; es hat aber angekündigt, nach Ablauf der der Behörde eingeräumten Stellungnahmefrist zeitnah zu entscheiden. Damit ist der Eilrechtsweg hier nicht erschöpft.
Der Antrag auf Eilentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht ist auch nicht ausnahmsweise vor Erschöpfung des Rechtswegs zulässig. Solche Ausnahmen sind eng begrenzt [4]. Sie kommen nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG in Betracht, wenn ein Zuwarten bis zu einer (verwaltungs-) gerichtlichen Entscheidung unzumutbar wäre, weil ein schwerer oder unabwendbarer Nachteil entstünde. Dabei ist im Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab zugrunde zu legen [5].
Allerdings umfasst der in Art.19 Abs. 4 GG gewährleistete Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen von der jeweiligen Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen [6] auch, dass der Zugang zu gerichtlichen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird [7]. Ein gerichtliches Rechtsschutzverfahren darf nicht so angelegt werden, dass der gerichtliche Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert wird [8]. Es ist Aufgabe der jeweils zuständigen Gerichte sicherzustellen, dass Betroffene von Möglichkeiten des Rechtsschutzes, die die Rechtsordnung ihnen einräumt, in einer den Anforderungen des Art.19 Abs. 4 GG entsprechenden Weise effektiv Gebrauch machen können. Doch ist das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht – anders als der vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren – nicht darauf angelegt, möglichst lückenlos vorläufigen Rechtsschutz zu bieten [9]. Erst recht ist das Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht darauf angelegt, das fachgerichtliche Verfahren vorwegzunehmen [10].
Danach ist dem Antrag auf Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts hier nicht zu entsprechen. Zwar hat das Verwaltungsgericht bislang nicht über den Eilantrag entschieden und auch abgelehnt, über den Antrag auf eine Zwischenverfügung förmlich zu entscheiden [11]. Doch ist nicht erkennbar, dass dem Gastwirt ein Abwarten auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach dem strengen Maßstab, der insoweit anzulegen ist, unzumutbar wäre. Zwar ist die dargelegte Belastung durch die zu erwartenden Einkommensverluste in einer Zeit, in der solche aufgrund der Corona-Pandemie bereits entstanden sind, durchaus schwerwiegend. Doch ist nicht erkennbar, dass der Verweis auf das Abwarten der fachgerichtlichen Entscheidung hier derart schwere oder unabwendbare Nachteile mit sich brächte, die ein Einschreiten durch das Bundesverfassungsgericht als geboten erscheinen ließen. Die Angaben des Gastwirts zu erwartbaren Nachteilen beziehen sich allein auf entgangenen Umsatz. Etwaige Kosteneinsparungen durch die verkürzten Öffnungszeiten werden nicht erörtert. Zudem wird das Fachgericht in wenigen Tagen – nach eigenem Bekunden zeitnah – entscheiden.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Oktober 2020 – 1 BvQ 120/20
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.08.2019 – 1 BvQ 66/19, Rn. 2; Beschluss vom 04.12.2019 – 2 BvQ 91/19, Rn. 2; stRspr[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.08.2019 – 1 BvQ 66/19, Rn. 3[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.2013 – 1 BvQ 44/13, Rn. 2[↩]
- vgl. BVerfGE 68, 376 <380>[↩]
- vgl. BVerfGE 87, 107 <111> BVerfG, Beschluss vom 24.03.2014 – 1 BvQ 9/14, Rn. 3[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 382 <401> 40, 272 <275> 78, 88 <99> 93, 1 <13>[↩]
- vgl. BVerfGE 49, 329 <341> 65, 76 <90>[↩]
- vgl. BVerfGE 61, 82 <110> 69, 1 <49>[↩]
- vgl. BVerfGE 94, 166 <216>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.08.2016, – 2 BvQ 36/16, Rn. 5 m.w.N.[↩]
- zur Unzulässigkeit einer Untätigkeitsklage, vgl. BayVGH, Beschluss vom 09.07.2019 – 3 C 19.1218[↩]
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