Die den Kunden beim Besuch von Verkaufsstellen des Einzelhandels auferlegte Maskenpflicht ist ein zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und zum gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung verhältnismäßiger Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient grundsätzlich nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Antragsteller soll regelmäßig nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Das Begehren der Antragstellerin stellt sich allerdings insbesondere angesichts der befristeten Geltung des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 8 Corona-VO bis zum Ablauf des 31.08.2020 (§ 40 Abs. 2 Satz 3 Corona-VO) als eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Wird die Hauptsache vorweggenommen, kann dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art.19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache, sowie schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile im Falle des Abwartens in der Hauptsache voraus.
Zwar betrifft der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, anders als Eilanträge im Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, unmittelbar nur das Verhältnis zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens. Jedoch könnten, wenn die Maskenpflicht gegenüber der Antragstellerin für unwirksam erklärt würde, auch alle anderen Bürger durch Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sowie den sich für die Antragsgegnerin ergebenden Druck auf Gleichbehandlung die Bestimmung des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 8 Corona-VO faktisch außer Kraft setzen. Auch dieser Umstand unterstreicht das Erfordernis sehr hoher Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren.
Die erforderliche weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache besteht hier nicht. Im Gegenteil erweist sich die Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 8 Corona-VO nach der im Eilverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig.
Die Corona-VO findet in §§ 32 Satz 1 und 2, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Verordnungsermächtigung ist mit höherrangigem Recht vereinbar, sie beachtet insbesondere die Vorgaben von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und des Parlamentsvorbehalts [1].
Die Maskenpflicht als Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit bzw. in das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht [2] ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil Art. 2 Abs. 1 GG in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG nicht erwähnt wird und diese Vorschrift daher gegen das Zitiergebot des Art.19 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen würde. Einschränkungen, Regelungen und sonstige Begrenzungen wie die in Art. 2 Abs. 1 GG genannten (die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz) unterfallen nicht dem Zitiergebot des Art.19 Abs. 1 Satz 2 GG. Hierfür sprechen der Wortlaut von Art.19 Abs. 1 Satz 2 GG und die andernfalls übermäßige Anwendung des Zitiergebots, wodurch seine Warnfunktion beeinträchtigt würde [3].
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind aufgrund der gegenwärtig bestehenden Corona-Pandemie weiterhin erfüllt [4]. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland auch aktuell noch als insgesamt hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch. Das Coronavirus ist trotz der aktuell in Deutschland und in Hamburg niedrigen Infektionszahlen nicht etwa „verschwunden“, wie sowohl Ausbrüche in Deutschland an bestimmten „Hot-Spots“ als auch zuletzt zum Teil stark gestiegene Infektionszahlen in europäischen Nachbarländern zeigen.
Unter die zu treffenden notwendigen Schutzmaßnahmen fallen nicht nur die in §§ 29 ff. IfSG ausdrücklich benannten Maßnahmen. Vielmehr ist den Infektionsschutzbehörden ein breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen eröffnet, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird; darunter kann etwa auch die Schließung von Betrieben fallen. Dieser weite Anwendungsbereich gilt auch für den durch die Regelung betroffenen Adressatenkreis. Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen, bei denen feststeht oder der Verdacht besteht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als „Störer“ anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen [5].
Die Maskenpflicht stellt nach Auffassung des Beschwerdegerichts eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar. Die Regelung erscheint nach derzeitig erkennbarer Sach- und Rechtslage und im Lichte des dem Verordnungsgeber hier zustehenden Entscheidungsspielraums als geeignet, erforderlich und angemessen.
Die Maskenpflicht dient dem legitimen Zweck, die nach wie vor bestehende Corona-Pandemie einzudämmen und die Bevölkerung weiterhin vor einer starken Verbreitung des Coronavirus (Covid-19) zu schützen.
Dies gilt auch im Vergleich zur herkömmlichen saisonalen Grippe (Influenza), die je nach Saison ebenfalls schwere Verläufe mit hohen Kranken- und Todesfallzahlen aufweisen kann, ohne dass der Verordnungsgeber darauf bisher in entsprechend rigider Weise wie gegenüber der Corona-Pandemie reagiert hätte. Dafür dürfte es allerdings tragfähige Gründe geben.
Das Coronavirus selbst ist hochansteckend, wobei seine Übertragung offenbar nicht nur durch Tröpfchen, sondern auch und nicht zuletzt durch Aerosole erfolgt, die sich in geschlossenen Räumen länger in der Luft halten als Tröpfchen. Einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt es (im Gegensatz zur Influenza) bisher nicht.
Erkrankungen an Covid-19 bergen gegenüber der herkömmlichen saisonalen Grippe (Influenza) spezifische Risiken, gegen die es bisher keine ursächlichen Behandlungsmöglichkeiten gibt. So ist offenbar der Anteil der beatmungspflichtigen Patienten bei Covid-19-Patienten deutlich höher als bei Influenza-Patienten, wobei auch jüngere Patienten ohne spezifische Risikovorerkrankungen betroffen sein können. Hinzu kommt, dass Covid-19-Erkrankungen im Vergleich zur Influenza neben Lungenentzündungen offenbar auch zu Dauerschäden anderer Art in weiteren Organen wie Herz und Nieren führen können. Neuere Studien britischer Forscher deuten zudem darauf hin, dass selbst Corona-Infektionen mit eher milden Verläufen dauerhafte neurologische Schäden wie Entzündungen im Gehirn, Nervenschäden, Schlaganfälle, Bewusstseinsveränderungen oder Psychosen verursachen können. All dies lässt es, solange es weder einen Impfstoff noch ursächliche (nicht bloß symptombezogene) Behandlungsmöglichkeiten gibt, als legitim erscheinen, bereits der Verbreitung des Virus in der Bevölkerung mit besonderen Maßnahmen entgegenwirken zu wollen.
Die Maskenpflicht ist geeignet, das von der Antragsgegnerin verfolgte Ziel der Eindämmung einer erhöhten Infektionsgefahr durch eine starke Verbreitung des Coronavirus zu erreichen.
Der Hauptinfektionsweg beim Coronavirus ist nach gegenwärtig erkennbarer Lage dessen Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole; dies gilt insbesondere bei Menschenkonzentrationen in geschlossenen Räumlichkeiten und verstärkt dann, wenn Mindestabstände nicht durchweg eingehalten werden können. Dies kann (nicht nur in Bussen und U‑Bahnen, sondern auch) in Geschäften des Einzelhandels und in Ladenlokalen von Dienstleistungsunternehmen typischerweise der Fall sein. Tröpfchen und Aerosole können in solchen Situationen durch eine Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) jedenfalls in erheblichen Teilen zurückgehalten werden, was zugleich die Dichte und Konzentration etwaiger Auswürfe reduziert und damit der Gefahr schwerwiegender Krankheitsverläufe entgegenwirkt [6]. Die unmittelbare Wirkung der MNB mag zwar (sofern der Betreffende keine FFP2- oder FFP3-Maske trägt) weniger im Schutz des Maskenträgers selbst, sondern eher im Schutz der Mitmenschen in dessen näherer Umgebung liegen; bereits dies ist aber eine infektionsschutztechnisch wertvolle Konsequenz. Dies bestätigt auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in der dortigen Empfehlung vom 26.06.2020 im Hinblick auf einfache (ggf. selbst gemachte) Mund-Nasen-Bedeckungen: „Trotz dieser Einschränkungen können geeignete Masken als Kleidungsstücke dazu beitragen, die Geschwindigkeit des Atemstroms oder Tröpfchenauswurfs z.B. beim Husten zu reduzieren.“ Darüber hinaus lässt sich insoweit noch ein weiterer positiver Effekt ableiten: Je mehr Menschen die MNB tragen, desto mehr ist mittelbar auch der Einzelne selbst geschützt. All dies rechtfertigt es, die Maskenpflicht als geeignete Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie anzusehen.
Dem entspricht es, dass auch das wegen seiner Expertise und Koordinierungsfunktion fachlich besonders gewichtige Robert-Koch-Institut (vgl. § 4 IfSG) die Eignung der Nutzung einer MNB – neben weiteren Maßnahmen – bestätigt. Zuletzt hat es dazu ausgeführt:
„Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt das generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Diese Empfehlung beruht auf Untersuchungen, die belegen, dass ein gewisser Anteil von Übertragungen von SARS-CoV‑2 unbemerkt erfolgt, d.h. zu einem Zeitpunkt vor dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen.
Eine teilweise Reduktion der unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen von MNB könnte auf Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen. Dies betrifft die Übertragung im öffentlichen Raum, an denen mehrere Menschen zusammentreffen und sich dort länger aufhalten (z.B. Arbeitsplatz) oder der physische Abstand von mindestens 1,5 m nicht immer eingehalten werden kann (z.B. Einkaufssituation, öffentliche Verkehrsmittel). Das Tragen von MNB im öffentlichen Raum kann vor allem dann im Sinne einer Reduktion der Übertragungen wirksam werden, wenn sich möglichst viele Personen daran beteiligen.
Das Tragen einer MNB trägt dazu bei, andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, zu schützen (Fremdschutz). Für diesen Fremdschutz durch MNB gibt es inzwischen erste wissenschaftliche Hinweise. Der Eigenschutz durch MNB ist bisher wissenschaftlich nicht belegt.
…
Der Einsatz von MNB kann andere zentrale Schutzmaßnahmen, wie die (Selbst-)Isolation Erkrankter, die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1, 5 m, die Hustenregeln und die Händehygiene zum Schutz vor Ansteckung, nicht ersetzen, sondern ergänzt diese. Das situationsbedingte generelle Tragen von MNB (oder von MNS, wenn die Produktionskapazität dies erlaubt) in der Bevölkerung ist ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu reduzieren (AHA-Regeln).“
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nach ursprünglich kritischer Einstellung ihren Standpunkt zur Maskenpflicht geändert und empfiehlt diese bei sachgemäßer Anwendung in Situationen, in denen die Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können.
Weitere mittlerweile vorliegende Studien deuten ebenfalls darauf hin, dass das Tragen einer MNB in den o. g. Situationen einen effektiven Beitrag zur Eindämmung der Coronavirus-Verbreitung zu leisten vermag.
So gelangt etwa die Studie „Maskenpflicht und ihre Wirkung auf die Corona-Pandemie: Was die Welt von Jena lernen kann“ (von Timo Mitze, Reinhold Kosfeld, Johannes Rode and Klaus Wälde) im Hinblick auf die Anfang April 2020 zuerst in Jena eingeführte Maskenpflicht im Wege eines Vergleichs mit anderen Städten und Landkreisen, die einerseits mit der dynamischen Entwicklung der Covid-19 Fallzahlen in Jena in diesem Zeitraum übereinstimmen und andererseits ähnliche grundsätzliche Charakteristiken aufweisen, wie etwa die regionale Bevölkerungsdichte, das Durchschnittsalter der Bevölkerung, der Anteil von Senioren, die durchschnittliche Ausstattung mit Ärzten und Apotheken, in denen die Maskenpflicht aber später eingeführt wurde, zu folgendem Ergebnis:
„Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass es auf Basis dieser Vergleichsgruppe gut gelingt, ein synthetisches Jena für den Zeitraum vor dem 6.04.zu konstruieren. Dies wird dann dazu genutzt, eine hypothetische Entwicklung Jenas ab dem 6.04.zu bestimmen, wenn die Stadt keine Maskenpflicht eingeführt hätte. Aus Tabelle 1 geht demzufolge hervor, dass sich nach der Einführung der Maskenpflicht eine signifikante Kluft zwischen der Entwicklung der Fallzahlen in Jena und der Vergleichsgruppe ohne Maskenpflicht auftut.
…
Zusammenfassend hat die Einführung der Maskenpflicht in den jeweiligen Kreisen zu einer Verlangsamung der Covid-19 Entwicklung beigetragen. Der Befund steht gut mit der Einschätzung von Epidemiologen und Virologen im Einklang, dass der Mund-Nase-Schutz den Luftstrom beim Sprechen vermindert und dadurch die Übertragung infektiöser Partikel eingedämmt wird. Die beobachteten Effekte in Jena sind größer als im Durchschnitt der anderen Städte. Dies hängt auch damit zusammen, dass Antizipationseffekte im Zeitablauf zugenommen haben dürften. Zum einen kann die Einführung der Maskenpflicht in später nachziehenden Regionen vorweggenommen worden sein. Zum anderen kann sie für die Bevölkerung auch eine Signalfunktion haben, sich an die Regeln der Kontaktbeschränkung zu halten. Offenbar hat hier ein grundsätzliches Umdenken in der Bevölkerung stattgefunden. Unsere Studienergebnisse legen somit nahe, dass ein Aufrechterhalten der Maskenpflicht ein kosteneffektiver, wenig ökonomieschädlicher und demokratieverträglicher Baustein auch für die weitere Eindämmung von Covid-19 ist.“
Des Weiteren ist eine Modellstudie der Universitäten Cambridge und Greenwich vom 10.06.2020 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Reproduktionszahl dauerhaft unter 1 gedrückt würde (also im Durchschnitt eine erkrankte Person weniger als eine andere anstecken würde), wenn die Allgemeinbevölkerung konsequent eine Maske tragen würde; es hat dabei zugrunde gelegt, dass die MNB nur etwa 50% des Aus-Atems zurückhalten würden. Dies könne laut der Studie auch ein wichtiger Beitrag sein zur Verhinderung einer zweiten Welle, sofern die Maskenpflicht mit weiteren Maßnahmen kombiniert werde.
Dem entspricht es, dass andere europäische Länder die Maskenpflicht wieder eingeführt oder verschärft haben, nachdem dort die Infektionszahlen nach bereits erfolgten Lockerungen wieder gestiegen waren. Dies gilt aktuell etwa für Frankreich, Großbritannien und Katalonien. In Österreich steht die Wiedereinführung der Maskenpflicht für Kunden im Einzelhandel offenbar unmittelbar bevor.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht sachwidrig; und vom Einschätzungsspielraum des hamburgischen Verordnungsgebers gedeckt, wenn (auch) er derzeitig die Maskenpflicht in den Situationen, für welche die aktuell geltende Corona-VO sie vorsieht, als geeignetes Mittel zur Eindämmung der Corona-Pandemie einstuft.
Schließlich stehen auch mögliche unabsichtliche Fehler mancher Bürger beim Anlegen der MNB oder auch diesbezügliches vereinzeltes gezieltes Fehlverhalten der Eignung der Maskenpflicht zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht grundsätzlich entgegen. Unabhängig davon verbleibt ein erheblicher Schutzeffekt durch das Verhalten derjenigen, die mit der MNB korrekt umgehen.
Der hamburgische Verordnungsgeber darf im Rahmen seines Einschätzungsspielraums die Maskenpflicht auch aktuell noch für erforderlich halten, um das Ziel der Eindämmung einer erhöhten Infektionsgefahr durch das Coronavirus zu erreichen.
Vergleichbar effektive, aber mildere Mittel sind derzeitig nicht ersichtlich. Bloße Empfehlungen, in den betreffenden Situationen eine MNB zu tragen, dürften nicht zu einer vergleichbaren Zahl von Maskenträgern führen [7]. Auch „gezielte Schutzmaßnahmen“ speziell gegenüber „Risikogruppen“ wären keine „mildere“, aber gleich effektive Vorgehensweise. Dies erschiene bereits zweifelhaft hinsichtlich der Eignung, weil „Risikogruppen“ als solche nicht klar zu definieren und nicht ohne weiteres vom „weniger gefährdeten Rest“ zu trennen sind [8]. Außerdem wäre es erst recht zweifelhaft, es als „milderes“ Mittel anzusehen, wenn man bestimmten Bevölkerungsteilen besondere „Maßnahmen zu ihrem eigenen Schutz“ auferlegte, die diese dann umso härter treffen würden (z. B. Ausgangsverbote für „ältere“ Menschen, z. B. ab 65 Jahren).
Als gleichermaßen effektive, aber mildere Mittel kommen auch nicht andere angeführten Maßnahmen in Betracht, mit denen nach Auffassung der Antragstellerin die in § 13 Corona-VO genannten Verkaufsstätten ihre Läden und Zuwegungen so organisieren könnten, dass Begegnungen an diesen Orten unter Einhaltung eines Mindestabstands von 1, 50 Metern stets möglich seien, nämlich durch geeignete Einbahnstraßenregelungen, elektronische Zählungen zur Kontrolle der anwesenden Personenzahl und Personaleinsatz zur Lenkung. Derartige Maßnahmen dürften sinnvoll sein und teilweise auch bereits praktiziert werden, aber sie dürften nach derzeitig erkennbarer Lage gegenüber der Maskenpflicht nur ergänzende, nicht aber alternative Mittel darstellen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO gelten in Verkaufsstellen des Einzelhandels und Ladenlokalen von Dienstleistungsbetrieben ohnehin die allgemeinen Hygienevorgaben nach § 5 Corona-VO, die dort wiederum in Abs. 1 Satz 1 vorschreiben, dass anwesende Personen das Abstandsgebot nach § 3 Abs. 2 Corona-VO einhalten müssen; nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Corona-VO ist der Zugang des Publikums durch geeignete technische oder organisatorische Maßnahmen so zu überwachen, dass die Anzahl der für den Publikumsverkehr geöffneten Betriebsfläche anwesenden Personen auf eine Person je zehn Quadratmeter der für den Publikumsverkehr geöffneten Betriebsfläche begrenzt wird. Diese zusätzlichen Schutzmaßnahmen dürften die Maskenpflicht aber nicht überflüssig machen. Insbesondere angesichts der Belastung der Luft in geschlossenen Räumlichkeiten, die von einer (trotz der letztgenannten Begrenzung der Anzahl der anwesenden Personen immer noch) erheblichen Anzahl von Menschen aufgesucht werden, durch Aerosole erscheint es als plausibel, sich nicht nur auf Maßnahmen zur Wahrung des Abstandsgebots und zur Begrenzung der Personenzahl zu verlassen.
Auch die aktuell niedrigen Neuinfektionszahlen im Hamburger Staatsgebiet verpflichten den Verordnungsgeber nicht zur Aufhebung der aktuell geltenden Maskenpflicht. Diese niedrigen Zahlen bedeuten, wie bereits ausgeführt, nicht, dass die Infektionsgefahr verschwunden wäre. Es ist jedenfalls derzeitig vom Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers getragen, wenn er davon ausgeht, dass diese niedrigen Zahlen auch eine Folge der Maskenpflicht sein können, was umgekehrt bedeutet, dass eine Aufhebung des Maskenzwangs binnen kurzer Zeit zu deutlich höheren Neuinfektionszahlen führen könnte. Zugleich ermöglicht mit einiger Wahrscheinlichkeit die Aufrechterhaltung der Maskenpflicht gerade im Einzelhandel die dort erfolgten Lockerungen und die Aufrechterhaltung des Verkaufsgeschehens.
Schließlich gebietet auch der Umstand, dass es in Hamburg bisher offenbar nach Wiedereröffnung der Fitnessstudios keine damit in Verbindung zu bringenden Corona-Ausbrüche gegeben hat, „obwohl“ § 20 Corona-VO dort für die Nutzer keine Maskenpflicht vorgibt, nicht die Abschaffung der Maskenpflicht im Bereich des Einzelhandels. Für den Betrieb von Fitnessstudios gibt die Corona-VO ein anderes Schutzsystem vor als für Verkaufsstellen des Einzelhandels (und Ladenlokale von Dienstleistungsbetrieben etc.). Nach § 20 Abs. 2 und 5 Corona-VO gelten in Fitnessstudios nicht bloß die allgemeinen Hygienevorgaben nach § 5, sondern es sind (anders als in Verkaufsstellen des Einzelhandels) die Kontaktdaten der Nutzer nach § 7 zu erheben, es ist ein sportartenspezifisches Schutzkonzept nach § 6 zu erstellen und es gilt sowohl für die Nutzer als auch für die Fitnessgeräte ein vergrößerter Mindestabstand von 2, 5 Metern. Diese zusätzlichen (in Verkaufsstellen des Einzelhandels kaum praktikablen) Schutzmaßnahmen sollen offenbar aus der Sicht des Verordnungsgebers an die Stelle einer Maskenpflicht treten. Dies erscheint als nachvollziehbar. Zum einen wäre die Auferlegung einer Maskenpflicht beim Fitnesstraining praktisch schwer vorstellbar; zum anderen sind in Fitnessstudios (im Gegensatz zu Verkaufsstätten des Einzelhandels) im Falle eines doch auftretenden Infektionsgeschehens durch die Pflicht zur Erhebung der Kontaktdaten (die in Fitnessstudios in der Regel unproblematisch ist, weil die dortigen Nutzer kein „Laufpublikum“ darstellen, sondern Mitglieder sind) die Infektionsketten besser nachvollziehbar als in Verkaufsstätten des Einzelhandels mit dem dort häufig anonym bleibenden Publikum.
Die aktuell bis zum 31.08.2020 angeordnete Maskenpflicht ist auch angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne). Gegenüber dem Zweck der Eindämmung der bestehenden (Infektions-) Gefahren für Leib und Leben der Mitmenschen, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch verpflichtet ist, stehen die mit der Maskenpflicht in ihrem derzeitigen Umfang einhergehenden Belastungen nicht außer Verhältnis.
Es handelt sich bei der Maskenpflicht zwar um einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, der nicht bloß Bagatellcharakter hat. Auf der anderen Seite ist dieser Eingriff (in seinem derzeitig normierten Ausmaß) aber auch nicht schwerwiegend. Die Pflicht, in bestimmten, räumlich und typischerweise auch zeitlich begrenzten Situationen, die zudem durch den Bürger jedenfalls in einem gewissen Umfang selbst weiter beschränkbar sind, eine MNB zu tragen, führt nicht etwa zu einer mit dem zwangsweise auferlegten Tragen eines „Niquab“, der den gesamten Kopf bis auf die Augen komplett verhüllt, vergleichbaren „Entmenschlichung“. Die Belastung durch die Maskenpflicht im Einzelhandel wird zudem erheblich dadurch reduziert, dass es, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, jedem Bürger, der sich durch die MNB gestört fühlt, freisteht, seine Einkaufszeiten durch präzise Planung und konzentriertes Einkaufsverhalten zu reduzieren bzw. auf den Online-Handel auszuweichen. Die mit dem Maskenzwang allerdings verbundene Beeinträchtigung eines stundenlangen, durch wenig zielgerichtetes Sich-Treiben-Lassen geprägten Shopping-Vergnügens in Einkaufszentren mag seitens vieler Kunden als ärgerlich empfunden werden; damit ist allerdings für die Kunden kein gravierender Rechtseingriff verbunden. Es handelt sich um eine „zumutbare Zumutung“.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass mit der Maskenpflicht in ihrem derzeitig geltenden Umfang eine im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG maßgebliche Gefahr der Gesundheitsschädigung für die Bürger durch Rückatmung bzw. „Selbstverkeimung“ verbunden sein könnte. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht nimmt insoweit Bezug auf die folgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Mainz [9]:
„Allgemeine Gesundheitsgefahren, die durch das Tragen einer Schutzmaske entstehen, sind zur Überzeugung der Kammer mit hinreichender Sicherheit auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auszuschließen. Die … Dissertation von Frau Dr. med. V. C. mit dem Titel „Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal“ aus dem Jahr 2005 … ergibt bei genauer und aufmerksamer Durchsicht keine zuverlässigen Anhaltspunkte für allgemeine Gesundheitsgefahren durch das Tragen von (Alltags-)Masken in den hier maßgeblichen Situationen.
So stellt sich der Sachverhalt für das Tragen beim Einkaufen und im ÖPNV schon deshalb anders als im dort untersuchten ärztlichen Bereich dar, weil hier die (Alltags-)Masken wohl keinen vergleichbar festen und dauerhaften Sitz wie die dort behandelten OP-Masken haben müssen … Dies ist vor allem auch deshalb relevant, weil im Alltag die Masken auch zwischenzeitlich abgenommen werden können, sofern – was unwahrscheinlich ist – die Atmung erschwert bzw. der Körper dazu kompensatorische Anzeichen gäbe, dass mehr Sauerstoff benötigt würde. Dann würden auch nach Feststellungen in der Dissertation die Kohlendioxidwerte „rasch“ wieder auf den Ausgangswert normalisiert. Eine derartige kompensatorische Atmung, eine Änderung der Herzfrequenz oder gar ein signifikanter Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut werden in der Dissertation zudem aber gerade nicht festgestellt. Gleichzeitig wurde transkutan lediglich ein Anstieg des Kohlendioxid-Partialdrucks von 5,50 mmHg bzw. 5, 60 mmHg gemessen. … Damit ist es auch als unwahrscheinlich anzusehen, dass die von der Antragstellerin befürchtete Einschränkung bestimmter kognitiver Fähigkeiten durch das Tragen von Alltagsmasken bewirkt werden könnte. …“
Insbesondere angesichts der begrenzten Zeit, die man als Kunde im Einzelhandel mit der MNB verbringen muss, sind derartige Gefahren für Menschen im Regelfall nicht zu erwarten. Im Übrigen befreit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Corona-VO diejenigen Personen von der Maskenpflicht, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer MNB aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist.
Der Vorhalt der Antragstellerin, die Antragsgegnerin sehe keine erhöhte Gefahr für hunderttausende Fitnessstudiobesucher in Hamburg, sich beim gemeinsamen Sport oder den Aufenthalt im Studio durch die Atemluft, die beim Training ohne MNB ein- und ausgeatmet werde, zu infizieren, sie normiere auch im Bauhauptgewerbe mit tausenden Mitarbeitern in Hamburg keine Maskenpflicht und sie stelle in den Schulen den absoluten Lebensschutz nicht über das Prinzip der maskenfreien Begegnung zur Erfüllung eines ordnungsgemäßen Schulunterrichts, vermag ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde zu führen. Soweit sie damit möglicherweise eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) des Einzelhandels gegenüber Fitnessstudios, dem Bauhauptgewerbe und dem Schulbereich rügen will, kann sie nicht im eigenen Namen Rechte der Einzelhandelstreibenden geltend machen. Der Umstand, dass sie selbst als Kundin im Einzelhandel eine MNB tragen muss, während Besucher von Fitnessstudios, Bauarbeiter oder Schulkinder einer solchen (unmittelbar durch die Corona-VO begründeten) Pflicht nicht unterliegen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Dass für Fitnessstudios ein anders konzipiertes Schutzregime gilt als für den Einzelhandel, ist oben bereits ausgeführt worden. Der Vergleich mit der Tätigkeit auf Baustellen im Straßen- und Häuserbau hinkt, weil diese Tätigkeiten weitgehend unter freiem Himmel stattfinden und die Übertragungsgefahr durch Aerosole entsprechend geringer ist. Soweit Schulkinder während des Unterrichts keine Maske tragen müssen, bestehen signifikante Unterschiede zu Kunden im Einzelhandel beispielsweise darin, dass Klassenräume (anders als etwa die Innenräumlichkeiten von Kaufhäusern oder Supermärkten) in der Regel häufig und gut gelüftet werden können und dass im Falle eines doch auftretenden Infektionsgeschehens die Infektionsketten leichter nachvollzogen werden können, weil die Schüler (anders als die meisten Kunden im Einzelhandel) persönlich bekannt sind. Selbst wenn im Übrigen die fehlende Maskenpflicht in den letztgenannten drei Bereichen unter Infektionsschutzgesichtspunkten (teilweise) zweifelhaft bliebe, wäre der Verordnungsgeber nicht deswegen dazu verpflichtet, die als solche (nach gegenwärtig vorliegendem Erkenntnisstand) rechtmäßige Maskenpflicht für Kunden im Einzelhandel abzuschaffen; eher käme es dann in Betracht, auch in den anderen genannten Bereichen eine Maskenpflicht einzuführen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2020 – 5 Bs 86/20
- vgl. zu den vergleichbaren Verordnungen in anderen Bundesländern z.B. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.04.2020, 13 R 52/20; BayVGH, Beschluss vom 27.04.2020, 20 NE 20/793; OVG Bremen, Beschluss vom 23.04.2020, 1 B 207/20[↩]
- vgl. Murswiek/Rixen in: Sachs, GG, 8. Aufl.2018, Art. 2 Rn. 132, zum Recht auf eigenverantwortliche Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes[↩]
- vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl.2020, Art.19 Rn. 5, 5a, und Art. 2 Rn. 58; zur allgemeinen Handlungsfreiheit vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.05.2020, 20 NE 20.1080 13[↩]
- vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 12.05.2020, 1 B 144/20, S. 5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14.05.2020, 13 MN 156/20 18 ff.[↩]
- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 20.05.2020, 5 Bs 77/20 22; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14.05.2020, a. a. O., Rn. 25[↩]
- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 20.05.2020, a. a. O., Rn.29[↩]
- vgl. Thür. OVG, Beschl v.03.07.2020, 3 EN 391/20 84[↩]
- vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 3.07.2020, a. a. O., Rn. 85[↩]
- VG Mainz, Beschluss vom 28.04.2020, 1 L 276/20.MZ 17 f.[↩]